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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

der Zeit und der Anschauungsformen reich, mit 10,000 Thalern.[1] Das schienen dem Armgewohnten unerschöpfliche Schätze. Allzugutmüthig, wie alle großen Charaktere, half er über seine Kräfte. Von seinem angebornen und geschulten Geschmacke verleitet, begann er den Bau eines weit über seine Verhältnisse kostspieligen Wohnsitzes in reizendster Lage Dresdens. Hatte er doch Stephenson’s fürstlichen Landsitz zu Tapton gesehen! Ganz im Kleinen und Bescheidenen blos wollte er dem großen Engländer nachleben und vergaß nur dabei die Kleinigkeit, daß Leisten und Bezahlen in England ganz andere Begriffe als in Deutschland sind. Als der letzte Posten der Summe, die ihm unerschöpflich geschienen hatte, ausgezahlt wurde, war sie und noch weit mehr verausgabt, und – sein spiritus familiaris zeigte sich ihm wieder treu geblieben. Der Höhepunkt von Kunz’s Leben fällt mit der Vollendung der Leipzig-Dresdner Bahn zusammen. Vom 9. April 1839 an, sehen wir ihn, ungebeugten Nackens und Muthes, ungeminderten Talents, dessen Proportionen aber dem Prokrustesbette der neuen Verhältnisse, in die er trat, nur durch Abhauen von mächtigen Gliedern gemäß gemacht werden konnten, – abwärts steigen!

Das „Genie des Vertrauens“ der kühnen Bauherren der Leipzig-Dresdner Bahn hatte es überdauert, daß sich das veranschlagte Anlagecapital dieses Baues unter Kunz’s Händen verdreifachte; die Anschauungsweise der Leiter einer neuen Unternehmung konnte sich einer Wiederholung dieses Mißgriffs nicht accommodiren. Der Bau der Sächsisch-Baierischen Bahn wurde für den Meister eine Kette von Mißhelligkeiten, Differenzen und Kränkungen. Im erfolglosen Kampfe mit dem immer tiefer hereinbrechenden Ruin seiner Privatverhältnisse gohren die bitteren Elemente in dem alternden Manne empor, die das sonst so schön angelegte Bild seiner großartigen Natur jetzt oft verzerrten und edle Züge carrikirten. Sein Selbstvertrauen wurde um so schroffer zum Abweisen jedes Rathes, als er, zornig gegen sich selbst, immer deutlicher fühlte, daß die Motive seines Leidens zum großen Theile in ihm selbst ruhten. Mit Ingrimm sah er das Sinken seines Ansehens, und das Ringen um die Erhaltung der Grenzen seiner dictatorisch geübten Autorität brachte ihn in immer um so verletzendere Conflicte, je weniger er die Talente der meisten der Gegner, die ihn lähmten, den seinen ebenbürtig sah. Den Höhepunkt der Schmerzlichkeit erreichten dieselben, als, bei Gelegenheit der großen Frage, auf welche Weise die beiden tiefen Thäler der Göltzsch und Elster am besten für die Eisenbahn überschreitbar gemacht werden könnten, sein Wirken öffentlich verdächtigt und desselben, sogar in den sächsischen Kammern im Jahre 1848, mit Spott und Ironie gedacht wurde.

Schon 1844 hatte man, zur Lösung der Disharmonie zwischen seiner Seelenstimmung und den Nothwendigkeiten und Individualitäten des praktischen Eisenbahnlebens jener Zeit in Sachsen, seine unmittelbaren Beziehungen zu diesem ehrenvoll gelöst und ihn, als technischen Rath, in das Ministerium berufen. Doch Kunz war ein Mann der grünen Welt, aber nicht des grünen Tisches! Bericht und Referat hatten keinen Ausdruck für Kunz’s Talente. Selbst die Formen seines klaren, prächtigen Styls widersetzten sich spröde dem Canon behördlicher Darstellung. Er, der Meister im freien Befehlen, war außer Stande einen Beschluß formell correct zu Papier zu bringen. Er und sein jetzt auch verstorbener Chef, dessen Bildung eine der seinigen diametral entgegengesetzte gewesen war, dem vor allen die Wanderjahre in der Lehrzeit fehlten, sprachen in verschiedenen Idiomen. Die Hand, gewohnt den Degen zu führen und sich zum Befehl zu heben, verkümmerte geistig und körperlich beim Führen der Feder. Das edle Metall, das der alternde Meister noch in Haupt und Herz besaß, konnte in dem Reiche, in dem er jetzt lebte, nicht mehr gültig ausgemünzt werden. Die Folgen des Ringens in Leiden und des Leistens über alle Kraft stellten sich ein!

