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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Art, unbemerkt durch Zeichen sich mit den abziehenden Landsleuten zu unterhalten, nicht lange verborgen bleiben, weshalb alles Mahlen am Tage sämmtlichen Windmühlenbesitzern bei strenger Ahndung verboten ward. Seitdem bewegen sich auf jütischem Grund und Boden die Windmühlenflügel nur noch des Nachts. Am Tage stehen sie allerwärts, auch bei dem allerschönsten Winde, still.

Kolding ist weder groß noch schön und kann selbst im tiefsten Frieden als Stadt für Fremde keine Anziehungskraft haben. Die Straßen sind ärmlich, die Bevölkerung blickte, soweit man ihrer ansichtig ward, mißtrauisch und giftigen Auges auf jeden ihr unbekannten Civilisten. Deutsch sprachen die Gebildeteren nur, weil ihnen unter dem Druck der Einquartierung etwas Anderes nicht übrig blieb. Sobald sich aber ein paar Menschen unbeobachtet glaubten, machten sie durch Worte und Blicke ihrem Herzen Luft und verfluchten die gehaßten Deutschen in den tiefsten Abgrund der Hölle. Der Fanatismus dieser Menschen geht häufig so weit, daß sie die eigene Sicherheit hintansetzen, nur um ihrem Ingrimm freien Lauf lassen zu können. Ja ich bin überzeugt, daß sich schreckliche Dinge zutragen würden, fürchteten sie nicht die Rache der alliirten Truppen und namentlich der hagern, braunen, katzengewandten Oesterreicher, die ihnen einen sehr heilsamen Schrecken eingejagt haben. Dem bewaffneten Feinde, der diesen fanatischen Jüten bereits gezeigt hat, daß er nicht gesonnen ist, sich ungestraft Trotz bieten oder beleidigen zu lassen, beugen sie sich zähneknirschend, destomehr hat der unbewaffnete Deutsche von ihnen auszustehen, sei’s auch nur in Worten. Wir glauben aber, daß gerade dieses feindselige Gebahren der Jütländer, das auf den dänischen Inseln ein billigendes Echo findet, den Truppen der Alliirten und namentlich den intelligenten Führern derselben die Ueberzeugung beibringen wird, daß ein ferneres Zusammenwohnen zweier Nationen, die einander in Folge eines vierhundertjährigen Kampfes so tödtlich hassen, wie Dänen und Deutsche es thun, eine moralische Unmöglichkeit sei. Ein Machtspruch kann freilich die Elbherzogthümer mit ihren urdeutschen Bewohnern noch einmal an Dänemark festschmieden, vorausgesetzt, daß das deutsche Volk ruhiger Zuschauer bei einem solchen politischen Selbstmorde bliebe; Friede zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein würde aber durch eine so unkluge politische Handlung nicht geschlossen, sondern nur der Keim gelegt zu neuen, blutigeren und erbitterteren Kämpfen, die nie enden werden in diesen Landen, so lange die Königsau nicht wirklich die Grenzscheide bildet zwischen deutschem und dänischem Lande.

In der mit Einquartierung überfüllten Stadt war nur mit großer Mühe ein ärmliches Unterkommen für schweres Geld zu finden – und zwar in einer Art von Küche, die von preußischen Soldaten in Beschlag genommen war. Da herrschte denn ein munteres Leben bis tief in den Abend hinein, da kochte und wärmte sich einer nach dem andern von der ab- und zugehenden Mannschaft, ein stattlicher Füsilier schleppte Holz zu, die meisten nicht eben in parademäßigem Anzuge, ganz so wie es der Künstler auf seinem netten Genrebildchen dargestellt hat. Von Bequemlichkeit freilich war nicht groß die Rede, und doch hatten wir immer noch Glück gehabt, überhaupt unter Dach und Fach zu sein und auch nicht, wie schon Mancher, die Eroberung eines elenden Stuhles für ein paar Nachtstunden mit einem dänischen Species (1½ Thaler pr. Cour.) bezahlen zu müssen. Unerträglich, ohrbetäubend aber war das entsetzliche Rädergerassel der unzähligen Fuhrwerke, die in endlosen Reihen unter Schreien und Fluchen der Trainsoldaten bald im Schritt, bald im Trab, mitunter sogar in vollem Galopp vom Süden her durch die Stadt jagten. Einer Anzahl schwerer Belagerungsgeschütze, die nach Fridericia gingen, folgte eine ewig lange Munitionscolonne mit hart polternden Bombenkarren. Dann kam wieder ein nicht enden wollender Zug von Proviantwagen für die österreichische Armee, die ihre Posten bis über Aarhuus vorgeschoben hatte. Dazwischen sprengten schwere preußische Kürassiere, mit ihren klirrenden Pallaschen Alles bei Seite treibend, hindurch, und einzelne ungarische Husaren, die wohl als Ordonnanzen von Veile hereingekommen sein mochten, tänzelten auf ihren graziösen, muthigen, mit rothen Bändern geschmückten Pferden, deren lange Mähnen in Zöpfe geflochten waren, courbettirend an den Häusern entlang, als wollten sie all dem Volke, das sie umdrängte, die schönsten Reiterkunststücke zum Besten geben.

