Seite:Die Gartenlaube (1864) 384.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Blätter und Blüthen.

Das Geheimniß des Soldaten. Es ist mir gestern eine kleine, sehr rührende Geschichte erzählt worden, die, ganz neu, noch in keiner Zeitung gestanden hat, meiner Ansicht nach aber verdient, die Aufmerksamkeit des freundlichen Lesers für zehn Minuten in Anspruch zu nehmen.

Meine ganz einfache und ganz anspruchslose Geschichte ist die eines österreichischen Soldaten, eines Tyroler Kaiserjägers, der jung, kräftig und voll Begeisterung im letzten Winter gen Schleswig ausmarschirte und heldenmüthig focht gegen den tückischen Dänen.

Der junge Soldat ließ tief hinten im Innthale seine alte Mutter zurück, die er über Alles liebte. Sie war aber auch eine herzige, gute alte Frau mit Silberhaaren und freundlichen, treuen Augen, die immer mit dem Ausdruck rührender Zärtlichkeit nach dem einzigen Sohne blickten.

„Sohn!“ sagte die Mutter zu ihrem Kinde, „ich habe nur Dich auf der Welt; ich fühle, daß mein Ende nicht mehr fern ist. Du wirst mir doch von dort aus schreiben?“

„Gewiß, Mutter!“

„Alle Monate mindestens einmal; kannst Du, noch öfter.“

„Ich verspreche es Dir!“

„In welcher Lage Du Dich auch befinden mögest …“

„Ich werde schreiben; verlaß Dich darauf!“

Und als er die alte gute Frau zum letzten Male umarmte, fühlte der junge Soldat Etwas auf seine Stirn fallen, das glänzte wie ein Diamant … es war die Abschieds-Thräne der Mutter.

Der Soldat marschirte aus.

Sehr bald nachher kam die Kunde von blutigen Gefechten und glorreichen Siegen. Ganz Deutschland jubelte beim Empfang dieser ruhmvollen Nachrichten. Der alten Mutter aber ward sehr bang; sie setzte sich in ihr einsames Stübchen und weinte. Da erhielt sie den ersten Brief; sie erbrach ihn mit Herzklopfen und las:

„Mutter! Morgen schlagen wir uns, und ich werde meine Pflicht thun. Ich will mich auszeichnen und beweisen, daß ich Deiner würdig bin. – Sei ohne Sorgen, die Dänen werden mich nicht treffen; ihre Kugeln werden über den Kopf des kleinen Kaiserjägers hinwegpfeifen.“

Bald darauf kam ein zweiter Brief und darin stand:

„Mutter! Wir haben uns tapfer gehalten. Ich bin mit einer kleinen Schmarre über’s Gesicht davon gekommen und habe einen Danebrog erbeutet. Ich bin im Hospital in Schleswig vortrefflich gepflegt. Aengstige Dich nicht! In zwei bis drei Tagen kämpfe ich wieder mit.“

In kurzer Frist erschien ein dritter Brief folgenden Inhalts:

„Mutter! Der Oberst hat mich im heutigen Tagesbefehl, als Einen der Bravsten, ausdrücklich genannt. Die ganze Armee kennt nun den Namen Deines Sohnes. Sei vergnügt und pflege Dich!“

Endlich kam ein vierter Brief, den die Mutter mit Freudenthränen las, er lautete also:

„Mutter! Gieb mir einen Kuß und noch dazu einen recht herzhaften, denn ich bin Deiner Liebe werth! Der commandirende General, unser lieber Vater Gablenz, hat mir diesen Morgen mit eigenen Händen das Ehrenkreuz angeheftet. Du wirst in diesenn Briefe ein kleines Stück schwarzgelbes Band finden … muß ich nicht Alles mit Dir theilen. Du liebe, gute, alte Mutter!“

Die alte gute Frau fühlte sich nach Empfang des letzten Briefes ihres Sohnes sehr schwach. Die große unerwartete Freude griff ihren von mancherlei Sorgen ohnehin schon erschütterten Körper sehr an, und sie erwartete ruhig, fromm und glaubensvoll ihr letztes Stündlein. Denen, die ihr Bett weinend umstanden, sagte sie mit ihrer sanften Stimme: „Das Einzige, was mir den Tod ein wenig erschwert, ist, daß ich mich von meinem armen Kinde trennen muß.“

