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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

sehr mußten sie dem Volk mißfallen und dessen Herz verwunden, wenn sie, die hochmüthigen Eroberer, die witzigen Materialisten, über Deutschlands Niederlagen lachten, die Träume seiner Denker und die Wehmuth seiner Dichter verspotteten; wenn sie, stolz auf unsere französische Sprache, die Nasen rümpften über das, was sie den deutschen Jargon nannten. Aber mittlerweile schliffen diese Besiegten ihre Säbel, diese Philosophen exercirten Rekruten ein, diese Poeten dichteten Kriegslieder, dieser Jargon bereicherte sich an Worten der Verwünschung und der Rache, und eines Tags, als das Zeichen aus Norden kam, als die Flammen von Moskau bis nach Deutschland herüber leuchteten: „Frisch auf, mein Volk!“ rief Körner. „Zu den Waffen!“ dröhnte es im Volk – „der Freiheit eine Gasse! die Flammenzeichen rauchen, die Saat ist reif, ihr Schnitter zaudert nicht! der Himmel hilft, die Hölle muß uns weichen, drauf wackres Volk!“ –

Mit einem Schlag erhebt sich ganz Deutschland, überall Soldaten und Waffenlärm; überall ertönt der Befreiungsruf, der den Ohren der Fürsten diesmal wohlklingt, und das Geschrei des Fanatismus, das den Philosophen gefällt (?): „Krieg den Tyrannen, Krieg den Gottlosen!“ Die Fürsten werden Demagogen, die Professoren Officiere und ihre Zöglinge Soldaten. Man geht zur Schlacht wie man gestern in’s Colleg ging. Die Vorlesungen werden auf dem Wahlplatz gehalten, Vorlesungen über Ruhm und Freiheit. Alte Veteranen der Caserne und Biwacht mischen sich unter diese jungen Schwärme der Theologen und Philosophen, und Blücher marschirt neben Jahn. „Gott ist auf unserer Seite!“ rufen die Proclamationen der Könige. „Wir fürchten nicht die Hölle und ihre Verbündeten. Jeder Unterschied der Geburt, des Standes und der Heimath ist aus unseren Legionen verbannt, wir sind alle gleich und freie Männer!“ – O glaubt es nur, ihr Jünglinge, und kämpft in diesem Glauben, sterbet in diesem Glauben; Euch beklage ich nicht, denn auf Euch lastet kein Meineid und Alle, lebend oder todt, habt Ihr gehalten, was Ihr verspracht, nämlich das Vaterland zu retten!

Edles Deutschland, welche Tage der Begeisterung sahst du damals! Und für uns in Frankreich, welche Zeit der Trauer und des Unheils! denn während die Aufrufe der Könige und der Dichter alle deutschen Herzen erweckten, schlichen unsere Soldaten matt und halb erfroren langsam durch diese Dörfer, diese Flecken, welche fast schon Feindesland waren. Ueberall auf ihrem Durchzug wilde zornige Blicke, Hände, die sich ballten und nach einer verborgenen Wehr suchten, überall nur Rache, während sie doch des Mitleids bedurften; und keine Ruhe, keine Rast! Hinter ihnen her scholl, wie um ihre Flucht zu beschleunigen, der langgezogene Schrei des Aufstandes und des Krieges: „Nach dem Rhein, in’s Feld, in’s Feld! Nach dem Rhein!“ Das war der Refrain Körner’s, der furchtbare Refrain, den eine ganze Nation nachsang. Umsonst versuchten wir bei Lützen und bei Dresden einen Augenblick lang diesen furchtbaren Liedern Schweigen zu gebieten; sie kamen wieder mit wer weiß wie viel hunderttausend Stimmen mehr, und gar bald erklangen sie zu unserem Schrecken an den Ufern des Rheins. Es gibt ein Lied von Körner, welches die poetische Darstellung der Geschichte dieses wunderbaren deutschen Volkskrieges und seiner verschiedenen Phasen vom Beginn an bis zum endlichen Triumph zu sein scheint. Das ist das Lied von den schwarzen Jägern, von Lützow’s wilder, verwegener Jagd. Alle Volkskriege fangen an mit Aufständen und Revolution. Das Vaterland hat im Anfang kein regelmäßiges Heer bereit zum Dienste seines Zorns; es hat zuerst nur Abenteurer, Guerilleros, Räuber zur Verfügung – denn mit diesem Namen bezeichnen die Sieger immer und überall in ihren Bulletins die Volkskämpfer. So begann auch der Widerstand Deutschlands, so beginnt Körner’s Lied. Da sind zuerst die freien Schaaren versteckt im Dunkel der Wälder: näher und näher braust es heran; in düsteren Reihen mit Hörnerklang; und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt: „das ist Lützow’s wilde, verwegene Jagd!“

