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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

und das nachstehende Couplet, das wir in dem neuesten Kladderadatsch-Kalender finden:

„Du siehst in einem schönen Thal
Ein Haus auf Säulen, drin ein Saal;
Und in dem Saal thut wieder stehn
Ein Tisch, ganz grasgrün anzusehn;
Und wem der Tisch nun wohlgefällt,
Der legt auf diesen Tisch sein Geld;
Und eben an demselben Ort
Steht auch ein Kerl, der nimmt es fort;
Das geht, bis daß man nichts mehr hat; –
 – – –
– Der Selbstmord findet draußen statt.“

mag noch so frivol lauten, es ist deshalb doch leider eine ganz unbestreitbare mathematische Wahrheit, die uns im neunzehnten Jahrhundert, in welchem die Menschheit mit dem Dampf fährt und mit dem Blitz schreibt, lehrt, wie sehr trotz alledem ein Theil dieser Menschheit in den civilisirtesten Ländern von Dummheit, Leidenschaft und Verblendung beherrscht wird.

Alles das ist auch, im Grunde genommen, gar nichts Neues. Schon die deutsche Reichsversammlung, als sie vor fünfzehn Jahren die Spielhöllen aufhob, wußte, daß diese Institute gemeinschädlich und unsittlich sind; daß sie in dem Spieler die niedrigsten und verderblichsten Leidenschaften wecken, ihn demoralisiren, seiner Familie, seinem Beruf, seiner wirthschaftlichen, socialen und bürgerlichen Stellung entfremden, ihn in Verzweiflung und Verderben treiben und ihm nur zwischen Verbrechen und Selbstmord die Wahl lassen; daß sie dem Spieler das Geld abnehmen, ohne die geringste Gegenleistung dafür (denn die Gegenleistungen der Spielbank gelangen nicht an den Spieler, sondern an den Verleiher oder Verpächter des Spielmonopols); daß sie, weit entfernt, Werthe zu erzeugen, dieselben zerstören, indem sie das Capital aus den Händen, in welche es die natürliche wirthschaftliche Bewegung gebracht hatte, wegnehmen und in die Hände solcher legen, welche seinen Erwerb als das Spiel eines blinden Zufalls ansehen und aus dem, was dieser bescheert hat, in der Regel nichts zu machen wußten, als es auf dem Wege des Lasters todtzuschlagen oder auf dem der schalsten Vergnügungen zu vergeuden.

Das Alles haben schon die großen Redner der Paulskirche in den Jahren 1848 und 1849 viel schöner und besser gesagt; und wenn ich weiter nichts beifügen könnte, so hätte ich geschwiegen und die Leser gebeten, die stenographischen Protokolle des Professor Wigard zu lesen.

Allein Manches, was ich während einer Saison in Wiesbaden erfahren, wußten die Herren in der Paulskirche nicht; Manches aber hat sich auch erst zwischenzeitig, unter dem gewitterschwülen Himmel der Reaction, die für die Erzeugung und Vermehrung von Giftpflanzen und Ungeziefer so außerordentlich fruchtbar war, entwickelt, und deshalb halte ich es nicht für überflüssig, diesen Stoff noch einmal ganz gründlich zu debattiren, und zwar mit mehr Material und weniger Worten, als es vor fünfzehn Jahren geschehen, wo sogar noch ein sonst braver Mann, blos deshalb, weil er das Unglück hatte, in dem Reichswahlbezirk Hessen-Homburg gewählt zu sein, schwach genug war, einige Worte nicht der Rechtfertigung, aber doch der Entschuldigung und provisorischen Daseinsfristung für das Spiel zu sprechen.

Was bisher noch nicht beleuchtet worden ist, das ist der Unterschied zwischen den grünen Tischen in Californien und in Deutschland, – eine Vergleichung, welche, wir müssen es mit Schmerz und Scham sagen, sehr zu Ungunsten unseres Vaterlandes oder, um uns richtig auszudrücken, der wenigen deutschen Regierungen, welche noch Spielhöllen unterhalten, ausfällt. Glücklicher Weise giebt es in der Mehrzahl der deutschen Staaten solche nicht mehr, namentlich auch nicht in Oesterreich und Preußen. Denn eine europäische Großmacht kann keine Spielhöllen halten, sonst hört sie auf, eine Großmacht zu sein.

In Californien hält Jeder, der da will, eine Spielbank. Durch die Concurrenz ist der Bankhalter genöthigt, die Spielchancen zwischen sich und den Andern möglichst gleichzustellen. Er kann dies um so eher, da er ja nicht an die Regierung, oder wer sonst das Spiel concessionirt oder verpachtet, Hunderttausende zu zahlen hat. Will er die Spieler übervortheilen, so begiebt er sich in die Gefahr, dem Strafgesetz oder der Lynch-Justiz zu verfallen. Die Spielhöllen befinden sich in elenden Hütten, die aus ein paar Tannenstämmen mit schlechtem Calico umkleidet bestehen; ihr Aeußeres hat mehr Abstoßendes als Anziehendes.

