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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

„Darf nicht,“ sagte der Kroat achselzuckend, „was ist Kaiserin – Oberst ist Kaiser, wo ist Oberst!“

„Richtig – Oberst ist Kaiser, wo ist Oberst – ich habe aber mit ihm zu reden, und Du wirst mir zeigen, wo ich ihn finde, oder ich gebe Dir mit meiner Reitpeitsche eine Lection, wie Du den Stabelmeister Deines Kaisers zu machen hast!“

Der Pandur griff augenblicklich nach dem langen Pistol mit incristirtem Kolben, das er in seinem Gürtel trug, aber kaum hatte er es herausgerissen, als ein furchtbarer Hieb der Reitpeitsche Frohn’s seinen Unterarm traf, daß die Waffe klirrend zu Boden fiel.

Der wilde Mensch stieß eine Fluth von Flüchen aus und bückte sich, das Pistol wieder aufzuraffen, Frohn stieß es mit dem Fuße, daß es weithin den Gang hinab flog … am Ende dieses Ganges öffnete sich im selben Augenblick eine Thüre, und ein dunkles bärtiges Männergesicht blickte heraus.

„Was gibt’s da?“ rief der Mann mit zorniger Stimme.

Frohn wandte sich augenblicklich zu ihm.

„Ein Stabsofficier aus Wien, der den Oberst von der Trenck zu sprechen verlangt,“ sagte er mit großer Entschiedenheit „aber auf dem Wege zu ihm auf Mordgesindel stößt, gegen das er sein Leben vertheidigen muß!“

Ohne dieser Beschwerde eine weitere Beachtung zu zollen, zog der Mann in der Thüre sich zurück; man sah, daß er in das Innere des Zimmers hinein sprach, dann trat er über die Schwelle und indem er die Thüre weiter öffnete, sagte er: „Sie können eintreten.“

Der Oberstwachtmeister von Frohn trat in ein großes, ursprünglich im Rococo-Geschmack ziemlich reich decorirtes Zimmer, mit einem kleinen Deckengemälde, Stuckarbeiten und Supporten; es war wahrscheinlich der Empfangssalon des hochwürdigen Klostervorstandes; der Anblick, den es jetzt darbot, konnte jedoch nicht unklösterlicher gedacht werden. Auf einem großen runden Tische in der Mitte standen Flaschen und Gläser, lagen Karten und Würfel und türkische Pfeifen bunt durcheinander; hinter dem Tische saßen ein paar eben so bärtige, eben so braun und martialisch aussehende Männer, wie der, welcher Frohn einführte, aber der Letztere fand keine Zeit, ihnen seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, weil diese zunächst vollständig gefesselt wurde durch die merkwürdige Gestalt, die sich bei seinem Eintritt erhob und ihm ein paar Schritte entgegentrat.

Es war ein baumstarker, an Größe Frohn selber noch bedeutend überragender Mann, mit einem Gesichte, das einen unverlöschlichen Eindruck auf Jeden, der es einmal erblickt hatte, machen mußte; es war nicht ursprünglich unschön, dies Gesicht, die Züge nicht unregelmäßig geschnitten, aber tiefe Furchen waren in die von Wetter und Wind gegerbte braune Lederhaut gegraben, aus den dichten schwarzen Brauen sprangen einzelne lange dicke Haare vor, und erhöhten den Eindruck des Katzenhaften, den die eigenthümlichen grauen Augen machten, welche einen matten, halb erloschenen Glanz hatten; das Auffallendste an dem Gesicht aber bestand darin, daß die ganze eine Seite desselben schwarz war, wie die eines Negers – die Explosion eines Pulverfasses in unmittelbarster Nähe hatte es verbrannt und für immer so schwarz gefärbt.

„Was steht dem Herrn zu Diensten? Ich bin der Oberst von der Trenck,“ sagte der Mann.

„Oberstwachtmeister von Frohn, vom Husarenregimente König Joseph,“ antwortete Frohn in militärischer Haltung; „ich habe die Ehre, mich bei dem Herrn Obersten zu melden.“

„Im Dienst hier?“

„In speciellen Aufträgen der Kaiserin.“

„Und die lauten?“

„Da sie ein wenig diplomatischer Natur sind, so werden der Herr Oberst erlauben …“ Frohn warf einen Blick auf die im Hintergrund sitzenden Officiere Trenck’s.

„Nun, so wird’s Zeit haben bis später,“ fiel dieser ein; „unterbrechen wir unser Spiel darum nicht. Der Herr Camerad kann Theil daran nehmen, wenn er Lust hat.“

Dabei deutete er auf einen Stuhl und warf sich wieder auf das Ruhebett neben dem Tische, von dem er vorhin aufgestanden war.

Frohn fand es zweckmäßig, seine Ermüdung durch den zurückgelegten Tagemarsch nicht zu beachten; er setzte sich ruhig an den Tisch, knöpfte seine Uniform auf, löste die Kuppel seines Säbels und ließ diesen rasselnd auf den Boden neben sich niederfallen.