Der Genius Körner’s entspringt seiner Vaterlandsliebe und seiner Begeisterung; das ist kein Tyrtäus der warmen Stube, der am Ofen, nach reichlicher Mahlzeit, Kriegslieder macht; er ist ein Soldat, Freiwilliger bei den schwarzen Jägern, Schwert an der Seite, Gewehr auf der Schulter; er ist eingetreten, um sein Vaterland zu retten, um dessen Tyrannen zu züchtigen. Poet und Soldat, entflammt sich sein Genie wie sein Muth an der Fackel des Kriegs. Alles wird für ihn zur Poesie: der Blitz des Gewehrs ist der Funken der Freiheit, das Blut, welches den Wahlplatz röthet, ist der Purpur der Morgenröthe, der Morgenröthe der Freiheit. Ist er verwundet und glaubt sich dem Tode nah, so umgibt sich ihm dieser Tod für das Vaterland mit Bildern und Illusionen. Seine letzten Gedanken, wie alle seines Lebens, sind ganz in die Farben der deutschen Dichtkunst getaucht. Vor seinen Augen sieht er reizende Gestalten schweben, der Todesschrei der Sterbenden verwandelt sich ihm in melodische Klänge, was er geträumt, was er im tiefen Herzen getragen, er wird es sehen, er wird es auf immer besitzen; schon sieht er den Gegenstand seiner jugendlichen Flammen, ob er ihn nun Freiheit, ob Liebe nannte, als lichten Seraph vor sich stehen – und mit solchen Gedanken starben damals diese begeisterten Jünglinge. Wahrhaftig, das ist nicht der Tod eines Grenadiers von der Garde, der in seinem Glied fällt und stirbt mit dem Trost, weder gegen Pflicht noch Ehre gefehlt zu haben; nein, das ist ein Tod wie ein Traum und ein Gedicht, das ist ein deutscher Tod.

Nur einmal scheint sich Körner über den Tod zu beklagen, nur einmal findet er ihn nicht schön und süß. Er stand Schildwache am Elbufer und hörte von fern her den Donner der Kanonen und das Schmettern der Trompeten; man schlug sich, und er, er mußte ruhig bleiben und des Stromes Wächter sein. „Soll ich in der Prosa sterben? Poesie, du Flammenquell, brich nur los mit leuchtendem Verderben, aber schnell.“

Körner’s Wunsch ward erfüllt; er starb in der Schlacht bei Dresden am 26. August 1813, aber das war ein Tag der Niederlage, das hieß beinahe in Prosa sterben. (Bekanntlich fiel Körner nicht bei Dresden, sondern bei Gadebusch, in einem siegreichen Treffen: die nonchalante Behandlung der Geschichte, die sich nicht die Mühe nimmt, bekannte Daten nachzuschlagen, kennzeichnet den Franzosen.) Einige Stunden vor seinem Tode dichtete er ein Lied, vielleicht sein schönstes und originellstes, das, welches die Begeisterung des Poeten, des Kriegers und des Jünglings am feurigsten malt, das Schwertlied.

Wir haben uns so lange bei Körner aufgehalten, weil er unbekannt in Frankreich war, und weil seine Gesänge uns eine lebendige Idee davon geben, was der Krieg von 1813 und 1814, der Befreiungskrieg, in Deutschland eigentlich war. Es ist weder unnütz, noch beleidigend für Frankreich, zu erfahren, daß zu seiner Besiegung es weniger der Staaten und Nationen, sondern der Begeisterung und der Hingabe für’s Vaterland bedurfte. In Moskau warf uns die Natur nieder; in Deutschland wurden wir besiegt durch eine viel edlere und größere Sache, durch eine übernatürliche Macht, welche Frankreich begreifen und bewundern lernen muß, selbst in einem Feinde, durch die religiöse und patriotische Erregung eines großen Volkes, das seine Unabhängigkeit, seinen Geist und seinen Nationalcharakter siegreich wieder erobert.“




Die deutsche Sprache. Jetzt, wo in allen deutschen Gauen sich ein Ringen und Streben nach deutscher Einigkeit und deutschem Nationalgefühl kund gibt, wird es an der Zeit sein, ein Wort über das Unwesen zu wiederholen, welches noch immer und gegenwärtig noch mehr denn je in der deutschen Sprache durch Hineinschieben von fremden Namen und Wörtern herrscht. Unsere liebe Muttersprache wird nachgerade für den weniger Gebildeten unverständlich. Die deutschen Zeitungen wimmeln von sogen. Fremdwörtern; fast jeder 16jährige Gymnasiast befleißigt sich, so viel als möglich das eben erlernte Englisch, Französisch, Latein etc. in den Ausdruck seiner Gedanken hinein zu flicken, zumeist in ohrenzerreißender, schauderhafter Aussprache. – In Gesellschaften, im Theater, ja selbst in dem engern Familienkreise der heutigen „gebildeten“ Welt, muß man nach jedem dritten deutschen Worte ein Fremdwort hören. Es ist ein wahrer Jammer, wenn man dieses Kauderwelsch allmählich gezwungen wird für die deutsche Bildungssprache zu halten, da doch eben die deutsche Sprache fast die wortreichste ist.

