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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

5.

Es waren etwa zehn Tage verflossen. Der Cavaliere di Lucano hatte sein Kaunitz gegebenes Wort erfüllt. Er hatte sich dem französischen Gesandten zu nähern gesucht und hatte Mademoiselle de Brissac den Hof gemacht mit all der Lebhaftigkeit, womit ein junger Mann, dessen Herz in anderen Banden liegt, einem jungen Mädchen die Cour machen kann, das sehr hübsch, sehr liebenswürdig und sehr kokett ist.

„Ich bin mit Ihnen ganz ausnehmend zufrieden,“ flüsterte ihm Kaunitz eines Abends zu, als er ihm im Abendcirkel des Königs begegnete. „Es scheint, Sie finden Ihre Rolle nicht so schwer, als es Ihnen im ersten Augenblicke vorkam! Wie sollte man auch, wenn man für Rollen in Schäferspielen berühmt ist!“

„Die Rolle, welche Sie mir gegeben haben, ist allerdings nicht so schwer,“ antwortete der Cavaliere mit einem mißmüthigen Lächeln. „Schwer dabei ist nur den vorwurfsvollen Augen Bianca’s begegnen zu müssen, und ihr nicht anders als mit verstohlenem Achselzucken und leidenschaftlichen Blicken antworten und eine Erklärung geben zu können.“

„Glauben Sie, daß Bianca eifersüchtig ist?“

„Wie sollte sie anders – ich bin wenigstens eitel genug, es zu glauben, obwohl ich sehe, daß Sie Alles aufbieten, ihr einen Ersatz für das plötzliche Aufhören meiner Huldigungen zu bieten!“

Der junge Mann sprach diese Worte mit einer Schärfe, deren Bedeutung Kaunitz nicht entging. Er erröthete leicht.

„Sie scherzen, Cavaliere,“ sagte er, „wie könnte ich daran denken, Bianca Pallavicini einen Ersatz zu bieten für einen so glänzenden …“

„O, fügen Sie nicht auch noch Spott hinzu,“ fiel ihm der junge Mann in’s Wort, „der ganze Hof sieht es ja, wie auffällig oft Sie an ihrer Seite sind und wie vortrefflich Sie Bianca zu unterhalten wissen!“

„Der ganze Hof hat eben nichts Besseres zu thun, als solchen Klatsch zu erfinden …“

„Nun, so lassen wir den Hof aus dem Spiele; es ist genug an dem, was ich selbst mit eigenen Augen sehe!“

„Sie täuschen sich, Cavaliere, Sie sagten ja eben selbst, daß Bianca Sie mit vorwurfsvollen Blicken verfolge.“

„Mit vorwurfsvollen, die vielleicht auch ein wenig triumphirend sagen: Sieh, wie rasch ich Dich vergessen und mein Herz einem Andern zu eigen gegeben habe … wer versteht, was solche Frauenblicke sagen!“

„Seien Sie ruhig, Cavaliere,“ versetzte Kaunitz mit einem etwas verlegenen Lächeln, „ich habe Ihnen versprochen, was ich für Sie thun wolle, und wissen Sie, ob ich dazu nicht auch der Beihülfe Bianca Pallavicini’s bedarf und zu dem Ende mit ihr zu reden habe?“

„Nun, so will ich Ihnen trauen, aber dann bitte ich Sie, lassen Sie das grausame Spiel enden, Herr Graf. Ich bitte Sie dringend darum. Ich kann die Blicke Bianca’s nicht länger ertragen, mögen sie nun ausdrücken, was sie wollen; und wenn das so fortgeht mit Aimée de Brissac, wie soll ich das Verhältniß wieder lösen?“

„Fürchten Sie nichts, Cavaliere, nur noch einige Tage Geduld, nur noch wenige Tage. Und führen Sie noch heute Abend bei Fräulein von Brissac eine Gelegenheit herbei, ihr ein Geschenk machen zu können; gehen Sie eine Wette ein, die Sie verlieren …“

„Und welches Geschenk soll ich ihr machen?“

„Eine hübsche Perle von einer seltnen Art, die ich Ihnen, sobald wir in unsern Zimmern sind, durch meinen Kammerdiener übersenden werde. Sie hat einigen Werth, und Sie werden Ehre damit einlegen!“

„Aber wird sie verschweigen, daß sie von mir kommt? und wenn Bianca erfährt …“

„Sie wird sie zuerst ihrem Verwandten, dem Gesandten, zeigen, und dieser wird dafür sorgen, daß sie es verschweigt … mein Wort darauf!“