In Deutschland sitzt die Spielhölle gleich einer Kreuzspinne in der Mitte ihres Netzes, im Centrum einer volkreichen Haupt- und Residenzstadt. Sie öffnet ihren Marmorpalast Allen, die ihrer Gesundheit halber gekommen sind und an dem Versucher kaum vorbei können. Sie umgiebt sich mit allen Reizen der Eleganz und des Luxus, mit Allem, was die Sinnlichkeit reizen und die Gewinnsucht aufstacheln kann. Ihr Geschäft ist nicht ein geduldetes, sondern sie genießt ein Privileg, das ihr einen besonderen Schutz gewährt, und ein Monopol, das den ohnehin an Capital, Spielchancen, Ruhe der Berechnung u. s. w. weit im Nachtheil stehenden Spieler ihrer Allmacht unterwirft. Denn die Spieler haben Concurrenz, die Spielbank nicht. Sie bezahlt für ihr Monopol und ihre Privilegien enorme Summen an öffentliche Cassen und öffentliche Anstalten. Wer an diesen Cassen und diesen Anstalten betheiligt ist, der ist auch an dem Spiel interessirt. Dann aber ist sie eine Actiengesellschaft geworden. Alle Capitalien, bis auf die kleinsten herunter, sind dabei betheiligt, daß gespielt wird und daß die Bank gewinnt. Die Actien sind in solchen Händen, in die sie am allerwenigsten gehören. Die Concessionirung der anonymen Gesellschaft hat ein geduldetes Privatgeschäft in eine allgemeine, öffentliche und officielle Verschwörung aller Einheimischen, die gewinnen wollen, gegen die Fremdlinge, die verlieren sollen, umgewandelt.

Das Spiel gleicht jenen Hasenjagden, welche man „Kesseltreiben“ nennt. Eine große, fruchtbare Ebene, in welcher sich die Hasen befinden, ist auf ihrer ganzen Peripherie von Treibern umstellt. In dem Centrum ist eine Höhle oder ein Kessel ausgegraben, geschützt durch Wälle, die mittelst der ausgegrabenen Erde ausgeworfen sind. In diesem Kessel stehen die Schützen. Die Treiber ziehen ihren Kreis immer enger, die Hasen werden in Masse dem Kessel immer näher getrieben und dort von den Schützen erlegt. Die Treiber sind die Actionaire. Die Schützen im Kessel sind die Spieldirectoren.



„Schleswig-Holstein, meerumschlungen!“

Am 24. Juli 1844 saßen in der großen Sängerhalle zu Schleswig wohl an 3000 Sängerfestgenossen und unter ihnen sämmtliche Mitglieder jener denkwürdigen schleswigschen Ständeversammlung desselben Jahres, welche durch die beharrliche deutschpatriotische Vertheidigung ihres selbstständigen Rechtsbodens, der vom Könige Christian VIII. selbst damals die ersten offenbaren Angriffe erfuhr, sich die Ungnade desselben erworben hatte. Es war kaum eine Woche seit dem Schluß und landesherrlichen Abschied jener Versammlung vergangen, in welcher der „Herzog“ von Schleswig die trotzige Stirn des „Königs“ gezeigt, während die jütische Ständeversammlung, die zu gleicher Zeit in Viborg getagt und geschlossen hatte, durch ihre maßlosen Angriffe auf das deutsche Wesen der Herzogthümer im Sonnenschein der königlichen Huld sich spreizte. Durch Schleswig und Holstein ging von diesem Tage an ein schwerer Zug der Besorgniß vor der Zukunft, des Kummers über das ungewisse Schicksal des Landes, des Trotzes gegen die drohende Gewalt, der Zuversicht auf den deutschen Geist des Volks und der Hoffnung auf die Hülfe der deutschen Nation.

In dieser Stimmung saßen die Festgenossen in der Sängerhalle zu Schleswig, in der zum ersten Male seit langer Zeit, man sagt seit 200 Jahren, wieder das alte schleswig-holsteinische Banner entfaltet war. Und da geschah es, daß ein Lied, ein einfaches Lied mit seiner ebenfalls einfachen Singweise so glücklich und so ganz und voll für das Gefühl, das in allen Herzen wogte, das rechte Wort und den rechten Ton in den Mund des Volks legte, daß es wie mit einem elektrischen Schlage durch die Bevölkerung des Landes fuhr, wie Donnerrollen und Sturmesbrausen, und noch am selben Abend die Würde eines Nationalgesangs errungen hatte und vor Allem als ein unvertilgbarer Protest gegen alles Dänenthum und als einer der gefährlichsten Feinde desselben dastand.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_044.jpg&oldid=- (Version vom 20.1.2021)