Gichtisch, verbittert, mit sich und der Welt zerfallen, deren Dankbarkeit zu preisen er allerdings keine Ursache hatte, selbst von denen verlassen, denen er Lebenspfade so gut wie jene erste Eisenbahn gebaut, sahen wir ihn die letzten Jahre unter uns wandeln. Einer der Besten und doch verschwunden, als sei er längst verstorben. So sahen wir ihn auch begraben! Der Leichenzug eines Vergessenen! Gegen den scharfen Nordost des zweiten Januar schritten wir dem prunklosen Sarge schweigend nach. Wenige, sehr wenige waren wir dabei, die ihn lieb gehabt. Von Hunderten, die ihm Alles dankten, waren nicht zehn da. Das Vaterland hatte kein Wort des Danks für einen seiner muthigsten, thatkräftigsten Söhne Er hat als Deutscher geleistet und gelitten. Drei Schollen der Erde, von der auf seinen Wink einst Berge wandeln gingen, deckten den Sarg des Erbauers der ersten großen deutschen Eisenbahn!




Aus den Rechtshallen des Mittelalters.
Zusammengestellt von George Hiltl.
2. Die Anwendung der gebräuchlichsten Folter- und Strafwerkzeuge.
I.

„Da Du leugnest und nicht willst bekennen in gütlicher Weise, so übergebe ich Dich in Kraft meines Amtes dem Freimann, auf daß er thue an Dir zum rechten Bekenntniß, mit Schrauben und Leitern, mit Stricken und Feuer oder dem, was ich Dein Richter für gut halte in der scharfen Frage.“

Mit diesen Worten oder Formeln gaben die Richter der alten Zeit, welche man so häufig sonderbarer Weise die gute zu nennen pflegt, jeden Versuch auf, den Delinquenten zu einem Geständnisse zu bringen. Sie überantworteten ihn demnach der scharfen Frage oder der Folter. Man möchte fast behaupten, die erste Veranlassung zu dieser scheußlichen Procedur, deren sich selbst Griechen und Römer bedienten, habe ein übertriebener Amtsehrgeiz gegeben. Wie häufig fand der Richter bei aller Gewissenhaftigkeit nicht das Geringste vor, welches gegen den Verklagten zeugte – wie oft aber auch mag es im persönlichen Interesse des grausamen Inquisitors gelegen haben – Etwas herauszubekommen, gleichviel ob wirklich ein Verbrechen vorlag oder nicht!

Hierzu war die Folter ein treffliches Mittel. Es mußte schon ein abgehärtetes Individuum sein, das mit Ruhe und Entschlossenheit den furchtbaren Vorbereitungen zusehen konnte, welche auf Geheiß des Richters der Henker machte, um den Körper des zu Fragenden auseinanderzudehnen, zu brennen oder zu quetschen.

Selbstbekenntnisse mußten erpreßt werden, und die Werkzeuge dazu, von denen hier eine verhältnißmäßig nur geringe Zahl besprochen werden kann, prangten bald in jedem Gerichtshofe. Noch furchtbarer aber trat die Folter unter die geängstigte Menschheit, als jener entsetzliche Wahnglaube, der Satan könne in unmittelbaren Verkehr mit gewissen Personen treten, einer geistigen Pest zu vergleichen, die Gemüther befiel und ansteckte. Ein neues, nicht gekanntes Verbrechen war die Zauberei oder der Hexenunfug nun eben nicht; aber je weiter die Jahrhunderte fortschritten, desto mehr bildete sich die Ueberzeugung aus: teuflische Bündnisse und Vereinigungen könnten stattfinden.

Vom 14. bis zum 18. Jahrhundert dauerte der Wahnglaube fort, dessen letzten Opfer, eine Hexe, 1793 gefallen ist. Damit war aber der Gebrauch der Folter selbst noch nicht gefallen, denn noch im Jahre 1818 gab es in Deutschland Gerichtstage, bei denen sie angewendet wurde. Die bei weitem größte Anzahl der mit Folter Bestraften und ihren Qualen Erlegenen besteht indeß aus Hexen und Zauberern. Bei dem Verbrechen der Zauberei bedurfte es des eigenen Bekenntnisses, und das zu erlangen, bereitete man den Opfern die ausgesuchten Qualen der Folter. Zauberer zu überführen, war ein Triumph des Richters. – Betrachten wir daher die Vorgänge, welche bei Zaubereiprocessen stattfanden. Sie sind außergewöhnlicher Art, und doch sind zugleich die Grade und Werkzeuge der Folter dieselben, wie bei andern Verbrechen.


  1. Noch viel später hat sie edelherzig den Verdienten mehrfach durch reiche Ehrengeschenke erfreut.
    D. Verf. 
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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 539. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_539.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)