„Aber ich begreife nicht …“

„Still, still, Sie kennen unsern Contract, Cavaliere, und müssen mir folgen; ich will Ihnen auch den Trost geben, daß Ihre Hauptaufgabe damit zu Ende ist und daß ich Sie bald des Dienstes bei Aimée von Brissac entlassen werde; für jetzt aber müssen Sie Ihre Rolle mit demselben glänzenden Erfolg, wie bisher, weiter spielen; sehen Sie nicht, wie die schöne Französin Sie mit ihren Augen sucht? gehen Sie zu ihr, gehen Sie, man darf uns nicht so lange zusammen sprechen sehen.“

Kaunitz wandte sich ab, um zu einer nahen Gruppe von Herren zu treten, und der Cavaliere näherte sich ziemlich mißmuthig dem Gegenstände seiner Huldigungen.

Eine Weile darauf kam Graf Traun an Kaunitz vorübergeschritten und da er ihn erblickte, winkte er ihn zu sich und trat mit ihm in eine Fensterbrüstung.

„Nun, wie weit sind Sie mit Ihrer Intrigue, Kaunitz,“ sagte der Graf. „Ich sehe unsere Perle noch immer nicht an der Brust der Marchesa und den Baron Breteuil noch immer so in der vollen Gunst des Königs, daß er ihn eben zu seinem Spiele gezogen hat.“

„Wir müssen eben Geduld haben, dafür sind wir ja Deutsche,“ versetzte lächelnd der junge Diplomat. „So viel kann ich Ihnen sagen, daß Fräulein Aimée ohne Rückhalt in die Schlinge geht, welche wir ihrem Oheim legen.“

„Nun, das ist etwas! Und weshalb sollte sie nicht? Dieser Cavaliere di Lucano ist der glänzendste junge Mann am Hofe, der Erbe eines sehr vornehmen und sehr reichen Hauses – und am Ende …“

„O, am Ende,“ fiel Kaunitz ein, „müssen wir doch unser Wort halten, und Sie wissen, daß dies auf eine andere Entwicklung der Dinge hinausläuft …“

„Allerdings, nach dem leichtsinnigen Versprechen, welches Sie gegeben haben, ich bin in der That gespannt darauf, wie Sie es lösen werden!“

Kaunitz lächelte selbstzufrieden, während er antwortete: „O gewiß, Excellenz, wir werden es lösen, zweifeln Sie nicht daran; während Sie die großen Staatsactionen durchführen, wird doch Ihr Attaché solch’ eine kleine Partie zu Stande zu bringen wissen …“

„Nun, thun Sie Ihr Bestes … und vergessen Sie nicht, daß die Zeit drängt, daß man in Wien ungeduldig wird und daß man die Perle dort nur hergegeben hat in der Voraussetzung, daß wir mit diesem hohen Preise einen vortheilhaften Handel machen!“

Der Graf verließ seinen Attaché und mischte sich in die Gesellschaft.

(Fortsetzung folgt.)




Ein Priester der Gewissensfreiheit.

Es giebt scharf ausgeprägte Charaktermenschen, deren ganzes oft wechselvolles Leben von einem einzigen, sei es humanistischen, freiheitlichen oder künstlerischen und poetischen Ideale beherrscht wird und die bei allem Wechsel des Geschickes, bei aller bunten Verkettung der Erlebnisse nur für die Verwirklichung ihres Ideals die Mühen und Arbeiten des Lebens einsetzen. Zu solchen gekennzeichneten Charakteren gehört Gustav Adolph Wislicenus, in einem Pfarrhause bei Eilenburg den 20. Novbr. 1803 geboren. Sein lebenbeherrschendes Ideal ist die religiöse lichtfreundliche Freiheit, verbunden mit einer geschichtlich-wissenschaftlichen Auffassung des Christenthums, mit einer freien Prüfung seiner Urkunden, des Buches der Bücher. Sein bewegtes, oft trübes Leben war bis zu seinem jetzigen 61. Lebensjahre getheilt in Erziehung der Jugend nach diesem Ideale und in Erziehung des häufig unmündigen und unfreien Volkes durch Wort und Schrift, in Erziehung beider für eine vorurtheilslose Auffassung der Bibel. Die Hingabe einer ganzen Lebensarbeit an ein Ideal setzt immer voraus, daß das Ideal Herz und Kopf ganz ausfüllt, daß der zu einem solchen Ziele providenziell Berufene bei allen Hemmnissen und Wechselfällen immer nur zur Arbeit für dieses eine Ideal getrieben

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_468.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)