„Wenn der Herr Oberst erlauben, verhelfe ich mir zuerst zu einem Glase Wein. Ich glaube, es ist vortrefflicher Ruster, ich bin durstig durch meinen Marsch geworden.“ Er schenkte sich ein großes Kelchglas voll, leerte es auf einen Zug, schnalzte dann mit der Zunge und sagte: „Nun stehe ich zu Befehl. Bitte den Herrn Obersten jedoch, mich zuvor noch mit den drei andern Herren bekannt zu machen.“

„Das da ist mein Oberstlieutenant Baron de Dolne, das der Herr von Wrtschowar und dies Herr von Nakowitsch, Majore in meinem Corps.“

„Halte mich den Herren empfohlen!“ sagte Frohn, indem er jedem eine kurze Verbeugung mit dem Haupte machte. „Was ist der Einsatz?“

Der Oberst von der Trenck griff zu den Karten, nachdem er einen eigenthümlichen lauernden Blick auf Frohn geworfen. Er war nicht gewohnt, daß Leute, welche sich zum ersten Male in seiner Gegenwart befanden, diese vollständige Sicherheit an den Tag legten und sich so in keiner Weise zu geniren schienen.

„Der Namen des Herrn Cameraden ist mir bekannt,“ sagte er dann, während er die Karten mischte; „ich habe von ihm gehört – hat er nicht als Kriegsgefangener in Magdeburg gesessen und da die Bekanntschaft meines Vetters, des preußischen Windbeutels, gemacht?“

„Ich habe allerdings den Herrn Vetter dort kennen lernen.“

„Und sieht ihn auch wohl unterweilen in Wien?“

„Selten,“ versetzte Frohn – „ich vertrage mich nicht wohl mit ihm. Der Mann ist mir zu groß. So viel Weisheit, Geistesgröße und Heldenmuth, wie sich in diesem einen Sterblichen beieinander finden, ist für ein untergeordnetes Menschenkind wie unser Eins, auf das er mit so viel Recht von seiner Höhe tief herabblickt, nicht bequem und unangenehm.“

„Ja, es ist ein hochmüthiger Bursch, der Fritz!“ fiel lachend der Oberst ein. „Seitdem alle Welt seine Lebensbeschreibung und was er sonst von sich ausgehen läßt, gelesen hat, und er ein berühmter Mann dadurch geworden ist – seitdem die Narren in Wien und Paris Trenckdosen und Trenckhüte und Trenckschnupftücher tragen, ist der Hansdampf in allen Gassen ganz übergeschnappt und will Papst und Potentaten belehren und die Welt anders machen, als sie der liebe Gott gemacht hat, der die Dummheit beging, den Fritz nicht dabei zu fragen! Na, er wird schon gedemüthigt werden; ich habe ihn zu meinem Erben eingesetzt, und wenn mich einmal der Teufel holt, was doch über kurz oder lang der Fall sein muß, dann wird der Fritz zu schaffen bekommen!“

Der Oberst stieß hierbei ein stilles boshaftes Lachen aus; dann begann er als Bankhalter die Karten abzuziehen, während die Officiere Goldstücke setzten und auch Frohn aus einer schweren, von Gold strotzenden Börse eine Anzahl Stücke hervorzog, um damit zu pointiren.

Das Auge des Obersten streifte mit einem Seitenblick, der nicht sprechender und gieriger aus dem Auge eines Wucherers hätte blitzen können, die volle Börse Frohn’s.

Er war eben im besten Zuge des Abschlagens der Karten begriffen – es war das einfache Spiel: „Landsknecht“, was die Herren trieben – als die Thüre sich öffnete und ein Paar Männer, die eine eigenthümliche Gruppe zusammen bildeten, eintraten. Es waren ein Mönch und ein Seressaner; dieser, ein vierschrötiger Mensch mit einer tiefen Narbe über das Gesicht, hatte den erschrocken aussehenden geistlichen Herrn, dem das schwarze Käpplein vom Haupte gefallen war und die dünnen weißen Haare unordentlich um die Schläfe hingen, an der Schulter gefaßt und in’s Zimmer geschoben, wo der letztere angsterfüllt sich ein Mal über das andere demüthig verbeugte, während der Seressaner in stracker Haltung eine Meldung in kroatischer Sprache machte.

Unser Oberstwachtmeister hatte seine militärischen Lehrjahre nicht umsonst im Banat durchgemacht; er verstand die Meldung vollständig und fiel sogleich ein: „Es handelt sich um die Einquartierung meiner Leute, wie ich höre; ich habe dem Pfleger im Marktflecken befohlen, uns Quartier hier im Kloster anzuweisen, da der Flecken, wie er behauptet, überfüllt ist.“

Das Auge Trenck’s leuchtete von einem unheimlichen Glanz auf; während sich die Furchen seiner Stirn in tiefe Falten zusammenzogen.

„Der Herr Oberstwachtmeister haben befohlen?“ sagte er mit einem zornigen Hohn; „und da der Trenck mit seinen Leuten im

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 722. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_722.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)