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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

wie z. B. auch das bekannte Hamman’sche Oelbild, das eine Scene aus Mozart’s Leben in Wien darstellt, und das wir hier unseren Lesern in einem gelungenen Abbilde wiedergeben. Um das Bild zu erklären, möge es uns erlaubt sein, etwas näher auf jenen Zeitabschnitt in dem Leben des großen Maestro eingehen zu dürfen.

Mozart war bereits fünf Jahre mit Constanze Weber verheirathet, und diese fünf Jahre waren – wenigstens in ehelicher Beziehung – recht glücklich gewesen. Er hatte sie mit Constanze vergnügt verlebt, und ihre gegenseitige Liebe stand in der schönsten, vollsten Blüthe. Warum sollte dies aber auch nicht sein? Fand denn nicht Mozart in seiner Constanze, was er gesucht: ein gutes, liebevolles Weib, das sich an seine Gemüthsart, an seine kleinen Eigenheiten vortrefflich anzuschmiegen, in sein ganzes Wesen vollkommen einzugehen wußte? Dadurch aber gewann Constanze auch wieder sein ganzes Zutrauen und jenen wohlthätigen Einfluß, der oft mit liebevoller Besorgniß die gewaltigen Flügelschläge des – hier und da auch abirrenden – Genies zu bewältigen wußte. Freilich gelang dies nicht immer; aber da er sie wahrhaft liebte, ihr Alles, selbst seine kleinen Sünden, anvertraute, so war Constanze meist so klug, ihren Mann für das zu nehmen, was er war, für einen außergewöhnlichen, bedeutenden Menschen, dessen Wesen, dessen Denken, Fühlen und Handeln nicht mit dem kleinlichen, nur für Alltagsmenschen passenden Maßstabe gemessen werden konnte.

  Mozart, zum ersten Male seinen „Don Juan“ vortragend.   Aarland’s V.A.
Nach dem Originalgemälde von E. Hamman.

Und mußte sie ihm denn nicht vergeben, mußte sie nicht immer wieder gut sein, wenn er sich auch einmal von seiner durch ungeheures Arbeiten nervös gesteigerten Lebhaftigkeit und Sinnlichkeit hatte hinreißen lassen? Er war ja auf der anderen Seite wieder so unendlich gut, so aufmerksam, so liebevoll! Für gewöhnlich hatte denn auch Frau Constanze so viel richtigen Takt, so viel Geist und Lebenserfahrung, sich zu der Höhe zu erheben, auf welcher ihr Gatte sich in geistiger und künstlerischer Beziehung bewegte, sich in ihn hinein zu denken. Ihre herzliche, innige und treue Liebe lieh ihr dazu die Schwingen; aber eben diese aufrichtige Liebe sah auch, gerade weil sie innig und aufrichtig war, dem allzukecken Fluge ihres genialen Mannes oft mit großer Besorgniß nach. Nicht, als ob sie auch nur im Entferntesten gefürchtet hätte, ihr geliebter Amadeus könnte jemals wirklich ausarten, wohl aber aus Sorge für seine Gesundheit und sein Leben.

Seit er verheirathet war, arbeitete Mozart ja – womöglich – noch mehr als zuvor. Die unselige Gewohnheit, Nachts zu componiren, von welcher einst schon Cannabich in Mannheim gesagt, daß sie ihn, wenn er sie nicht aufgebe, keine vierzig Jahre alt werden lasse, hatte sich noch gesteigert. Morgens ward dann in dem Bette ausgearbeitet. War das geschehen, so ging von zehn Uhr die Jagd mit dem Stundengeben an; denn – vor allen Dingen mußte ja der Schornstein rauchen, da man Frau und bereits auch Kinder hatte. Die Runde seiner Lectionen zu machen, war aber in Wien keine Kleinigkeit und nahm oft auch noch einige Nachmittagsstunden sammt der so nöthigen Geduld und frohen Laune weg. Ach! Mozart fühlte nur zu gut und zu schmerzlich, was sein großes Genie in dieser Zeit für Mit- und Nachwelt hätte schaffen können, wenn ihn eine seiner würdige Anstellung über die Sorgen des Lebens erhoben hätte. Aber auch Kaiser Joseph, der ihn doch so sehr liebte und schätzte, ließ ihn – Dank den Intriguen seiner Feinde – unangestellt.

Und wenn er nun, durch Stundengeben, sonstige Berufsarbeiten, Akademien, Proben und dergleichen abgemüdet, bis zum Umsinken erschöpft, geärgert, gelangweilt und nervös abgespannt, nach frischem Athem, nach Erholung und Aufheiterung schmachtete, ward den erschlafften Nerven häufig nur in neuer Aufregung eine scheinbare

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 613. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_613.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)