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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Im Hopfenparadiese.
Allen biertrinkenden Lesern und – Leserinnen der Gartenlaube gewidmet.
(Schluß.)

Wir brachen auf. Allerwärts begegneten uns die aus den Pflanzungen heimkehrenden Arbeiterinnen, manch hübsches Gesicht darunter, mit dessen tiefem Brunett das lichte Kopftuch anmuthig contrastirte, und oben im Berge meines Freundes häufte man eben die Blättersträuße zum letzten Bündel zusammen. Der abgeleerten und niedergelegten Riesenstangen waren schon ein gut Theil mehr, als heute Morgen. Mein Mentor blickte mit sichtlicher Zufriedenheit auf das vollbrachte Nachmittagswerk.

„Macht nun, daß Ihr nach Hause kommt, Ihr Leute,“ redete er freundlich die Bindenden an, „die Knödeln sind fertig, und ’s giebt noch ein paar Stunden zu blatten, wißt Ihr.“

„Ich hab’ Dir schon erzählt,“ wandte er sich an mich, während wir auf kürzerem Pfade quer durch die Anlage zum Städtchen zurückgingen, „was für eine heikle Prinzessin unsere Hopfennessel ist. Auch hinsichtlich des Bodens, auf dem sie wachsen will, macht sie gar exklusive Ansprüche; sie gedeiht nur in einem warmen lehmigen Erdreiche, das keine stauende Nässe im Untergrunde hat. Darum will ihr Anbau bis jetzt nur in verhältnißmäßig so wenigen Gegenden Deutschlands ordentlich gelingen. Im Saazer Kreise Böhmens zieht man noch immer den besten Hopfen, ihm nahe kommt der Spalter, dann unser Hersbrucker. Auch in Baden und Württemberg bauen sie neuerdings recht leidliche Quantitäten, die schon ganz respectabel mit uns concurriren; die geringsten Sorten bringt Preußisch-Polen in den Handel. Diese vielfache junge Concurrenz hat uns alten Hopfenproducenten anfangs große Besorgnisse eingeflößt; so Mancher hat bedenklich den Kopf darüber geschüttelt. Wo soll’s denn noch hin mit alle diesem Hopfen? so haben wir uns Einer den Andern gefragt; zuletzt müssen wir den Centner noch um ein paar Gulden losschlagen und froh sein, wenn wir’s nur bekommen. Doch bis jetzt sind alle unsere Aengste grundlos gewesen. Trotz der mehr als 100.000 Centner, die unser Mittelfranken allein auf den Markt sendet, und der 30.000, welche davon auf Hersbruck und Umgegend fallen, steigt die Production noch mit jedem Jahre, und die Preise haben sich wacker gehalten. Ihr sorgt ja sammt und sonders in anerkennenswerther Weise mit dafür, daß wir nicht über den Bedarf produciren. Wie Pilze schießen allerwärts die neuen Brauereien aus der Erde, nicht blos in Euerem unwirthlichen Norden, wo ehedem nur Kartoffelfusel und, für den verwöhntern Gaumen, die Kümmelbulle regierten, nein, mitten im ureigensten Gebiete des Bacchus, am Rhein und am Neckar, an der Ahr und an der Mosel.“

Wir hatten inzwischen wieder den Fuß der Anlage erreicht. Hier fielen mir die niedrigern, kaum 6–10 Fuß hohen, dünnen Stangen auf, mit den schwanken, zarten Ranken, welche sie umzogen.

„Das ist sogenannter Jungfernhopfen,“ belehrte mich mein Freund, dem mein fragender Blick nicht entgangen war. „Sieh die kleinen dürftigen Zäpfchen an! Es sind dies Pflanzen, die wir erst heuer im Frühjahr gelegt haben. Der Hopfen, den sie geben, taugt nicht viel, ‚hat keine Qualität‘, wie wir sagen, aber verkauft wird er doch; denn Alles findet eben seine Verwendung. Die Anlage solch’ einer neuen Hopfenpflanzung ist, beiläufig, kein leichtes Ding, mindestens mühsam und arbeitsvoll übergenug. Zuvörderst muß die Düngung eine sehr reichliche und gründliche sein und der Boden so tief wie möglich umgebrochen werden. Darauf gilt es, etwa alle 4–5 Fuß, Löcher zu graben, um darein die Rebenfexer zu legen, und zwar so, daß die treibenden Augen derselben in die Höhe zu stehen kommen. Dies pflegt im April zu geschehen. Nicht lange währt es, so schlägt die junge Pflanze aus und erhält nun die verhältnißmäßig kurzen und schmächtigen Stäbe, wie sie hier stehen. Wenn wir später die Ernte im Rücken haben, schneiden wir die Reben da ab, so daß höchstens noch zwei Fuß von ihnen übrig bleiben, legen die Stöcke nieder und decken sie zu, ganz wie man es mit dem Spalierwein macht. Nachdem im Frühjahr die schützende Decke beseitigt, die alten Fexer gestutzt und neu gedüngt sind, geben wir den nunmehr sprossenden Trieben die mächtigen hohen Stangen, die Du überall bemerkt hast, Pfahlkolosse, die an ihren Fußenden armsdick sind. An ihnen wird die Pflanze mit Binsen festgebunden. Hier und da hat man auch versucht, den Hopfen an Drähten in die Höhe zu ziehen, allein man ist von dieser Methode fast überall wieder abgekommen, weil meist eine totale Verwirrung und Verfilzung der Ranken ihre Folge war.“

