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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

im Gange. Auf einem einsamen Spaziergange durch den Wald brachte sie alles dies, und was ihn in Bauerbach drückte, so zart und schonend als möglich zur Sprache und endlich rieth sie ihm, – eine Reise nach Mannheim zu machen, seine Angelegenheiten dort zu ordnen und dann, wenn er wolle, zu ihr zurück zu kommen. Welchen Eindruck dieser Vorschlag auf ihn machte, geht aus den Worten hervor, die er ein ganzes Jahr später an Frau v. Wolzogen schrieb: „Nie kann ich ohne Bewegung der Seele an den Spaziergang in Ihrem Walde zurückdenken, wo es beschlossen wurde, daß ich eine Zeit lang verreisen sollte!“ Nach einem starken Kampfe mit sich selbst willigte er in den Vorschlag, gewiß freilich mit der stillen Hoffnung, die Folgen der Reise würden ihn seinem Ziel – der Verbindung mit Charlotten – näher führen, und mit dem festen Vesprechen bald wieder zu kommen. Frau v. Wolzogen sorgte für das nöthige Reisegeld, und am 20. Juli 1783 fuhr er in einer Kutsche seiner mütterlichen Freundin aus Bauerbach fort. Nur das Nothwendigste nahm er mit sich, alles Uebrige ließ er zurück für seinen, wie er hoffte, weiteren Aufenthalt, selbst die von Reinwald geliehenen Bücher. Er sollte aber nicht wieder zurückkehren, obwohl er länger als ein Jahr nach Bauerbach sich zurücksehnte.

Erst nach fünf Jahren, als er in Mannheim, in Leipzig und Dresden gewesen, dann nach Weimar gegangen war, kam er wieder in jene Gegend, wie er an Körner nach Dresden schrieb: „Ich war auch wieder in der Gegend, wo ich von 1782 bis 1783 als Einsiedler lebte. Damals war ich noch nicht in der Welt gewesen; ich stand, so zu sagen, schwindelnd an ihrer Schwelle und meine Phantasie hatte ganz erstaunlich viel zu thun. Jetzt, nach fünf Jahren komme ich wieder, nicht ohne mehr Erfahrungen über Menschen, Verhältnisse und mich. Jene Magie war wie weggeblasen. Ich fühlte nichts. Keiner von allen Plätzen, die ehemals meine Aufmerksamkeit interessiren mochten, sagte mir jetzt etwas mehr. Alles hat seine Sprache an mich verloren. An dieser Wirkung sah ich, daß eine große Veränderung in mir vorgegangen war. Und mußte sie nicht? Wie viele neue Gefühle, Schicksale und Situationen liegen in diesem Zeitraume!“

Und Charlotte? Sie verheirathete sich am 30. März 1788 mit dem Regierungsrath von Lilienstern in Hildburghausen, einem Verwandten der Frau von Lengefeld, Schillers späterer Schwiegermutter, starb aber schon 1794 im ersten Wochenbett. Der Herr von Winckelmann aber ging 1787 „aus Schmerz über so viel zertrümmerte Lebenshoffnungen“ mit Carl von Wolzogen nach dem Cap der guten Hoffnung und zwar als Capitain in dem Regimente, welches der Herzog von Würtemberg der holländisch-ostindischen Compagnie in Sold überließ.


Husar und Pandur.

Erzählung von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


Der Anblick, den Trenck bei Frohn’s Worten darbot, war unbeschreiblich. Die dunkelrothe Seite seines Gesichts war gelbgrau, die schwarze erdfahl geworden; die Augen traten aus ihren Höhlen hervor, und dann ergoß sich wieder ein dunkler Blutstrom über diese häßlichen Züge, und in unbändige Wuth ausbrechend, rief er: „Giftmischer … ich erwürge Dich …!“ und drang mit dem gehobenen Säbel auf Frohn ein.

Dieser hatte jede seiner Bewegungen beobachtet; er hatte seinen eigenen Säbel rasch genug erhoben, um mit demselben, ohne ihn aus der Scheide zu ziehen, Trenck’s Waffe pariren zu können.

„Laß der Oberst die Säbel fort,“ sagte er dann ruhig und gebieterisch, „wir können uns die Mühe sparen, uns die Hälse zu brechen. Uns zu stillen Leuten zu machen, dazu reicht das Gift hin … die Augenblicke sind kostbar, und ich verlange, daß Sie mich anhören. Es gibt eine Rettung für uns!“

Der Oberst von der Trenck ließ sich auf seinen Sessel zurückfallen, warf den Säbel neben sich auf den Boden und horchte auf.

