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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

verzehrt, in höchster Gefahr schwebte, während die Gefion unablässig von den Kartätschen der Nassauer unter ihrem tapfern Hauptmann Müller gepeitscht wurde. Die Hälfte der Besatzung lag todt oder verwundet auf dem Deck und in den Räumen, – ehe endlich der Danebrog auf den beiden Schiffen das stolze Haupt senkte und der Commandeur Paludan das Parlamentairboot bestieg, um mit seinem Degen die beiden Schiffe dem glücklichen Befehlshaber des Platzes, dem Herzog Ernst von Coburg, zu übergeben.

Christian VIII. stand in Flammen. Fast dreihundert Verwundete waren in der höchsten Gefahr, lebendig zu verbrennen, und mit ihnen die tapfersten der dänischen Seeofficiere, die selbst in dieser Gefahr sich geweigert hatten, ihrem Befehlshaber zur Uebergabe ihrer Degen an’s Land zu folgen. Ob da Theodor Preußer vielleicht daran gedacht, daß unter diesen der Eine oder Andere seiner Schulgenossen im Cadettenhause zu Kopenhagen sein möchte? Ob er da des Spottes, des Hohnes sich erinnert, mit dem die Dänen ihn aus dem Kriegsdienste vertrieben hatten? –

„Die Verwundeten müssen gerettet sein,“ war sein einziger Gedanke. Preußer befahl den Booten, auf welchen die Dänen gelandet, zurückzukehren und die Verwundeten zu retten. Er selbst trat in das erste, welches vom Lande wieder abstieß, und übernahm die Leitung dieses edlen Rettungswerkes. „Das Schiff ist in höchster Gefahr, in die Luft zu fliegen,“ riefen ihm befreundete Stimmen zu. – „Retten wir die Verwundeten!“ war seine Antwort. So trat er auf das Verdeck. Hier legte er selbst Hand mit an, sorgte, daß, so viel die Boote fassen konnten, Verwundete hineingebracht wurden, und befahl, so oft eines gefüllt, an’s Ufer zurückzukehren. Rettend, helfend, sorgend für die Unglücklichen, stand der Sieger zwischen den Besiegten – als ein furchtbarer Schlag die Luft zerriß. Das Schiff war aufgeflogen. In der Dampf- und Feuersäule, unter zahllosen Leichen und Splittern flog auch die Leiche Theodor Preußer’s mit in die Luft, um dann in den blauen Wogen der Bucht von Eckernförde begraben zu werden. – Die ganze Nacht hindurch brannte der Rumpf des gewaltigen Schiffes lichterlohe bis zum Spiegel des Wassers, ein Katafalk, so großartig, wie sie bei den größten Leichenfesten von Fürsten und Herrschern nie vorgekommen.

Der Befehlshaber der schleswig-holsteinschen Armee aber ernannte den Todten – nachträglich zum Lieutenant; und so lange die schleswig-holsteinsche Armee bestand, wurde bei jedem Appell der Name „Theodor Preußer“ in seiner Compagnie aufgerufen, worauf dann der älteste Unterofficier antwortete: „Hier!“

„Hier!“ – Daß dies Wort zur That werde, sobald die deutsche Nation wieder eines Theodor Preußer bedarf! – Und wieder saßen die Herren zu Frankfurt und beriethen das Heil der Nation. Da trat der Kriegsminister von Peuker auf und erzählte mit stolzen Worten die That Preußer’s und Jungmann’s und setzte hinzu, daß „damit das erste derartige Kriegsschiff (eine Fregatte) der deutschen Flotte zugeführt worden“ und daß in Zukunft die Gefion – Eckernförde heißen solle. Selbst das war den Herrscherlingen, die bald nach jenem Tage einer großen That wieder Oberwasser erlangten, zu viel. Preußen kaufte die „Eckernförde“, als der Bundestag sie unter den Hammer brachte und – taufte sie wieder um – zur Gefion, den Dänen zu Ehren! – Nachdem der Beifallssturm, den die Worte des Kriegsministers hervorgerufen, verrauscht war, trat jenes Parlamentsmitglied wieder auf und erinnerte an seinen frühern für nicht dringlich erklärten Antrag, daß, wer das erste feindliche Kriegsschiff wegnehme, eine National-Belohnung erlangen und sein Name dem Schiffe, das er erobert, bleiben solle. Der Marineausschuß hatte den Antrag vergessen. „Theodor Preußer“ muß das erste Kriegsschiff heißen, sobald Deutschland wieder deutsche Kriegsschiffe hat.

J. Venedey. 




Das Testament eines oldenburgischen Bauern.


