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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

des Tisches durchaus keine Spur von geheimer Maschinerie oder Humbug gezeigt habe.

Der alte Gottesgelahrte Kirchner schrieb vor 200 Jahren schon über den thierischen Magnetismus und behauptete, daß Körper mit natürlichem oder künstlich mitgetheiltem thierischen Magnetismus – frei gesetzt oder gestellt – sich entweder vorwärts bewegen oder drehen würden. Die Drehungen von Flüssigkeiten auf den Polen künstlicher Magnete sind bekannt. Der alte Professor Schweigger in Halle bewies zu meiner Zeit auf der Universität, daß die alten Zwillingsfiguren Griechenlands, Castor und Pollux, Versinnlichungen dieser magnetisch erzeugten Drehungen seien. Die wissenschaftlichen Spiritualisten unserer Tage haben gefunden, daß Tische und andere künstlich in Bewegung gesetzte Körper fast immer nach Norden sich bewegen, wenn die zu starke Drehung um ihre eigene Achse diese Richtung nicht überwindet. Aber die Tische drehen sich nicht blos, die Geister bedienen sich ihrer auch zu einer, allerdings sehr unbeholfenen und unsichern, Zeichensprache. Auch davon finden sich Spuren im fernsten Alterthume. Mit animalischem Magnetismus wirthschafteten egyptische Priester schon vor den Zeiten des Moses. Ihre Kunst ging bald zu den Griechen über, welche die professionellen Magnetiseurs Oneiropoletä nannten, d. h. Traumhändler. Personen, die Rath von den Göttern, Mittel gegen körperliche und geistige Leiden begehrten, wandten sich an solche Oneiropoleten, welche sich nun im Tempel durch magnetische Operation in Schlaf versenkten, für ihre Patienten schliefen und träumten und daraus Rath und Mittel für dieselben entnahmen. Den magnetischen Schlaf erzeugten sie ebenso, wie es heut zu Tage häufig gemacht wird, durch Reibungen und Bestreichungen oder bloße Bewegungen mit der Hand vor dem Gesichte, durch festen Blick auf einen von oben herabhängenden Gegenstand oder auf einen Spiegel, der auf einer Wasserfläche schwamm.

Der heilige Augustin, Vater des Ausspruches: „Credo quia absurdum“ (Ich glaube, weil es Unsinn ist), berichtete von einem Geistlichen der christlichen Kirche, daß er sich ganz nach Belieben in einen ganz todähnlichen Zustand versetzen konnte, so daß er weder Stiche, noch Schläge und Verwundungen fühlte. Nach einem andern Berichterstatter über diesen Priester brachte er sich ganz nach Art der griechischen Oneiropoleten in magnetischen Schlaf, in welchem er, wie die modernen mesmerirten Schläfer, unbewußt aber mit göttlicher Allwissenheit auf an ihn gerichtete Fragen antwortete, auch zuweilen in den Zustand eines hellsehenden Somnambulismus gerieth. Beispiele magnetischen Hellsehens werden von alten Schriftstellern des Heidenthums erwähnt, und wir haben Ursache anzunehmen, daß das Orakel zu Delphi und die weissagende Pythia auf dem Dreifuß unter dem Einflusse eines künstlich gereizten thierischen Magnetismus im Schlafe sprachen. Die „Eleusinischen Mysterien“ der alten Griechen beruhten auf unvollkommen verstandener Naturwissenschaft, auf elektrischen und magnetischen Erscheinungen. Auch die alten Sibyllen Roms waren magnetisch Schlafende oder in den Zustand des Hellsehens Magnetisirte, wofür wir in alten und neueren Schriftstellern viele Belege finden.

Wir sehen also, daß Tischdreherei, Geisterklopferei, Weissagekunst, Hellseherei, Mesmerismus und sonstige moderne schwarze Künste vielleicht älter sind, als die Sphinxe und Pyramiden Egyptens, und daß sich Spuren davon in allen Zeiten und Zonen finden. Nichts Neues also. Aber mit dem Troste, daß diese Dinge in das Gebiet des Aberglaubens, des Wahns gehören, schwächen wir deren ungeheuere Macht und Hartlebigkeit nicht. „Das Schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn.“ Der Wahn ist oft eine größere Macht, als ein ganzes Xerxes-Heer. Ein Gedanke, eine Idee – und sei’s für spätere Zeiten die verrückteste – reißt oft Millionen Menschen in Tod und Verderben, gegen Kanonenmündungen, in’s Unmögliche, Unbegreifliche. Wahn, Einbildungen, Täuschungen – materiell weniger als homöopathische Dosen – können Berge versetzen, was 10,000 Arbeiter mit Hacken und Spitzäxten nicht vermögen. Man lerne Respect haben vor diesen immateriellen Gespenstern des Wahns und der Täuschung. Die ganze preußische Armee auf dem Kriegsfuße kann zum Schatten, zur Spreu im Winde werden vor einer Idee.

