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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Menschen und der Thiere saugen, wobei die Weibchen namentlich durch ihre Virtuosität sich hervorthun sollen; auch nicht von den Dasselfliegen (Oestrus), welche ihre Eier an die Haut der Thiere legen und deren Larven in Eiterbeulen oder im Magen schmarotzen. Wir haben leider auf dem uns zugewiesenen Felde noch der Feinde genug, welche uns manchen Schaden zufügen.

Die Gallmücken (Cecidomyia) sind gar kleine, weiche, meist schwärzliche Thierchen mit langen Fühlhörnern, an denen Haare in Wirteln gestellt sind, so daß sie etwa wie jene Bürsten aussehen, die man zum Putzen der Flaschen benutzt. Unschuldig genug sehen die Thierchen aus, und doch gehört zu ihnen die schreckliche Hessenfliege (C. destructor), von welcher man einst irriger Weise in Nordamerika glaubte, sie sei von den armen hessischen Soldaten, welche ihr gnädiger Landesvater über’s Meer an die Schlachtbank gegen baares Geld verkaufte, mit dem Stroh nach Amerika eingeschleppt worden. Die Made lebt im Innern der Weizenhalme, die sie innen ausbohrt und so höhlt, daß sie noch vor dem Ansetzen der Aehre umfallen und faulen. In Amerika, in England, in Ungarn sind ganze Ernten von dieser furchtbaren Made vernichtet worden, die indeß nur von Zeit zu Zeit in größerer Menge auftritt.

Auf dem Birnbaume leben einige Gallmücken (C. nigra und piricola), die zugleich mit einer Trauermücke (Sciara piri) häufig den größten Theil der Birnenernte vernichten. Die Weibchen legen ihre Eier mittelst einer langen Legeröhre, die sie von außen einstechen, gewöhnlich mitten in die noch unentwickelten Blüthenknospen. Während die Blüthe sich entfaltet und die Frucht ansetzt, schlüpft die Made aus, die sich meist in der Nähe des Stiels einbohrt und sogleich nach dem Kernhause hinarbeitet, welches sie aushöhlt. Die kleinen Birnchen werden welk, schrumpfen ein, bekommen Risse und fallen endlich ab; die Maden gehen heraus, kriechen in die Erde und verpuppen sich, zuweilen selbst in den abgefallenen Birnen, wenn sie die Zeit nicht finden, dieselben zu verlassen. In manchen Jahren fallen fast sämmtliche Birnchen ab, und da die Mückchen klein und nicht sehr bemerklich sind, so giebt es kein anderes Mittel der Verheerung zu steuern, als die abgefallenen Birnchen sorgfältig zusammenzulesen und den Schweinen zu verfüttern, ehe die Maden Zeit haben, dieselben zu verlassen.

Unter den eigentlichen Fliegen, welche durch die Organisation ihrer kurzen, dreigliederigen, mit einer Borste versehenen Fühler unserer gewöhnlichen Stubenfliege ähnlich sehen, müssen wir besonders der Runkelfliege (Anthomyia conformis), der Zwiebelfliege (A. ceparum) und der Kohlfliege (A. Brassicae) erwähnen. Die Made der ersteren höhlt die Blätter der Runkelrübe aus, indem sie das Grüne wegfrißt und nur die beiden Oberhäute stehen läßt; diejenige der Zwiebelfliege frißt die Zwiebeln gänzlich aus, so daß dieselben innen verfaulen, während die Made der Kohlfliege in die Strunke der Kohlarten bohrt und diese ebenfalls zum Faulen bringt. Die unangenehmste aller dieser Fliegenarten aber ist wohl die Kirschenmade (Ortalis cerasi), welche so häufig in den Herzkirschen vorkommt. Es giebt wirklich Jahre, wo alle Herzkirschen matsch und faul werden und wo man unter Hunderten kaum eine findet, in welcher nicht eine ekelhafte gelblichweiße Made säße, welche das Fleisch aushöhlt, nachher sich zur Erde fallen läßt und in ein Tönnchen sich verwandelt, aus welchem die scheckige Fliege, die braune Querbinden auf den Flügeln trägt, im nächsten Frühjahre hervorbricht.

Auch der Käsefliege (Piophila casei) sollte ich hier noch erwähnen, da ihre feste, weißliche Made, welche wie eine Feder sich zusammenbiegt und Sprünge macht, von gar vielen Käseliebhabern für ein Erzeugniß des faulenden Käses selbst und für einen Beweis der Vortrefflichkeit der Sorte angesehen wird. Es ist wohl nicht nöthig, diese irrige Ansicht zu widerlegen und nachzuweisen, daß die Eier, aus welchen diese Maden hervorgehen, von einer verhältnißmäßig kleinen, glänzend schwarzen, glatten Fliege, deren Fühler, Beine und Stirn rothbraun gefärbt sind, an den Käse gelegt werden. Eine gut schließende Glocke, die über den Käse gestülpt wird, verhindert durchaus das Eindringen der Fliege und demnach auch die Entwickelung der Made, welche durch ihren Unrath nur den Käse verunreinigt und folglich mit vollem Rechte ein schädliches Thier genannt werden kann.

