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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Jahrgehalt bewilligt ward, wenn er wieder nach Dresden zurückkehre. Hier lebte er in glücklichen Familienverhältnissen beinahe zwanzig Jahre der Vervollkommnung seiner Kunst, und vollendete 1836 ein neues großes selbstthätiges Instrument, „Symphonion“ von ihm genannt, welches Fortepiano, Clarinetten, Flöten, Piccolo, Schallstäbe und Pauke in sich vereinigte, und von dem z. B. Prof. Schafhäutl in München schreibt: „Das Spiel dieser Maschine ist wirklich entzückend, der Vortrag brillant, der Anschlag des Fortepiano selbst so frisch und rund, daß man unwillkürlich den Spieler und die Hände sucht, welche bald energisch in die Saiten greifen, bald sich zart und leise begleitend den brillanten Clarinett- oder Flöten-Passagen anschließen.“ – Mit dem Symphonion, einem Chordaulodion, dem Harmonichord und dem Trompet-Automat unternahm Friedrich Kaufmann, begleitet von seinem Sohne Friedrich Theodor (geb. 1823 zu Dresden), dessen angeborenes Talent in diesem Fache der Kunst einen seltenen Wirkungskreis fand, eine längere Kunstreise durch Deutschland, Rußland, Schweden und Dänemark und fanden namentlich in Petersburg die glänzendste Anerkennung, leider verunglückten die genannten Instrumente, die Frucht jahrelanger Anstrengungen und Arbeiten, zur See auf der Rückreise von Kopenhagen im December 1843. Nach Dresden zurückgekehrt, begannen nunmehr Vater und Sohn gemeinschaftlich neue Instrumente und Kunstwerke an Stelle der verunglückten zu erbauen und dabei sowohl die früher gemachten Erfindungen anzuwenden, als auch neue Ideen und Verbesserungen dabei auszuführen. So entstand ein neues, wesentlich verbessertes Harmonichord, ein Chordaulodion, ein Symphonion und ein Belloneon, und auch der Trompet-Automat ward wieder hergestellt.

Das Orchestrion.

Nachdem diese Arbeiten vollendet, schritt der jüngere Kaufmann zur Ausführung eines möglichst vollständigen selbstspielenden Orchesterwerkes nach eigener Idee, welches nach fünfjähriger anstrengender Arbeit 1851 vollendet ward, und Clarinetten, Flöten, Flageolets, Hörner, Cornets, Trompeten, Fagotts, Tuba, Pauken, Trommeln, Triangel und Becken in sich vereinigt. Es ward „Orchestrion“ genannt, hat, beiläufig bemerkt, eine Höhe von vier Ellen achtzehn Zoll, und machte auf einer damit nach England etc. unternommenen Kunstreise zur Zeit der Londoner Industrie-Ausstellung Sensation. Zurückgekehrt von dieser Kunstreise gründeten Kaufmann, Vater und Sohn, in Dresden eine permanente Ausstellung ihrer Erfindungen unter dem Namen „Akustisches Cabinet“ und verbanden damit eine Fabrik musikalischer Instrumente, aus der zahlreiche selbstthätige Kunstwerke und namentlich auch „Harmoniums“ (vervollkommnete Physharmonica) hervorgehen und weithin versendet werden. Die Vorzüge des genannten Harmoniums vor derartigen bisher bekannten Instrumenten bestehen sowohl in bei weitem vollerem, edlerem Tone, als auch in der Anwendung mehrerer Register von verschiedenen Klangfarben. Die präcise Ansprache der Töne läßt auch die Ausführung lebhafter Tonstücke zu, und die leichte Behandlung, die willkürliche Schwellung der Töne, die Dauerhaftigkeit der Stimmung vereinigen sich, das Harmonium immer mehr beliebt zu machen. Kleinere Harmoniums sind die anmuthigsten Instrumente für Zimmer und Salon (auch mit Begleitung des Pianoforte und Gesang), während größere durch Stärke und Fülle der Töne in kleineren Kirchen, Sälen und Theatern die Stelle der Orgel zu ersetzen vollkommen im Stande sind.

Das Harmonium.

Indem wir, soweit es uns der Raum gestattete, auf den Wirkungskreis und die Bedeutsamkeit beider Künstler hingewiesen, glauben wir dem Leser zugleich ein Bild stillen deutschen Fleißes gezeigt zu haben. Bewunderung und Liebe flößt uns das lange arbeitsvolle Leben des Vaters ein – wahrhafte Achtung das unermüdliche Streben des Sohnes.

Mögen Beide noch lange vereint wirken und schaffen!

K.


Spiritualisten-Spuk.[1]

„Die Geisterwelt ist nicht verschlossen“. Im Gegentheil scheint es, als ob sie sich weit und breit Allen, die Zutritt wünschen, und nicht blos den begünstigten „Sonntagskindern“ eröffnen wolle. Die Zahl der Leichtgläubigen, die bereits mit Geistern umgehen und sie beliebig zu „Tische“ einladen, beläuft sich in Amerika schon auf mehr als drei Millionen „Spiritualisten“, wie sie sich nennen, die siebzehn ausschließlich dem Spiritualismus gewidmete Zeitschriften herausgeben und lesen, in England mindestens aus dreißigtausend mit einem „Spiritual Magazine“, das aber von Zeitschriften anderer Art und zum Theil ersten Ranges noch unterstützt wird. Wir nennen nur Thackeray’s „Cornhill-Magazine“, das durch einen Spiritualisten-Artikel unlängst die ganze „ungläubige“ Presse in Schrecken versetzte und zu Kreuzzügen gegen sich Anlaß gab. Thackeray ist mit Dickens Oberster der Götter auf dem literarischen Olympe Englands. Thackeray und Dickens, das klingt in England eben so, wie bei uns Goethe und Schiller.

  1. In England ist augenblicklich, wenn nicht der Teufel, doch die ganze Geisterwelt losgelassen. Dadurch, daß der bekannte englische Schriftsteller Thackeray in seiner vielgelesenen Zeitschrift in einem längeren Artikel die Erklärung abgab, eine Verbindung der diesseitigen und jenseitigen Welt vermittelst der Tischbeine sei nicht wegzuleugnen, wurde ein Feuerbrand in die englische Presse geworfen, der jetzt in hellen Flammen aufschlägt. Selbst die täglichen Zeitungen betheiligen sich daran und sind in zwei Lager getheilt – für und gegen den Schwindel. Eine Wochenschrift: Spiritual Magazine zählt heute bereits 15,000 Abonnenten. Alle Geisterbeschwörungen, sie mögen noch so kindischer und roher Natur sein, finden unter den Anhängern des Spiritualismus Glauben; ja wir müssen es mit Bedauern gestehen, daß sich sogar einige Männer der Wissenschaft durch diesen neuen Aberglauben übertölpeln ließen. Ist es doch, als ob die Zeiten eines Cagliostro, eines Schrepfer wiedergekehrt wären! Jedenfalls ist diese Erscheinung aber zu wichtig, oder vielmehr zu traurig, als daß sie von der Presse vornehm ignorirt und übersehen werden könnte. Wir geben vorläufig den Bericht unseres bekannten Londoner Mitarbeiters, der nur Thatsachen und Erklärungen bringt, später hoffen wir in einem längeren Artikel nochmals darauf zurückzukommen und aufklärende Details bieten zu können. Deutsche Wissenschaft und deutsche Aufklärung werden hoffentlich bald diesem Treiben ein Ende machen.
    D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 711. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_711.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)