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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

zwei Zoll hervorragenden Enden auf zwei Stegen eines Resonanzbodens ruht. Diese mit dem Eisendraht versehene, auf einem Resonanzboden ruhende Spirale bildet den Reproductionsapparat.

Durch jede Unterbrechung des Stromes in der Spirale wird das Eisenstäbchen in Erschütterung versetzt. Folgen dieselben sich mit einer gewissen Geschwindigkeit, so erzeugen sie einen Ton, der durch den Resonanzboden hörbar gemacht wird. Da nun die Geschwindigkeit der Unterbrechung von der Höhe und Tiefe des in die Schallöffnung S gesungenen Tones abhängt, so klingt uns von dem Resonanzboden der Ton genau so hoch oder so tief wieder, als er aus der Ausgangsstation in den Apparat gesungen wurde. Hierauf hat die Länge der Leitung keinen Einfluß. Allerdings verliert der elektrische Strom, je weiter er geht, um so mehr von seiner Kraft, aber was hindert denn, wie beim Telegraphiren, Relaisbatterien unterzulegen, und durch dieselben eine beliebig große Anzahl reproducirender Apparate in demselben Raume in gleichmäßige Bewegung zu setzen?

Das Telephon.

Herr Reis hat sich bemüht, seinen verbesserten Apparaten eine auch dem Auge gefällige Form zu geben, so daß sie in jedem physikalischen Cabinet einen Platz würdig ausfüllen werden. Außerdem hat derselbe an der Seite sowohl des Telephons, wie des Reproductionsapparates eine kleine Telegraphie-Vorrichtung angebracht, die eine recht hübsche Zugabe zum bequemen Erperimentiren bildet (in obiger Zeichnung durch die Buchstaben e f g h angedeutet). Durch die abwechselnde Art des Oeffnens und Schließens der galvanischen Kette mittels des Schlüssels e oder h lassen sich nach gegenseitiger Uebereinkunft die mannigfaltigsten Zeichen geben, z. B. ob man zum Singen bereit, ob Alles gut verstanden, ob man zu singen aufhören oder von Neuem wieder anfangen solle u. s. w.

Die wichtigsten Theile des Telephons, zu deren Herstellung ein nicht geringer Grad von physikalischen Kenntnissen und Erfahrungen gehört wird Herr Reis selbst anfertigen, die Beschaffung der Nebentheile und die äußere Ausstattung aber hat er dem Mechaniker Herrn Wilhelm Albert in Frankfurt am Main übertragen, welcher gleichzeitig in den Stand gesetzt ist, das Instrument zu einem billigen Preise etwaigen Liebhabern zu überlassen.





Ein schleswigscher Bauer.

Erinnerungen aus dem Jahre 1860.


Ich saß mit meinem Freunde in dem Omnibus und fuhr in das Land hinein. Das Gespräch kam bald wieder auf die Zustände der Herzogthümer, und Jeder wußte eine Nichtswürdigkeit des dänischen Bedrückungssystems zu erzählen. Plötzlich unterbrach ein fröhliches Lachen in der einen Ecke des Wagens unser Gespräch. „Was ist da los?“ frug ich verwundert über die Fröhlichkeit, die bei den ernsten Schleswigern sonst sehr selten ist.

„Ich werde es Ihnen erzählen,“ sagte mein stämmiger Nachbar zur Linken, nachdem er sich noch einmal recht nach Herzenslust satt gelacht hatte. „Sie wissen doch, daß die Dänen seit einiger Zeit Jagd machen auf unsere Hauslehrer und Gouvernanten, welche sich die Hofbesitzer angeschafft haben, um die Kinder nicht in die dänische Schule zu schicken. Wir können die lieben Kinder doch nicht wild aufwachsen lassen, wie unsere Pferde und Kühe. Und die Schulmeister, welche man uns aus Kopenhagen in’s Land geschickt hat, sind noch dümmer, als unsere dümmsten Knechte. Auch ist der Unterricht in deutscher Sprache, bis auf drei oder vier Stunden die Woche, in den Schulen auf dem Lande gänzlich abgeschafft. Sie wissen das ja, nicht wahr?“

Ich nickte stumm.