Ich würde indeß der Ordnung der Fliegen Unrecht thun, wollte ich hier zum Schlusse nicht der nützlichen Thiere erwähnen, welche sie in sich schließt. Die Schnellfliegen (Tachina), welche den Schmeißfliegen ziemlich ähnlich sehen, aber meistens noch größer und haariger sind, leisten uns nicht weniger bedeutende Dienste, als die Schlupfwespen, in Vertilgung von Raupen. Außerordentlich schnellen, schwirrenden Fluges schwärmen sie überall in Feld, Garten und Wald umher, legen ihre Eier auf die Haut der Raupen, die sie in ihren Schlupfwinkeln aufsuchen, und besetzen so gewöhnlich eine große Anzahl jener schädlichen Fresser. Die Larve bohrt sich in die Raupe ein, frißt den Fettkörper derselben auf, verpuppt sich gewöhnlich in der Raupenhaut oder auch außerhalb derselben in einer glatten Tonne, aus der nach wenigen Tagen die Fliege ausschlüpft. Auch der Mordfliegen (Asilida) dürfen wir nicht vergessen, großer Fliegen mit kurzem, wagrecht vorgestrecktem Rüssel und großen Flügeln, meist lebhaft gefärbt, welche auf andere Insecten, selbst Bienen, Jagd machen, die sie mit ihrem Rüssel durchstechen und aussaugen.

Am liebsten aber erwähne ich der Schwebfliegen (Syrphus), jener drohnenartigen, meist lebhaft gefärbten Fliegen mit dickem Kopfe und plattgedrücktem Hinterleib, welche Falken gleich lange an einem Orte in der Luft schweben, mit plötzlichem, pfeilschnellem Schusse ihre Stelle ändern, um von neuem über einem Blatte zu schweben, auf welches sie sich kaum niederlassen, während sie ein meist rothgelb gefärbtes Eichen auf seine Fläche legen. Aus diesen Eiern schlüpfen nach kurzer Zeit schön gefleckte und gefärbte Maden hervor, welche beinahe die Form eines Blutegels haben, am Hinteren, dickeren Körperende eine breite Saugscheibe besitzen und mit schnabelartigen Kiefern bewaffnet sind. Diese Maden, welche langsam, Blutegeln gleich, auf den Blättern umherschleichen, nähren sich einzig und allein von Blattläusen, und nichts kann unterhaltender sein, als ihnen bei ihrem Treiben zuzuschauen. Die Blattläuse stolpern und kriechen über ihre Feinde weg, die zusammengezogen mitten unter ihnen sitzen, als seien dieselben ganz ungefährlich. Die Made dehnt sich aus, tastet eine Zeitlang mit dem spitzen Kopfende umher, ergreift die erste beste Blattlaus mit ihren Kiefern, saugt sie aus, läßt den ausgesogenen Balg fallen, ruht eine Zeit lang und wählt sich dann ein anderes Opfer. So geht es den ganzen Tag fort, und die Larve wächst zusehends, während sich die Blattläuse in gleichem Maße vermindern. Die Tonne, in welcher die Made sich verpuppt, gleicht einer Glasthräne und springt an dem einen Ende mit einem Deckel auf. Da bei zureichender Nahrung die Maden äußerst rasch wachsen, der Puppenzustand aber nur vierzehn Tage dauert, so folgen sich mehrere Generationen dieser nützlichen Schwebfliegen in einem Sommer.




Wir sind somit an dem Schlusse dieser Vorlesungen angelangt, deren Raum leider zu beschränkt war, als daß ich mehr hätte thun können, als die Aufmerksamkeit auf eine Menge von Thatsachen zu lenken, welche die Wissenschaft auf diesem Felde kennen gelehrt hat. Wenn aber die Ernte, welche hier erzielt wurde, durch die Anstrengungen so vieler Männer, als eine ausgezeichnet reiche bezeichnet werden kann, so dürfen wir uns auf der andern Seite nicht verhehlen, daß noch unendlich viel zu thun und fast nirgends die Reihe der Beobachtungen vollständig abgeschlossen ist.

Möge das Jeder im Auge behalten, der sich für die behandelten Gegenstände interessirt, und je nach seinen Kräften dazu beitragen, die vorhandenen Lücken auszufüllen und dadurch der Menschheit selbst einen Dienst zu leisten!




Blätter und Blüthen.

Englische Sabbathfeier. Vor wenigen Tagen hat Genf den dreihundertjährigen Gedenktag seiner Kirchenreform gefeiert. Calvin war indeß, wie die Geschichte zeigt, von nichts weniger als von dem milden versöhnenden Geiste, dem Geiste der Alles duldenden und Alles tragenden Liebe beseelt, welcher das Wesen des Christen und des Christenthums bildet oder – bilden soll, er war Zelot und Fanatiker im höchsten Grade, herrschsüchtig bis zur Tyrannei und intolerant bis zur Grausamkeit, nicht sparsam mit den Scheiterhaufen für Andersdenkende. Die Kirchenzucht und Sittenpolizei, denen er die Republik Genf unterwarf, weisen Gesetze auf, welche eben so gut mit Blut geschrieben sind, wie weiland die drakonischen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_399.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)