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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

und gewissenhaft von ihm gemachten Angaben, für Register-Gebühren, nothwendiger Weise entstehende Kosten, Auslagen etc. Rthlr. 11. bei der Summe von Rthlr. 600. Cour. in deutschem Papier-Geld als Indemnity miteinzusenden, ohnedem kein Gesuch berücksichtigt werden kann, da diese Maßregel zur Abhaltung unsolider und leichtfertiger Gesuche und zur Vermeidung großen Zeitverlustes und unnützer Correspondenz durch die Erfahruug bedingt ist.

Die strengste Discretion ist zugesichert. Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Da Geld- oder sonstige Werthbriefe von und nach England nicht mit Werth-Angabe bezeichnet sein dürfen, sondern „recommandirt“ oder „chargé“ bezeichnet auf den Posten angenommen und befördert werden, so sind alle Briefe, welche Geld, Wechsel, Documente oder sonstigen Werth enthalten, „recommandirt“ oder „chargé“ abzusenden und zu adressiren an die

Foreign Monetary Agency Office, London. S. 
12. Upp. Stamford Street.“ 

Wir brauchen diesen Schriftstücken für unsere Leser keine Erklärung beizufügen; die Bedeutung der elf Thaler, die eingesandt werden müssen, ehe an das Geschäft zu denken ist, springt deutlich genug in die Augen, um „Capital-Bedürftigen“ die englischen Wohlthäter in ihrer wahren Gestalt zu zeigen.

Wer aber sein Glück nicht aus den Londoner Händen empfangen will, wird der widerstehen können, wenn es ihm aus der Stadt, der wir schon so viele Freuden verdanken, wenn es ihm aus Kopenhagen geboten wird? Von dort flog nach Deutschland herein in vielen Exemplaren ein „Plan der Industrie-Union“ zu einer „zweiundzwanzigsten (?) großen Waaren- und Staatsprämien-Vertheilung“, d. h. zu einer Lotterie, deren „Gewinne“ bestehen in „Gold- und Silbersachen, Uhren, Wagen, Fortepiano, Tischgedecken, Leinen, und sonstigen werthvollen und soliden Gegenständen, sowie in Staatsprämien-Scheinen, worauf die Summen von resp. Pr. Crt. 40.000 Thlr., 40.000 fl. etc. etc. gewonnen werden können (?!).“

In dem beigedruckten „Avertissement“ sagt dieser „Plan“:

„1. Diese zweiundzwanzigste große Waaren- und Staatsprämien-Vertheilung besteht aus 32.000 Loosen ohne Nieten, und hat den Zweck, die bei den jetzigen Verhältnissen fast ganz darnieder liegenden Industrie-Zweige zu heben und zu befördern, welches um so mehr das verehrte Publicum veranlassen wird, sich bei diesem Unternehmen recht stark zu betheiligen.“

Wohlgemerkt: der „Plan“ ist datirt: „Kopenhagen, im April 1864“. Welche Industrie soll also mit dem deutschen Gelde gehoben werden? Die deutsche, oder die dänische? Eine Andeutung giebt der §. 8, wo es heißt:

„8. Die Waaren der ersten fünf Classen werden spätestens vierzehn Tage nach der Ziehung einer jeden Classe, so wie die Waaren der sechsten Classe drei Wochen nach Beendigung der Ziehung an die Agenten nach Deutschland abgesandt, von welchen die resp. Interessenten sie franco aller Unkosten, als Fracht, Zoll, Emballage etc. gegen Auslieferung der Gewinn-Loose in Empfang nehmen können. Wer seinen Gewinn sechs Wochen nach der Ziehung nicht in Empfang genommen hat, verliert seinen Anspruch an denselben und fällt solcher dann einem wohlthätigen Zwecke zu.“

Wer nun noch den geringsten Zweifel an dem ebenso patriotischen als wohlthätigen Unternehmen hegt, dem wird zu besonderer Beruhigung verholfen, indem er erfährt, daß wenigstens die gezogenen Nummern einer deutschen Staatslotterie zur dänischen „Vertheilung“ benutzt werden, denn §. 2 lautet:

„2. Um den resp. Interessenten dieser Vertheilung die Gewißheit für die Unparteilichkeit der Ziehungen zu verschaffen, richten sich dieselben nach den vom Staate veranstalteten öffentlichcn und controlirten Ziehungen der Herzogl. Braunschweig-Lüneburgischen 57. Landes-Lotterie. Diese Vertheilung besteht, ebenso wie jene Lotterie, aus 32.000 Loosen von Nr. 1 bis Nr. 32.000, aber statt der in der Herzogl. Braunschweig-Lüneburgischen Landes-Lotterie fallenden Geldgewinne werden bei dieser Vertheilung die vorstehend benannten Waaren gewonnen. Geldgewinne werden nicht vertheilt.