Am späten Abend ließ der Lärm des Tages wenigstens zeitweise etwas nach. Die Luft war ruhiger geworden und der Himmel klärte sich auf. Da hallte in weiter Ferne dumpfer Kanonendonner von Fridericia oder Snoghoi herüber, und als die Nacht völlig hereinbrach, spiegelte sich neben dem Silberschimmer des Mondes die düstere Gluth einer irgendwo an der Meeresküste auflohenden Feuersbrunst in dem tiefen Gewässer des pittoresken Kolding-Fjord.


Blätter und Blüthen.

Zweierlei Recht für die Reichen und für die Armen in England. Nachtrag. – Nachdem unsere letzte Nummer bereits geschlossen war, ging uns vom Verfasser des Artikels „Zweierlei Recht für die Reichen und für die Armen in England“ das folgende Nachwort zu, aus dem allerdings ersichtlich wird, daß die englische Justiz die begangene Ungerechtigkeit einigermaßen zu sühnen versucht hat, – aber freilich bleibt das Maß, womit man den reichen Mörder und den armen Todtschläger gemessen hat, noch immer ein sehr verschiedenen.

D. Red.

Im Verlaufe des Monats Februar d. J. lief bei dem Minister des Innern in London eine neue Protestation der Richter von Derbyshire ein, welche sich auf die Thatsachen stützte, daß einer der Aerzte, welche in dem Memorial an den Minister den Verurtheilten für wahnsinnig erklärt hatten, den Sinn dieser Erklärung dahin erläuterte, er habe damit nur eine neue Untersuchung bezwecken wollen, während der andere Arzt, als „nicht zum königlichen Collegium der Aerzte gehörig“, unberechtigt erschien, den Act zu unterzeichnen, und einer der Richter erklärte, er habe die Tragweite seines Zeugnisses nicht gekannt!

Bald darauf gaben auch die vier von dem Minister zur Untersuchung des Geisteszustandes Townley’s abgeordneten Experten ihr Gutachten ab. Dasselbe, außerordentlich klar und einfach, erklärte den Verurtheilten für geistig gesund. Derselbe sei ruhig, vollkommen Herr seiner selbst, kein Zeichen von Geistesstörung in Sprache, Blick, Benehmen, Unterhaltung wahrnehmbar. Die Ansicht Townley’s, die Menschen, als Geschöpfe des Zufalls, werden mit Unrecht verantwortlich gemacht für ihre Handlungen, sei ein Product persönlicher Schlußfolgerungen. Daß er für die Ermordung der Miß Goodwin sich verantwortlich gewußt, gehe hervor aus seiner Aeußerung zu den Aerzten: „Ich erwartete, für den Mord gehängt zu werden, denn ich bin nicht so thöricht, um nicht zu wissen, daß das Gesetz den Mord mit dem Tod durch Hängen bestraft. Ich dachte allerdings nicht daran, während ich die That verübte, sonst hätte ich sie unterlassen.“ Seine Ausrede „er habe seine Braut getödtet, um sie wiederzugewinnen“, habe Townley anerkanntermaßen erst nachher erfunden, um seine That zu entschuldigen. Er suche dieselbe jetzt als das Resultat eines plötzlichen Affectes hinzustellen, allein dem widersprechen seine eigenen Zugeständnisse, daß er seine Braut vor der That wiederholt bedroht habe. Seine klare Erinnerung an die Einzelnheiten der That und die Versuche, seinen Geisteszustand zur Zeit derselben in einem falschen Lichte darzustellen, beweisen die Gesundheit dieses Zustandes. Unter den gegen ihn „Verschworenen“ verstehe Townley Niemanden anders, als die Verwandten seiner Braut.

Indem der Minister dieses Gutachten den protestirenden Richtern mittheilte, sprach er sein Bedauern aus, daß „die Justiz durch die Anstrengungen des Vertheidigers, seinen Clienten von dem Vollzug der Todesstrafe zu retten, irre geführt worden sei“, bemerkte aber zugleich, die Regierung habe es, nachdem einmal Zweifel über den Geisteszustand Townley’s erhoben und in Folge dessen der zum Vollzug des Todesurtheils bereits angesetzte Termin wieder aufgehoben worden sei, – „nicht mehr für recht gehalten“, das Urtheil vollziehen zu lassen, weshalb dasselbe in lebenslängliches Gefängniß verwandelt und Townley aus der Irrenanstalt Bedlam in’s Gefängniß von Pentonville abgeführt worden sei. Außerdem aber halte es die Regierung für ihre Pflicht, eine Verbesserung der Parlamentsacte von 1840 zu beantragen.

Diesen Worten folgte die That auf dem Fuße. Wenige Wochen darauf bat im Parlament der Minister des Innern, unter ausführlicher Darlegung der Verhältnisse des Falles Townley, um die Erlaubniß, eine Bill einbringen zu dürfen des Inhalts: „daß nur noch die das Gefängniß besuchenden Richter und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_239.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)