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Kopfe weggeschnitten, oder auch ganz abgedreht. Der Schweif ward niemals gestutzt, der Mops trug ihn eng zusammengewunden auf dem Rücken, er mußte aussehen wie eine Brezel. Seine Farbe war fahl mit schwarzem Rückenstreifen. Selten gab es weiße Möpse, schwarze und scheckige fast gar nicht.

Wie jetzt die schwachen Nerven von unseren Damen als ein Beweis ihrer feineren Bildung zur Schau getragen werden, so gehörten damals Migräne und Vapeurs zu den Vorrechten der höheren Stände. Auch dem Mopse fehlten letztere nicht, was aber keineswegs dazu beitrug, ihn liebenswürdiger zu machen; kurz, es war dieses Geschöpf in Allem ein Abbild seiner Zeit, einer Zeit, welcher sammt dem unschuldigen Mopsgeschlechte durch den boshaften Voltaire und seine Geistesverwandten zu Grabe geläutet worden ist. – Ach, gar Vieles haben die leidigen Aufklärer verschuldet, manchen alten Lebensnerv durchschnitten! Nur auf hocharistokratischem Boden konnte diese Hunderace gedeihen, auf bürgerlichem Gebiete starb sie ab, wie eine wässerige Sumpfpflanze, die man in fruchtbares Ackerland versetzt. So entgehen auch die Thiere nicht den Einflüssen der großen Epochen der Menschengeschichte, so sind auch sie nur ein Glied in der Kette der Schöpfung; und wie der Sturz von Perrücke und Zopf der Vorläufer war von dem Falle eines königlichen Hauptes, so war mit dem Abhandenkommen einer faulen Aristokratie das Todesurtheil des Mopsgeschlechtes ausgesprochen.

Affenpintscher, Hirtenhund und Mops.
Originalzeichnung von Wegener in Dresden.

Vor einigen Jahren wünschte die Königin Victoria ein Paar Möpse zu besitzen; in England waren aber deren nirgends mehr aufzutreiben; da wendeten sich die englischen Agenten endlich an den Sitz des deutschen Bundestages, und es gelang ihnen auch, in Frankfurt noch ein Paar dieser antediluvianischen Geschöpfe zu entdecken. Leider befanden sie sich im getrennten Besitze zweier alten Damen, wovon die eine sich nicht einmal für englisches Gold von diesem Schatze, einem echten Vollblutmopse, trennen wollte. So war denn die letzte Hoffnung geschwunden, das edle Geschlecht der Nachwelt erhalten zu sehen!

Da, im letzten Augenblicke, war es den rastlosen Bemühungen der englischen Diplomatie doch endlich noch gelungen, zu dem in Frankfurt erworbenen Mopse im äußersten Sibirien, da wo an der Grenze des himmlischen Reiches Knute und Zopf in freundnachbarlichem Verkehr sich begegnen, die letzte Mopshündin von reinem Geblüte aufzufinden und zu annectiren. Von den aus dieser frankfurt-chinesischen Liaison unter dem günstigen Einfluß der Hofatmosphäre entsprossenen Descendenten ist laut Zeitungsnachricht ein hoffnungsvolles Paar durch den englischen Hof an den russischen übersendet worden, und hat auch dort sich bereits vermehrt.

So ist denn doch wieder Hoffnung vorhanden, daß das edle Geschlecht der Möpse in den höheren Sphären fortlebe, und unsere Kindeskinder nicht vergebens zu fragen brauchen: „Was ist das wohl für ein Thier, das Gellert beim Mondenscheine spazieren gehen läßt?“

Eigenthümlich ist die Wahrnehmung, daß bei den Möpsen, wie bei manchen anderen alten Geschlechtern, schon seit langer Zeit die Ehen nur wenig fruchtbar waren. Darwin sieht dieses im Allgemeinen als einen Beweis an, daß die betreffenden Geschöpfe aufgehört haben, zeitgemäß zu sein, und deshalb ihrem Untergange entgegen gehen. – Ueberhaupt legt dieser geistreiche Naturforscher in Betreff der Entstehung und des Aussterbens der Thier- und Pflanzenarten, wovon uns jede Gebirgsformation in ihren fossilen Ueberresten zahlreiche Beispiele liefert, ein großes Gewicht auf den Einfluß äußerer Verhältnisse, die seinen Wahrnehmungen zufolge die Eigenthümlichkeiten der organischen Schöpfungen bedingen, die Arten hervorbringen und verschwinden machen. – Wie der Mops

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 828. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_828.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)