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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

und sein neueres Werk über die alten hoch- und niederdeutschen Volkslieder. Endlich gehört Uhland zu den tüchtigsten Mitarbeitern des grossen Grimm’schen Sprachwerkes.

So darf Deutschland mit Stolz von Uhland sagen, daß er einer seiner edelsten Söhne sei, ein echter „deutscher Sänger“ – ein biederer, ehrenfester Charakter, ein Mann von Muth und hohem Sinn. Er lebt noch jetzt still thätig in Tübingen. Möge er dem deutschen Vaterlande noch lange erhalten bleiben!

H. N.




Ein seltenes Naturspiel.

Es gibt Gegenden der Erde, wo die Sonne, von einem bestimmten Punkte aus gesehen, mehrmals während ihres Laufes hinter Bergen verschwindet und dann wieder zum Vorschein kommt, wo sie also, wie man sich ausdrücken könnte, mehrmals auf- und untergeht. Dies findet unter andern in besonders bemerkenswerther Weise den 13. und 14. Januar jeden Jahres bei dem Bosruck, einem Berge in Oberösterreich statt, wenn man von dem eine Meile entfernten Spital am Pyhrn aus beobachtet, wie kürzlich ein gewisser Herr Riedler durch eine Zeichnung, deren Copie wir mittheilen, bekannt gemacht hat. Der östliche Abhang des Bosruck fällt hiernach nahe mit der Linie zusammen, welche die Sonne an jenen beiden Tagen von ihrem Aufgange an beschreibt, und da dieser Bergrücken sehr zerklüftet ist, so ereignet es sich, daß sie während des Vormittags acht Mal zum Vorschein kommt, sieben Mal wieder verschwindet. Die Punkte, wo dies geschieht, sind in unserer Zeichnung durch 1. 2. 3. etc. kenntlich gemacht, und die Sonne wird sich an diesen Punkten resp. um 9 Uhr 45 M., 10 Uhr, 10 Uhr 10 M., 10 Uhr 15 M., 10 Uhr 25 M., 10 Uhr 35 M., 10 Uhr 45 M. und 11 Uhr 20 Minuten befinden. Die Höhe der Sonne über dem Horizont beträgt zu eben diesen Zeilen der Reihe nach 151/6, 171/2, 181/3, 191/6, 20, 205/6, 22 und 24 Grad. Doch ist dabei zu bemerken, daß diese Zahlenangaben nur als rohe Näherungswerthe gelten können, da uns die geographische Breite des Ortes und alle sonstigen Angaben nur sehr oberflächlich bekannt sind.

Bemerkenswerth ist bei der Mittheilung des Herrn Riedler noch, daß er nichts davon erwähnt, daß dieselbe Erscheinung auch den 28. und 29. November jeden Jahres stattfinden muß, weil an diesen beiden Tagen die Sonne sehr nahe dieselbe Declination hat, als am 13. und 14. Januar. Ist dies seiner Beobachtung entgangen?




Eine Sitzung der Spiritualisten in London.

Nachdem in Deutschland das Zeitalter der tanzenden und klopfenden Tische so ziemlich vorüber ist, treibt in Amerika und England der sogenannte Spiritualismus die üppigsten Blüthen und findet gerade in den Gesellschaftsclassen, die man als die gebildeten zu bezeichnen pflegt, seine eifrigsten Anhänger. Mr. Home, ein junger Amerikaner und bevorzugter Liebling der Klopfgeister, machte kürzlich eine „Kunstreise“ durch Italien, Frankreich und England, die ihm einen nicht zu verachtenden baaren Gewinn eintrug, ihm Aufnahme in den Salons der vornehmen Welt und in Paris sogar die Ehre verschaffte, seine Künste vor dem kaiserlichen Paare in den Tuilerien zu produciren. Sonst scheint Mr. Home weder unter dem blauen Himmel Italiens, noch bei den Franzosen den erwarteten günstigen Boden gefunden zu haben. In dem „nüchternen, aufgeklärten“ England hingegen zeigten sich die Gemüther nur um so empfänglicher, und wir können uns nicht versagen, den Lesern der Gartenlaube einige Einzelnheiten aus dem Berichte eines Augenzeugen über eine „Sitzung“ der englischen Spiritualisten mitzutheilen.

Zum bessern Verständnisse des Nachfolgenden geben wir eine flüchtige Schilderung des Schauplatzes. Das Zimmer, in welchem sich die Jünger Home’s eines Abends gegen neun Uhr versammelten, war ein gewöhnlicher, dreifenstriger Privatsalon und unterschied sich in seiner Einrichtung durch nichts von einem andern englischen Drawing room. Das Meublement bestand aus mehreren Divans, Sesseln und Stühlen. In der Mitte des hohen, geräumigen Zimmers stand ein großer, runder Tisch; die Fenster waren mit dunkeln, wollenen Gardinen und Rouleaux versehen. In den beiden Fenstern rechts und links hatte man Blumenstöcke aufgestellt; das Mittelfenster hingegen war leer. Die Gesellschaft bestand aus acht Personen, Frauen und Männern. Unter ihnen befand sich Mr. Home, ein kaum dem Jünglingsalter entwachsener, junger, blasser Mann, dessen ziemlich unbedeutende Erscheinung nicht im Mindesten den Vorstellungen entspricht, die man sich von ihm zu machen geneigt ist. Mr. Home verwahrt sich selbst eifrig dagegen, irgend welche Gewalt über die Geister zu besitzen. Er erklärt sich nicht nur für unfähig, Geister zu citiren, sondern würde es sogar für sündlich halten. Ueberhaupt ist er ein sehr frommer, demüthiger Mann von fast schüchternem Wesen. Ueber Dinge, die über das Grab hinaus ragen, vermag er ebenso wenig Auskunft zu geben, wie ein anderer Sterblicher. Er ist mit einem Worte nicht

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 648. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_648.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)