„Es gibt eine Rettung,“ fuhr Frohn fort, sich ebenfalls wieder setzend, „… ich habe dies Gift nicht getrunken, ohne seine Wirkung, wenn ich will, lähmen zu können!“

„Aha, ein Gegengift hat Er bei der Hand … das Ganze ist eine Komödie, die man mit mir spielen will,“ fiel Trenck aufathmend ein.

„Eine Komödie nicht – ich werde mir mein Gegengift abkaufen lassen … beliebt dem Obersten mein Preis nicht, so sterben wir Beide. Ich bin in seiner und seiner Leute Gewalt … ich kann, wenn er’s verhindern will, keinen Schritt thun – das Gegengift einnehmen, ohne es ihm auch zukommen zu lassen, kann ich also nicht. Es ist aber auch dafür gesorgt, daß es ohne meinen Willen nicht in Ihre Hände gelangt, mein Herr Oberst. Lasse der Herr Camerad mich in Stücke hauen, es hilft ihm nichts; er sieht, daß ich zu sterben bereit bin, wenn es sein muß. In meinem Gepäcke ist das Gegengift auch nicht, und nicht in meiner Kleidung verborgen … kurz, mit Gewalt richtet der Camerad nichts aus, darauf gebe ich ihm mein Wort als Officier und Edelmann.“

Trenck sah den Redenden starr an; er schien in Frohn’s Zügen dessen innerste Gedanken lesen zu wollen.

„Verflucht,“ sagte er dann, „… es ist zehn gegen eins zu wetten, daß Er mich belügt, daß in der Phiole da nichts ist, als harmloser Stoff … Wasser … aber der Teufel lasse es darauf ankommen – es ist mir, als fühlt’ ich’s jetzt schon im Magen brennen.“

„Und darum ist keine Zeit zu verlieren,“ fiel Frohn ein, „… es gibt nur ein Heilmittel wider diesen Trank – Ihre Quacksalber, wenn Sie sie rufen lassen, vermögen nichts dawider … kommen wir zum Schluß – geben Sie mir schriftlich Ihr Ehrenwort, daß Sie morgen mit mir nach Wien reiten, dann hole ich das Gegengift herbei.“

„Sie sind ein entsetzlicher Mensch!“ sagte Trenck, düster aber ruhig seine Augen auf Frohn heftend.

„Wer mit dem Obersten von der Trenck zu thun hat, muß schon besondere Mittel anwenden,“ entgegnete Frohn lächelnd. „Aber entschließen Sie sich. Ist Ihnen mein Preis zu hoch? Oder wollen Sie einige Augenblicke länger warten, um erst die Wirkungen des Giftes zu spüren? Es könnte dann leicht zu spät werden.“

„Ich muß mich gefangen geben,“ antwortete der Oberst nach einer Pause, während welcher er Frohn fortwährend angestarrt und unverständliche Worte vor sich hin gemurmelt hatte. „So sei’s denn in des Teufels Namen!“

Er zog aus seiner Brusttasche ein Portefeuille hervor, schrieb mit dem Bleistift einige Worte hinein, riß das Blatt heraus mit überreichte es Frohn.

„Es genügt,“ versetzte dieser, nachdem er es überblickt, und barg das Blatt auf seiner Brust. „Lassen Sie Ihren Diener kommen und ihn rasch den Wachtmeister von meinen Husaren herbeiholen; auch lassen Sie Wasser herbeischaffen.“

Trenck nahm eine kleine silberne Pfeife, die vor ihm auf dem Tische lag, und lockte einen hellgellenden Ton daraus hervor. Nach wenig Augenblicken trat der Diener in’s Zimmer.

„Schaff’ Er augenblicklich den Wachtmeister von den Husaren herauf und bring’ Er Wasser herbei!“ herrschte der Oberst ihm zu.

„Der Husar lungert schon lang auf dem Gange,“ sagte der Diener, indem er hinauseilte; gleich darauf kam er in der That mit Franzl wieder herein.

„Franzl,“ sagte der Oberwachtmeister, „wir haben Deinen Stiefel nöthig.“

Franzl hockte im nächsten Augenblicke am Boden und zog mit merkwürdiger Behendigkeit eine seiner Tschismen aus; eben so rasch machte er mit einem Taschenmesser einen Einschnitt in das Lederfutter des Schaftes und zog daraus zwei weiße Päckchen hervor. Aber bei diesem Thun verrieth das Zittern seiner Hände die große Aufregung, worin er sich befand. Frohn nahm ihm die Päckchen ab und ließ sich von dem Diener in zwei Gläser ein wenig von dem Wasser gießen, das der Mensch eben aus dem Nebenzimmer herbeigeholt hatte. Die Päckchen enthielt ein gelben Pulver – Frohn schüttete eines derselben in jedes Glas aus,


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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_751.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2022)