„Nun, mancher Landmann hat nicht die Mittel, sich allein einen Hauslehrer anzuschaffen oder eine Gouvernante. Das leiden unsere Pröpste und Hardesvögte aber durchaus nicht, daß derselbe Hauslehrer die Kinder mehrerer Familien unterrichtet. Wird das bekannt, so muß er fort. In Z. – es liegt zwei Stunden von hier, sehen Sie, dort hinaus über jenen Erlenwald – hat ein Hofbesitzer sich eine Gouvernante aus Holstein kommen lassen, um seine beiden Kinder, einen Knaben und ein Mädchen von zehn bis zwölf Jahren, zu unterrichten. Sie gab zugleich den Kindern eines seiner Verwandten, der eine Viertelstunde von seinem Hofe wohnt, Unterricht. Der Hardesvogt kam dahinter und ließ ihn zu sich rufen. Er drohte ihm mit funfzig Bankthaler Brüche, wenn er nicht sofort die Gouvernante abschaffe, falls dieselbe nicht den gemeinschaftlichen Unterricht aufgebe. „Aber mein Vetter kann sich doch selbst eine Gouvernante für seine Kinder halten, Herr Hardesvogt?“ fragte er. – „Das kann er, wenn er sie bezahlen kann,“ erwiderte der Hardesvogt. – Nach einiger Zeit kam eine zweite Gouvernante in Z. an. Sie zog zu dem Vetter des Hofbesitzers. Der Hardesvogt, der Pastor, der Schulmeister, der Gensd’arm mußten sich jetzt beruhigen. Täglich, wenn sie vorübergingen, um zu spioniren, sahen sie die neue Gouvernante geputzt am Fenster sitzen, die Kinder saßen ihr gegenüber. Sie hatte ein Buch in der Hand und die Kinder auch.“ –

„Aber ich finde in der ganzen Geschichte noch nichts Lächerliches.“ –

„Es ist ja gar keine Gouvernante,“ rief mein Nachbar, „es ist eine Verwandte, welche auf Jahr und Tag zum Besuch gekommen ist. Sie sitzt nur einige Stunden des Tages mit den Kindern am Fenster, wenn der Hardesvogt und der Pastor vorübergehen, und hört ihnen die Lectionen ab, welche sie nach wie vor bei der eigentlichen Gouvernante haben. Denn der Hardesvogt kann doch die Kinder nicht hindern, sich gegenseitig zu besuchen.“

Jetzt lachte ich ebenfalls.

„Nun,“ rief mein Freund, den ich auf seinem Hofe besuchen wollte, in den Wagen hinein, „nächstens wird der dänische Pastor die Geschichte merken, dann werden die beiden Vettern in Z. die beiden Gouvernanten, die echte und die falsche, auf einmal verlieren und hundert Bankthaler Brüche auch dazu bezahlen müssen. Die Geschichte des Hofbesitzers Berkhahn hat doch Jeder noch wohl in der Erinnerung.“

„Was ist denn mit Berkhahn?“ fragte ich.

„Nun, was ist? eine skandalöse Geschichte von Polizeiwillkür, Rechtsverweigerung und Brutalität, wie sie selten in einem europäischen Lande vorgekommen sein mag, wie sie hier aber alle Tage passirt. Der Hofbesitzer Berkhahn ist aus Preußen gebürtig, seine Frau ist die Tochter eines Arztes in Schleswig. Natürlich ist in der Familie Deutsch die ausschließliche Umgangssprache. Für den Unterricht der Kinder befand sich im Hause eine Gouvernante, die Tochter eines Rathsherrn aus Schleswig. Bei der Special-Kirchenvisitation mußte sich die Gouvernante mit den Kindern in der Kirchspielsschule zu Bruxdorf einfinden, damit die Kinder an der von dem dänischen Propst angestellten Schulprüfung Theil nähmen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 809. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_809.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2023)