Steckt auch kein Atom reeller, wägbarer Wahrheit hinter allen diesen Täuschungen und Mysterien, die Wissenschaft darf alle diese Dinge doch nicht vornehm ignoriren, damit es nicht von den gelehrten Herren heiße, was der Teufel im Faust ihnen vorwirft:

„Daran erkenn’ ich die gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern;
Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar;
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr;
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht;
Was ihr nicht münzt, das, glaubt ihr, gelte nicht.“




Aus dem Hundeleben!

In einer früheren Nummer dieses Blattes ist uns eine höchst anziehende Schilderung unseres lieben Hausthieres, des Hundes, gegeben, der seit undenklichen Zeiten der treueste Gefährte des Menschen war. Erlauben Sie mir heute diese Schilderung durch einige Specialbilder zu ergänzen, die vielleicht auch nicht ohne Interesse für Ihre Leser sein dürften.

Wer von Euch, meine lieben Leser, hat wohl noch einen Mops gesehen? Einen echten stiftsfähigen Mops von 16 Ahnen? Erstaunt sehet Ihr mich an und verstehet nicht einmal die Frage, geschweige, daß ein solches Geschöpf je leibhaftig vor Eure Augen gekommen wäre. In meiner frühen Jugend habe ich sie noch gekannt, diese hocharistokratische Hunderace mit den dummen Glotzaugen, im Abendrothe ihrer Existenz. Ich habe noch das Ende ihrer Blüthezeit erlebt, wo kein wohlgenährter geistlicher Würdenträger, kein invalider Baron, keine vornehme nervenschwache Dame standesgemäß leben konnte, ohne einen solchen mit wappenverziertem Halsbande geschmückten Kläffer. „Otium cum dignitate“ war der Wahlspruch dieser verwöhnten Bestien, deren einziges Geschäft darin bestand, zu schlafen und Zuckerwerk zu fressen, und zu ihrer Unterhaltung mit der hochgeborenen Gebieterin um die Wette die bürgerlichen Untergebenen anzukeifen. Wahrhaft wunderbar war der Takt, mit welchem ein gut erzogener Mops den Adel von der bürgerlichen Canaille zu unterscheiden wußte; ja, ich kann mich der persönlichen Bekanntschaft eines Mopsgenies rühmen, das aus bürgerlichen Händen kein Zuckerbrod nahm, den Rang der Besucher auf den ersten Blick erkannte, und als vollendeter Höfling darnach sein Benehmen einrichtete.

So war denn der Mops das getreue Abbild des bornirten Uebermuthes der höheren Stände im vorigen Jahrhundert, gepaart mit gedankenloser Faulheit, ohne irgend eine jener schätzbaren Eigenschaften, die das Hundegeschlecht in seinen zahlreichen Racen zu treuen Freunden des Menschen macht. – Es ist auffallend, daß dieses Geschöpf weder auf Bildwerken des Alterthums noch des Mittelalters zu finden ist; wohl aber bildet es im 17. und 18. Jahrhunderte die gewöhnlichste Staffage auf den Portraits schlemmender Sinecuristen und alter Damen aus den privilegirten Ständen. Seit dem Verfalle der Zopfzeit ist er gleich anderen Ausgeburten einer wurmstichigen Civilisation immer seltener geworden, und es dürfte in einem Menschenalter schwerlich bei uns noch ein lebendes Exemplar dieser wenig begabten Hunderace am Leben sein. Die Verhältnisse, welche Sinecuristen und Möpse mit in’s Leben riefen, scheinen in unserem Vaterlande glücklich beseitigt; mit ihnen aber sind beide gekommen und ausgestorben.

Als ob die Natur nicht genug Häßlichkeit an diesem Thiere verschwendet hätte, entstellte man dasselbe noch durch abgestutzte Ohren; und weil der beständige Genuß von Zuckerwerk und Mangel an Bewegung den Magen fortwährend in dem Zustande der Indigestion erhielt (denn auf Spaziergängen mußte die Zofe der gnädigen Gebieterin den feisten Hund nachtragen), lagerten auf seinem von Natur schon grämlichen Gesichte beständig hypochondrische Gewitterwolken, die sich bei der geringsten Veranlassung in knurrenden Tönen entluden.

Der Mops lernte nichts, als etwa aufrecht sitzen und ein Pfötchen geben. Seine Schönheit bestand in einem runden Kopfe mit ganz kurzer, dicker, schwarzer Schnauze und sehr faltiger Stirn, seine Ohren waren von Natur klein und hingen ihm am Kopfe herab; um ihn noch schöner zu machen und den Kopf ganz rund erscheinen zu lassen, wurden den Jungen die Ohren ganz kurz am

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 827. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_827.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)