Bald darauf starb sie. Ein wehmüthiges Lächeln umspielte ihren Mund, ein letzter Seufzer entrang sich ihrer Brust, und – die gute, alte Frau war bei Gott! Dort oben aber erwartete sie eine große, unaussprechliche Freude, denn sie fand ja den geliebten Sohn, der ihr bereits vorangeeilt war. Die Ereignisse nämlich, die er in seinen letzten Briefen an die alte Mutter berichtet, hatten sich alle an einem und demselben Tage bei Oberselk zugetragen, er hatte gefochten, war verwundet und mit dem Ehrenkreuz geschmückt worden, Alles dies an dem nämlichen Tage. Aber am Abend war er an seiner Wunde gestorben. Vor seinem Tode noch hatte er die kurzen Briefe geschrieben und einen Freund gebeten, dieselben von Woche zu Woche seiner Mutter zukommen zu lassen, weil er fühlte, daß die alte Frau die Nachricht seines Todes nicht würde ertragen haben. Der Freund hatte den letzten Wunsch des Sterbenden treu und heilig erfüllt, und so war der alten, guten Frau der große Schmerz erspart worden. Der Sohn erwartete die Mutter im Himmel – sicherlich, lieber Leser! Denn ich glaube nicht, daß Gott, der Herr, ihm seine liebevolle Lüge wird zur Sünde angerechnet haben.

F. D. P. 




Eine freiwillige deutsche Feuerwehr in Smyrna. In Nr. 10 der Gartenl. von 1864 wird die „brennende Frage“ des Löschens in einer so verständigen und zugleich praktischen Weise besprochen, daß ich es mir nicht versagen kann, Ihnen zur Ergänzung jener Darstellungen einen kleinen Beitrag über Entstehung und Entwickelung deutscher Feuerwehrorganisationen in der Fremde mitzutheilen.

Was der selige Heinrich Heine einst dem Hamburger Senat gerathen, daß er sich gute Gesetze und gute Feuerspritzen anschaffe, ist natürlich in noch höherem Maße und bei weitem dringender den türkischen Behörden zu empfehlen. Noch hat sich der vermeintliche Verjüngungsproceß, in dem sich die Türkei nach der Ansicht beschränkter Türkenfreunde befinden soll, bis auf die Verbesserung des Löschwesens nicht verstiegen; indeß mit der Zeit pflückt man Rosen, und was nicht jetzt geschieht, kann ja nach einem Menschenalter der möglichen Verwirklichung näher geführt werden. Nur muß man den Fortschritt hierlands nicht beeilen wollen; denn die Türken können mit ihren schlotterigen Beinen einem europäischen, culturbeflügelten Menschenkinde nicht so rasch nachfolgen. Wozu wären aber auch dem Fatalismus gute Feuerspritzen nütze? Wenn es im Buche des Schicksals verzeichnet ist, daß einem das Haus über dem Kopfe zusammenbrennen muß, so ist es eben eine jener höheren Fügungen, deren sichtbares Hervortreten durch keine menschliche Einwirkung geschwächt werden darf. So eigenthümlich dies auch den Weisen im Abendlands erscheinen mag, so unleugbar ist’s jedoch, daß der mehr als patriarchalische Zustand des türkischen Löschwesens diesen Voraussetzungen vollkommen entspricht.

Nachdem die deutsche und deutsch-schweizerische Colonie in Smyrna etwa seit einem Lustrum namentlich an jüngeren Mitgliedern einen erheblichen Zuwachs gewonnen, kam der Gedanke allgemach zum entschiedenen Ausdruck, daß die Organisation einer deutschen Feuerwehr nach vaterländischem Vorbild nicht mehr länger hinausgeschoben werden dürfe. Da das preußische Consulat die ihm zugehörige Spritze der Gesellschaft bereitwilligst zur Verfügung stellte, war mit Rücksicht auf den Kostenpunkt die Hauptschwierigkeit überwunden. Was besagte Feuerspritze betrifft, so wird die Bemerkung genügen, daß sie aus der weitberühmten Metz’schen Fabrik in Heidelberg hervorgegangen ist und auf einer der Gewerbeausstellungen in Karlsruhe den ersten Preis davon getragen hat. Die Organisation ging rasch von statten, die Anwerbung und Disciplinirung von Hülfsmannschaften ward auch nicht verzögert. Als das blondgelockte Deutschthum zum ersten Male in Helm und Blouse durch die belebtesten Straßen auf den Uebungsplatz zog, da schlugen die selbstgefälligen Levantiner ob dieser Neuerung die Hände über den Kopf zusammen; denn das hatte man hier noch nicht erlebt, daß Leute aus dem ehrenwerthen Kaufmannsstande sich mit Helm und Blouse schmückten, einzig und allein in der abenteuerlichen Absicht, erforderlichen Falls ihren Mitmenschen unentgeltlich zu dienen. Der Spott war jedoch zu wohlfeil, als daß er lange hätte andauern können; er machte nachgerade einem Gefühle Platz, das an rege Theilnahme, um nicht zu sagen Bewunderung, streift. In einem Lande, wo nur zu oft die Feuersbrünste einen verheerenden Charakter annehmen, fehlt es einer wohlorganisirten Feuerwehr nicht an Gelegenheit, ihre Tüchtigkeit zu erproben. Beim letzten großen Feuer im Januar d. J. hatte man es lediglich den Anstrengungen und der unverdrossenen Energie der deutschen Feuerwehr zu verdanken, daß das Frankenquartier von dem furchtbaren, züngelnden Element verschont geblieben. Es ist dies eine Thatsache, welche durch öffentliche und Privat-Anerkennungsschreiben außer allem Zweifel gestellt ist. So hat denn das junge Institut während der kurzen Zeit seines Bestehens trotz Naserümpfen, Unverstand und Scheelsucht sich die allgemeinste Achtung errungen, eine Achtung, die um so bedeutsamer in’s Gewicht fällt, als die eingeborene Bevölkerung mit der Würdigung fremden Verdienstes nicht allzu verschwenderisch zu sein pflegt.