Ganz Ohr bei dieser gründlichen Belehrung, war ich nicht gewahr worden, daß wir unsern Fuß nicht nach der Stadt zurückgelenkt hatten, sondern auf einem Nebenwege das Thal hinauf wanderten, das, noch immer weit und offen, hier von dem Gansberg und hinter diesem vom Kegel der Houbirg, dem viel besuchten Luginsland der Gegend, überragt wird. Lustig plätscherte die Pegnitz uns zur Seite und auf den kleinen Wellenkreiseln um die Kieselblöcke sprühte die untergehende Sonne ihre letzten Funken. Es war schon volle Dämmerung, als mein Freund Halt machte.

„Da,“ sagte er, „ist unser Ziel. Komm, laß uns eintreten.“

Ich konnte eben noch erkennen, daß wir vor einem kleinen ländlichen Gehöfte standen, dessen Wohnhaus sich in dichtem Rebgeblätter verbarg. Bereits waren die Läden des Erdgeschosses geschlossen, doch ein einladender Lichtschimmer drang uns durch ihre Spalten entgegen. Und noch einladender klang eine tiefe volle Frauenstimme, die eben die Schlußstrophe eines alten schönen deutschen Volksliedes sang:

Nachtigall, du thust ihn finden,
Flieg umher auf Berg und Gründen;
Schwing dich auf, Frau Nachtigall,
Grüß mein Schatz viel tausendmal!

Leise klinkte mein Begleiter die Hausthür auf, noch leiser öffnete er die Stubenthür. Ja, er hatte Recht gehabt, es war ein vollkommenes Genrebild, was ich da erschaute, dasselbe liebliche Bild, das, nach der Zeichnung eines tüchtigen Nürnberger Künstlers, meine Darstellung schmückend erläutert. Die ganze Familie war noch rüstig beisammen, in drei Generationen, von Großvater und Großmutter bis zur Enkelin und zum Kleinen in der Wiege. Was helfen konnte, half beim Blatten. Alles schnitt emsig und doch vorsichtig die Blüthendolden und füllte damit den weiten Trog, um den man sich gruppirt hatte.

Wir waren einen Augenblick an der Thür stehen geblieben, weil ich erst den ganzen Eindruck der anmuthigen Scene auf mich wirken lassen wollte, ehe ich mich mit den Einzelheiten derselben beschäftigte, und mit besonderem Interesse betrachtete ich die kleidsame Frauentracht des Thales. Doch lange konnten wir unsern Beobachtungsposten nicht behaupten. Mit einem herzlichen „Grüß Gott, Ihr Herren!“ wurden wir in’s Innere genöthigt. Der Alte rückte freundlich die Zipfelmütze und nahm die Ulmer Pfeife aus dem Munde, um meinen Freund willkommen zu heißen, und aus Ton und Art der Begrüßung ersah ich, daß dieser ein hochgehaltener Gast war von Alt und Jung im Hause. Auch mir schüttelte Alles zutraulich die Hand, und bald waren wir mitten unter den fleißigen Leuten häuslich etablirt und hörten den verständigen Reden des Alten zu, der uns viel zu erzählen wußte von „dazumal, wo sie noch Nürnbergisch waren und wie’s ihnen gar nicht in den Kopf gewollt, daß sie nun auf einmal baierisch werden sollten.“ Inzwischen war auch, mit der letzten mächtigen Blätterbürde auf dem Kopfe, der eigentliche Hausvater heimgekehrt – denn die Alten saßen bereits auf dem Leibgedinge, – ein stattlicher, kräftiger Mann. Auch er freute sich des Besuchs von Herzen; sein erster Blick aber galt doch dem Jüngsten drüben in der Wiege und der noch jungen Mutter, die, während ihre Hände rastlos schafften, mit glückstrahlendem Auge den Schlaf des kleinen Lieblings behütete.

„So, Babeli,“ sagte mein Freund, indem er von der Bank aufstand und dem erröthenden Mädchen, der Tochter des alten Auszüglers, eine dicke Hopfenguirlande um das bis auf das Mieder herabfallende Kopftuch legte, „so, die Krone ziemt der wackern Sängerin. Jetzt, Ihr Leute, b’hüt Euch Gott; aber ’s ist spät und wir müssen eilen, daß wir endlich einmal nach Hause kommen. Vergeßt nicht, daß wir nächsten Dienstag unsern ‚Niederfall‘ halten; da seid Ihr allesammt unsere Gäste, das wißt Ihr. Und wenn

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_344.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)