Schreiber dieses ist ein Schleswiger. Wir hier oben im nördlichsten Deutschland kämpfen nun schon seit zehn Jahren um das heiligste der Menschenrechte, das man uns rauben will, nämlich: die Sprache frei und ungehindert sprechen und auf unsere Nachkommen übertragen zu dürfen, die uns mit der Muttermilch eingegeben, deutsch; aber um so mehr fühlen und empfinden wir, daß das, was wir erkämpfen, einem tieferen fremden Joche unterliegt, als unser Vaterland selbst. Und dieses Joch ist ein freiwilliges, aber um so gefährlicheres. Unser Vater Arndt sang als Jüngling: „So weit die deutsche Zunge klingt, und Gott im Himmel Lieder singt“, so weit reicht das deutsche Vaterland; aber unsere gegenwärtigen sprachlichen Verhältnisse lassen es uns befürchten, daß eine Zeit kommen wird, wo eine deutsche Sprache nicht existirt und das deutsche Volk sich in einer Sprache ausdrückt, die ein Geliehenes aus allen erdenklichen Sprachen der Welt vorstellt.

In der „Gartenlaube“ bin ich am wenigsten diesem Unwesen begegnet, hörte Gerstäcker für die „freie Rede“ sprechen, hoffe daher, daß diese Zeilen dort Aufnahme finden werden, wo dem deutschen Vaterlande so manches schöne Wort gesungen und so manches echt deutsche Bild dem Leser vorgeführt wird. Meine Absicht ist aber nicht, das Bestehende zu tadeln, sondern vielmehr auch einen Vorschlag zur Besserung zu machen, damit, wenn möglich, dem genannten Unwesen entgegengearbeitet und es möglich gemacht wird, daß wir einmal noch eine rein deutsche Zeitung, ein nur mit deutschen Worten geschriebenes Buch lesen können.

Zunächst fordere ich deutsche Schriftsteller und Mitarbeiter an öffentlichen Zeitschriften auf, ein nationales Deutschland auch in diesem wichtigen, bisher so sehr vernachlässigten Felde, durch Entwickelung der Idee einer rein deutschen Schrift, mit kräftiger Feder zu fördern; – wenn nicht auf diese Weise ein Eingang und eine Aufmunterung zur Reinigung der deutschen Schriften von allem Unkraut der fremden Wörter bei dem deutschen Volke erweckt wird, so greift das Unwesen noch mehr um sich.

Dann fordere ich die Lehrer, namentlich der höheren Bildungsanstalten[WS 1] auf, der ihnen anvertrauten Jugend ein reines Deutsch, frei von allem entbehrlichen Fremden, vorzutragen, sie darauf aufmerksam zu machen, daß die deutsche Sprache aufhört eine deutsche, ein deutsches Eigenthum zu sein, sobald sie untermischt ist mit Wörtern fremder Sprachen, und ihr vorzustellen, wie auch auf diese Weise unser deutsches Vaterland gegen Fremdherrschaft zu vertheidigen ist!

Endlich fordere ich alle Gebildete auf, durch gutes Beispiel wieder eine rein deutsche Sprache im Volke gangbar zu machen und in ihrer Unterhaltung alles Fremde zu verbannen.

Ein solcher kräftiger deutscher Geist für die Wiederbelebung der deutschen Sprache würde, deß bin ich gewiß, bald Gemeingut werden.

a + b.


General Cialdini, der sardinische Obergeneral, dessen sehr ähnliches Portrait wir heute geben, wird in nächster Zeit vor Capua und Gaeta noch eine bedeutende Rolle spielen. Durch seinen Sieg über die päpstlichen Truppen bei Castel-Fidardo und seine rasche Eroberung von Ancona, die allerdings hauptsächlich durch die Flotte bewerkstelligt ward, ist der noch junge General rasch in der Achtung seiner Soldaten gestiegen und kann in allen Fällen auf sie zählen. Sie folgen blindlings seinen Befehlen und rufen es keck den Feinden zu, daß sie mit Garibaldi, dem Re galantuomo und Cialdini an der Spitze überall siegen wollen und werden.





Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bildungeanstalten
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_720.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)