Trotz der letzten bündigen Bemerkung ist durch die Aufführung aller braunschweiger Geldgewinne neben den Waarengewinnsten dieser „Industrie-Union“ die Täuschung sehr nahe gelegt, daß auch letztere so schöne Summen gewähre. Man lese z. B.

„4. Dasjenige Loos, dem die Prämie für den zuletzt gezogenen der 95 Hauptgewinne der sechsten Classe (NB. nach der braunschweiger Lotterie) zufällt, erhält auch den für die 60.000 Thlr. bestimmten großen Gewinn, mithin können im glücklichen Fall die für die Prämie von 60.000 Thlr. und für den Gewinn von 40.000 Thlr. bestimmten Gegenstände auf ein Loos gewonnen werden.“

In diesem außerordentlich glücklichen Fall würde der glückliche Spieler „einen viersitzigen Phaeton oder Jagdwagen“ und „einen Prämienschein der badischen Staatsanleihe von 1846, worauf 40.000 fl. gewonnen werden können“ und ferner eine Reihe Silberzeug sammt einem kurhessischen Prämienschein mit derselben Glücksmöglichkeit gewinnen.

Und für alle diese Aussichten braucht der brave Deutsche blos 5 Thlr. 20 Gr. an einen gewissen Herrn „Sally Levy“ nach Kopenhagen zu schicken. Und welche Garantie bietet man ihm dagegen? Da steht sie:

„10. Jedes Loos ist mit dem Stempel der Königlichen (natürlich: dänischen) Regierung und mit der eingestempelten Namens-Unterschrift des Unterzeichneten versehen, ohne welche das Loos keine Gültigkeit hat.“ Der Unterzeichnete ist aber besagter Herr Levy.

In der That, eine frechere Unverschämtheit ist den Deutschen gerade in diesem Augenblick aus Kopenhagen kaum geboten worden. Das deutsche Volk wird sie nach Gebühr behandeln. – Wir kommen nun zum jüngsten Schwindel, der leider ein deutsches Unkraut ist. Mit ihm wollen wir für diesmal die auf die Länge Ekel erregende Industrie-Ritter-Revue schließen. –

Diese neueste Frechheit der Beschwindelung, die leider ihre ersten Siege bereits gewonnen hat, kann nicht rasch genug zur Kunde des Publicums gebracht werden, gerade weil das Ueberraschende derselben auch für diejenigen gefährlich ist, welche durch natürliche Bedächtigkeit oder durch Erfahrungen in den Künsten der Speculation sich dagegen geschützt glauben.

Es ist allgemein bekannt, daß fast Niemand, dessen Name in einem Adreßbuche steht oder sonstwie öffentlich bekannt geworden ist, der Aufmerksamkeit entgeht, von Inhabern oder Agenten von Lotterien mit Zusendungen von Loosen oder Interimsloosen bedacht zu werden. Die speculirenden Herren lassen es sich bedeutende Porto-Ausgaben kosten, um namentlich in Ländern, in welchen das Spielen in auswärtigen Lotterien verboten ist, ihre Kundschaft zu suchen; und da manche Lotterieanstalten nicht nur das Porto an ihre zahllosen Francoeinsendungen wagen, sondern sogar sich die unfrankirte Zurücksendung nicht angenommener Loose erbitten, so muß ihr Geschäft trotz alledem immer ein so einträgliches sein, daß sie im Kostenwagniß sich endlich bis zum Aeußersten erkühnen durften.