Smyrna.

Wilhelm Fürst. 




Eine wundersame Bequemlichkeit. „Neue Bequemlichkeit zur Leichenverbrennung“, so heißt die Ueberschrift einer Ankündigung, die wir in einem uns aus Calcutta eingesandten Blatte lesen und als eine interessante neue Illustration des alten Dictums „Ländlich – sittlich“ wörtlich mittheilen.

„Um der Hindugemeinde Uebervortheilung und Weiterungen von Seiten der alten calcuttischen Holzhändler zu ersparen, macht Issur Schander Bus, ein angesehener Hindu, hierdurch bekannt, daß er dicht neben der großen Verbrennungsstätte von Nimtulah ein Stück Kronland gepachtet und darauf einen geräumigen mit Ziegeln gedeckten Schuppen zur Bequemlichkeit von einzelnen Personen und Familien errichtet hat, die sich desselben zur Verbrennung ihrer verschiedenen Angehörigen (der Leichen derselben nämlich) bedienen wollen. Die Preise sind für die Verbrennung folgendermaßen festgestellt worden: Für die reichen Hindus 3 Rupien (eine Rupie ist ungefähr 20 Ngr.), für die Mittelclassen 21/2 Rupien, für die Armen 2 Rupien, für die sehr Armen 11/2 Rupien.“ Zum Schluß warnt Issur Schonder Bus die ärmeren Classen seiner Landsleute noch einmal, sich vor jenen alten Schuften, den Holzhändlern, zu hüten, und garantirt, daß es Niemand bereuen werde, sich der neuen Verbrennungsbequemlichkeit bedient zu haben.




Der „Inhalationsapparat des Dr. Spengler in Ems,“ welcher in Nr. 17 der Gartenlaube als der vorzüglichste bezeichnet worden ist, wird von sehr vielen und kompetenten Autoritäten als durchaus unzweckmäßig erklärt. Auch haben die vielfach ungünstigen, im besten Falle nicht nachtheiligen Resultate der Anwendung des Apparates bereits seit Jahren sämmtliche Aerzte in Ems dahin gebracht, denselben in keinem Falle mehr anzuwenden und einstimmig bei ihrer Behörde gegen denselben zu protestiren. –

Die Redaction der Gartenlaube hält sich für verpflichtet, dies der Wahrheit zur Ehre ihren Lesern mitzutheilen.


Kleiner Briefkasten.



Z. M–ck im Lager von Morris Island bei Charleston in Süd-Carolina. Das eingesandte neue amerikanische Papiergeld ist in seinem bunten Gewande Allen, die es sahen, als eine charakteristische Zeiterscheinung interessant gewesen. Haben Sie besten Dank dafür! Freilich bleibt zu bezweifeln, ob der Zweck damit erreicht werden kann, den Sie in Vorschlag bringen. – Die erwähnten Bücher beziehen Sie vortheilhafter von den Buchhandlungen Westermann oder Schmidt in New-York, als wenn sie Ihnen direct von hier aus zugeschickt würden. Der Wunsch endlich, welchen Sie am Schlusse Ihres liebenswürdigen Briefes aussprechen, wird sich, Sie werden sich die Gründe wohl selber erklären, schicklicher Weise doch wohl nicht erfüllen lassen.

A. Z. Leider trägt der Ring nicht die Inschrift, die Sie anführen. Sie müssen sich also Ihren Wunsch versagen, wenn Sie dem Patriotismus nicht gleiche Rechte einräumen wollen wie anderen Empfindungen und Gesinnungen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_384.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)