Es ist ein ganz eignes Geschöpf, so ein echter Bauer vom alten Schlag. Was ist eigentlich ein Bauer? Der moderne Geschäftsmann wird sagen: Ein Mensch, welcher sich durch Betreibung der Landwirthschaft im Kleinen Geld zu verdienen und seinen Unterhalt zu verschaffen sucht. Aber ein solcher Mensch mag ein Oekonom, ein Landmann, ein Pächter oder Ackerbürger sein; das, was man eigentlich Bauer nennt, ist er gewiß nicht. Ein echter Bauer sitzt auf seiner von seinen Vätern ererbten „Stelle“, welche ihm nicht Mittel zum Zweck, nicht das Mittel ist, um Geld zu verdienen. Vielmehr ist die Stelle gerade selbst sein einziger Zweck.

Er selbst, seine ganze Familie, sein ganzes Leben sind eigentlich nur Mittel zu diesem Zwecke, sie sind da, um die Stelle zu erhalten, zu mehren und stattlich erscheinen zu lassen. In dieser Unterordnung der persönlichen Interessen, ja der ganzen Person unter die Stelle und deren Interessen liegt das Eigenthümliche des Standes der Bauern vom alten Schlag. Aus dieser Eigenthümlichkeit erklären sich fast alle althergebrachten Rechte und Gewohnheiten des Bauernstandes. Dieselbe tritt in einem Theile des Oldenburger Landes, dem sogenannten Münsterlande, auch äußerlich dadurch in interessanter Weise hervor, daß es bei den Bauern einen Familiennamen nicht giebt, sondern nur einen Stellenamen, welchen Jeder annimmt, der die Stelle erwirbt. Der Familienname des Käufers einer Bauernstelle, welche etwa „Kleine Steverdings“-Stelle heißt, wird höchstens mit einem „Geborener“ hinzugesetzt, so daß also, wenn etwa der Käufer der Stelle „Johann Ricking“ hieße, derselbe künftig den Namen „Johann Kleine Steverding geb. Ricking“ führen würde.

Vererbt demnächst die Stelle auf den Sohn, so führt dieser nur noch den Namen „Kl. Steverding“, hat also seinen Familiennamen gänzlich verloren. Auf diese Weise kann es vorkommen, daß die Söhne eines Bauern – wenn sie nämlich selbst Bauernstellen, etwa durch Heirath mit einer Erbin, erwerben – ganz andere Namen führen, als der Vater. Der Vater heißt vielleicht nach seiner Stelle „Große Pining“, der älteste Sohn nach der, von ihm erheiratheten „Feldhus“, und der zweite Sohn nach seiner Stelle „Steverding.“ Faßt man die gedachte Eigenthümlichkeit des Bauernstandes in’s Auge, so kann es nicht Wunder nehmen, daß die Bauernstelle nur auf eines der Kinder vererbt und daß die sämmtlichen übrigen Kinder (wie dies noch jetzt in dem größten Theile des Oldenburger Landes Rechtens ist) zusammen nur eine „Abfindung“ von zwanzig Procent vom schuldenfreien Werth der Stelle bekommen. Es kommt ja nicht darauf an, das Interesse der Kinder zu wahren, vielmehr muß sich dieses dem Interesse der Stelle unbedingt unterordnen, nur für diese ist ja bestens gesorgt, wenn der Erbe derselben (der Grunderbe) nur zwanzig Procent abgiebt.

Durch die bemerkte Eigenthümlichkeit erklärt sich auch das an vielen Orten noch bestehende Herkommen, nach welchem, wenn Geschwister auf der Stelle ohne Kinder versterben, dieselben nicht von allen Geschwistern, sondern nur von dem Stellbesitzer beerbt werden. Die Stelle beerbt eben diese Geschwister, welche in ihrem Schooße gelebt haben. Es kann uns wenig wundern, daß das in eine Bauernstelle eingebrachte Vermögen der Frau, sobald es zum Besten der Stelle verwendet ist, jede selbstständige Existenz verliert und niemals ersetzt verlangt werden kann, daß ferner der Hausmann (Vollbauer) nur eine Hausmanntochter heirathet, daß überhaupt die Heirath als ein Rechtsgeschäft im Interesse der Stelle erscheint, wenn wir festhalten, daß die Stelle die Gottheit ist, welcher Alles von allen Seiten geopfert wird.

So wird es uns denn auch nicht sehr unerklärlich scheinen, wenn wir sehen, daß der Bauer vom alten Schlage seine schönen alten Eichen Jahrhunderte lang stehen und zuletzt sogar auf dem Stamme verfaulen läßt. Die Stelle ist ihm ja nicht das Mittel, um Geld zu verdienen. Sie ist sein Zweck, sein Alles; wie kann er sie also ihres schönsten und stattlichsten Schmuckes berauben, um Geld daraus zu machen!

Es giebt eine alte Anekdote von einem oldenburgischen Bauer. Derselbe hatte ein Stück Landes mit Unrecht in seinen Besitz gebracht und, von dem rechtmäßigen Eigenthümer desselben auf Herausgabe des Grundstücks belangt, durch einen Meineid ein günstiges

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_024.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)