Einem allem Lotterieschwindel abholden Familienvater trägt der Postbote einen solchen frankierten Loosbrief in’s Haus. Er legt den Wisch murrend bei Seite, die Herren nicht einmal der Rücksendung würdigend, und vergißt bald die ganze Sache. Da sitzt eines schönen Morgens die Familie um den Frühstückstisch, als die Thür aufgeht und der Mann hereintritt, der stets ein ganzes Haus um so mehr in Aufregung bringt, je seltener er erscheint: der Ueberbringer einer telegraphischen Depesche. Was ist geschehen – in der Verwandtschaft – im Geschäft? – Welche wichtige Nachricht ist es, die zu diesem Verkehrsmittel greifen muß? – Mit zitternder Hand wird das verhängnißvolle Papier geöffnet. Alle Köpfe drängen sich herzu, und Alles lauscht athemlos auf den Inhalt. Er lautet: „Herrn N. N. in N. Wollen Sie die Loose behalten ? Sofortige briefliche Antwort ist dringend erforderlich. N. N. u. Comp. in N.“ Die Loose? Was ist mit den Loosen? Wo sind sie? Offenbar haben sie einen Gewinn gemacht. Wie könnte man sonst durch eine telegraphische Depesche nach ihnen anfragen? – Aber wo sind die Loose? Der Vater geht an den Secretär und durchwühlt alle Papiere, das Frühstück wird kalt, aller Appetit ist fort, Vermuthungen, Hoffnungen, Wünsche erfüllen plötzlich alle Köpfe, schwärmen von allen Zungen, Alles will suchen helfen, der Vater wird schon ärgerlich, – da – da ist der einst mit Murren weggeworfene Brief, da sind die Loose – und nun beginnt ein Familienrath, nun soll ein Beschluß gefaßt werden in einer solchen Aufregung. Aber die Zeit ist kurz zugemessen, denn es ist ja eine telegraphische Depesche, die auf Antwort dringt.

Was, lieber Leser, würdest Du in diesem Augenblick gethan haben? Würdest Du entschlossen genug gewesen sein, die Mahnungen Deiner Gattin, Deiner Tochter etc., das Glück nicht zu verscherzen, die paar Thaler daran zu wenden, ohne Weiteres zurückzuweisen? – Schwerlich! – Und so hat es auch unser Mann gemacht. Er behielt die Loose, steckte dafür die erforderlichen Thaler in ein Couvert und trug sie sogar selbst zur Post.

Und nun? – Weiter ist’s nichts – die Speculation der Ueberraschung hat gesiegt, die telegraphische Depesche ist doppelt und dreifach, ja vielleicht zehnfach bezahlt und die Loose theilen das Schicksal der anderen.

So ist’s geschehen und zuerst bekannt geworden zu Königsberg in Preußen, und solcher telegraphischen Lotterie-Depeschen werden nun Hunderte und Tausende überall ankommen, wo der Werth der Loose das Wagniß sichert. Und eben darum erzählten wir diese Familienscene, damit man anderswo auf solche Ueberraschungen vorbereitet ist und auch diese neue Speculation so behandelt, wie sie es verdient.




Ueber die „nicotinfreien Cigarren“, welche Herr Biermann in Berlin verfertigt und Herr Dr. Haubold empfiehlt, schreibt uns als Entgegnung des Aufsatzes in Nr. 21 der „Gartenlaube“ Herr Dr. Haubold: daß nicht blos er allein, sondern noch fünf andere Aerzte diese Cigarren empfohlen hätten, und daß diese Cigarren von allen diesen Herren ebenso wie von ihm durchaus nicht als völlig nicotinfreie empfohlen worden wären.

Sie sollen nur weit weniger von Nicotin, Nicotianin, bittern Extractivstoffen und theerartigen Substanzen enthalten, so daß sie deshalb für den Raucher minder nachtheilig und nicht so betäubend, somit weniger verdauungsstörend und congestionserzeugend sind. Uebrigens ist ihr Geschmack und Geruch angenehm und tabakähnlich.


Die „Deutschen Blätter“, Beiblatt zur Gartenlaube, enthalten in ihren letzten drei Nummern:

Nr. 20. Erinnerungen an die polnische Emigration zu Leipzig. – Umschau: Noch eine Kehrseite des Schlachtenruhms. – Frömmigkeitsluxus und Hungersnoth in England. – Aus dem Patriotismus Geld für sich zu schlagen. – Arnold von Winkelried und der Pionier Klinke. – Der dänische Geßler in Schleswig-Holstein. – Austilgung eines steinernen Dänenhohnes. – Die Kriegs-Trophäen in Berlin. – Wofür ?

Nr. 21. Der Tondichter Meyerbeer. I. Der deutsche Herr Beer. – Umschau: Aus dem deutsch-amerikanischen Journalistenleben. – Der Abendmoniteur. Schöne deutsche Sitten. – Ein deutsches Lebens- und Literaturzeichen aus Amerika.

Nr. 22. Der Tondichter Meyerbeer. 2. Herr Giacomo Meyerbeer. – Umschau: Autorität – nicht Majorität. – Die dänische Flotte ist ein deutsches Diplomatenwerk. – Die Schillerstiftung und Hermann Marggraff’s Hinterlassene. – Der Nord-Ostsee-Canal. – Düppel und Waterloo. – Böse Beispiele verderben gute Sitten. – Die Sonne bringt es an den Tag.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_368.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)