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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

nicht beikommen, denn dieselbe wurde von Bürgern unter der Anführung des Predigers Sperling tapfer vertheidigt. Hierüber erzürnt, zündeten die Kroaten bei ihrem Abzuge die Stadt an, wobei auch das Schloß litt, indem der Wind die glühenden Schiefer des Kirchdachs auf den Siebenspitzenthurm trieb, welcher Feuer fing und nebst allen äußeren Gebäuden ein Raub der Flammen wurde.

Ein Theil des Innern den Schlosses mit dem Brunnen
und dem Fürstenwall.

Durch den 1635 zu Prag mit dem Kaiser geschlossenen Frieden machte sich Sachsen die Schweden und deren Verbündete zu Feinden, was abermals das arme Stolpen empfinden mußte. 1639 erschien der schwedische Feldherr Banner mit 6000 Mann und forderte die Besatzung des Schlosses (dasselbe hatte seit dem Besuche der Kroaten eine kurfürstliche Besatzung erhalten) auf, sich zu ergeben. Der Commandant der Veste leistete keine Folge, und, wie einst die Kroaten, rächten sich jetzt die Schweden, indem sie bei ihrem Abzuge die Stadt einäscherten. Als endlich der Friede in Deutschland wieder eingekehrt, wurden die abgebrannten Gebäude wieder neu aufgebaut und die Festungswerke noch vermehrt. Allein ein böses Geschick waltete über dem Orte. Was Menschenhände verschont ließen, vernichteten die Elemente. Mehrmals suchten die schwersten Gewitter Schloß und Stadt heim, und was diese übrig ließen, zerstörten während des siebenjährigen Krieges die Preußen unter Obrist Warncsi[WS 1]. Vom 3. bis 18. September 1756 verweilten die Feinde in der Veste und führten die metallenen Geschütze mit sich weg, nachdem sie die eisernen Kanonen, Gewehre und Munition in den Schloßbrunnen geworfen und die Wasserleitung vernichtet hatten.

Seit diesem Augenblicke liegt die Veste in Trümmern und wäre bald wieder ein Schauplatz des Kriegselends geworden, als Napoleon 1813 befahl, die Thore und Mauern in Vertheidigungszustand zu setzen. Er selbst hielt sich den 24. und 25. August in Stolpen auf und rühmte die Festigkeit und Stärke der Mauern, die sämmtlich aus Basaltsäulen errichtet sind. Glücklich jedoch entging diesmal der Ort der drohenden Gefahr und mahnt heute durch seine öden Ruinen nur noch an die Nichtigkeit irdischer Macht und Größe, an die Schrecken wilder Eroberungssucht und mittelalterlicher Grausamkeit. Da, wo einst wilder Kriegslärm tobte, wo der Fuß barbarischer Söldner den Boden zerstampfte, wandeln jetzt friedliche Menschen, in den zerfallenen Räumen wie in einem offenen Buche lesend – oder es weiden muntere Ziegen und suchen sich die leckersten Kräuter aus.

Bergschloß Stolpen von der Mitternachtseite.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. gemeint ist: Obristleutnant von Warnery
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_669.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)