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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

die Luft schwirren zu hören. In ein paar Minuten war Alles vorbei. Gesehen hatte ich in der Dunkelheit nichts. Der Louis kam zu dem Pförtchen zurück; die Anderen gingen wohl wieder auf ihre Posten, oder holten vielleicht noch mehr Mannschaft herbei. Ich hatte mich wieder verborgen. Der Louis schloß das Pförtchen wieder zu und kehrte in das Schloß zurück. – Und nun, Hauptmann, und Sie, alter Conrad?“

„Pah, Doctor,“ sagte der Hauptmann, „daß das Alles dem Freiherrn gilt, daß der spitzbübische Kammerdiener hier auf der Lauer gelegen und seine Ankunft sofort ausspionirt hat, daran zweifle ich keinen Augenblick; auch daran nicht, daß wir nun bald ein paar Dutzend Gensdarmen im Schlosse haben werden. Aber was dann? Und käme ihrer auch ein ganzes Regiment – ich sagte es schon vorhin – wie sollten sie ihn in allen den Winkeln und Löchern und Spelunken des Schlosses und seiner Nebengebäude finden und fangen?“

„Aber,“ erwiderte der Doctor, „er ist hier mitten im Schlosse, weit von allen Löchern und Spelunken.“

„Wir sind auf unserer Hut, Doctor.“

„Vor einem geheimen Ueberfall, der plötzlich, von allen Seiten losbricht, vielleicht schon in diesem Augenblicke vorbereitet, eingeleitet ist?“

„Pah, wenn auch das! Wir haben Alles überlegt, Doctor. In die Krankenstube kann man nur durch dieses Zimmer; alle ihre anderen Thüren sind von innen verschlossen und verriegelt. Das heißt mit Ausnahme einer. Diese eine aber, Doctor, führt in einen geheimen Gang, und dieser geheime Gang führt unmittelbar in die verborgensten jener Löcher und Spelunken, und von ihm weiß Niemand, als der alte Conrad, der mir ihn gezeigt hat, und seitdem also auch ich, und jetzt Sie und der fromme Pater. Freilich ganz hineingegangen ist wohl noch Niemand von uns.“

„Und der alte Graf kennt ihn nicht?“ fragte der Doctor.

„Was soll der Wahnsinnige?“

„Ich weiß es nicht. Man muß aber an Alles denken.“

„Der Herr Graf kennt ihn,“ sagte der alte Kammerdiener des Grafen.

„Aber er hat kein Gedächtniß mehr,“ rief der Hauptmann.

„Und die Gräfin?“ fragte der Doctor.

Das wußte Niemand.

„Sie hat früher ein Jahr lang diese Gemächer bewohnt,“ sagte nur der alte Conrad.

Doch der Hauptmann verlor seinen Muth und also auch sein Vertrauen nicht.

„Wer wird gleich das Schlimmste fürchten? Indeß, wir wollen es jetzt einmal, um der äußersten Vorsicht willen. Kommen Sie, Doctor, wir Beide wollen den Gang untersuchen bis unten hin. Finden wir das geringste Verdächtige, so muß der Freiherr sofort weiter. Gehen wir in das Krankenzimmer. Sie sehen nach der Kranken; ich spreche unterdeß mit dem Freiherrn. So merkt sie nichts, wenn wir durch die geheime Thür wieder abgehen. Ziehen Sie sich an, da unten ist eine nichtswürdige Luft.“

Der Arzt warf einen Ueberzieher über.

„Hm, Doctor, was that der Alte an dem Thurme?“ fragte der Hauptmann unterdeß.

„Er suchte die Thür aufzuschließen, die hineinführt. Er hatte einen Bund von Schlüsseln bei sich. Ich hörte ihn damit rasseln.“

„Hm, was mochte er in dem alten Thurme wollen?“

„Wer kann das wissen? Sein großer Hund war mit ihm.“

„Sahen Sie auch die Gräfin, Doctor?“

„Nein.“

„Auch den französischen Obersten nicht?“

„Auch ihn nicht.“

„Ah, Sie sind fertig. Kommen Sie.“

Der Hauptmann und der Arzt gingen in das Krankenzimmer.

Der alte Mönch und der alte Kammerdiener waren in dem Vorzimmer allein. Die Kammerfrau der Kranken war einmal gekommen, um sich nach der Herrin zu erkundigen; als ihre Hülfe nicht nöthig war, hatte sie sich in ein anderes Nebengemach zurückbegeben.

Der Kammerdiener hatte das Vertrauen des Hauptmannes nicht getheilt. Er hatte mehrmals dazu den Kopf geschüttelt. Seine Unruhe, seine Besorgniß und seine Angst hielten an, als der Arzt und der Hauptmann fort waren. Dabei warf er so sonderbare Blicke auf den Mönch. Es war, als wenn er Fragen über Fragen an den alten Geistlichen habe, als wenn er selbst sein altes Herz gegen ihn ausschütten müsse, aber er hatte nicht den Muth dazu. Er nahm ihn sich doch zuletzt, er mußte es. Er ging auf den Mönch zu.

Der Geistliche saß trübe in sich gekehrt. Der Diener redete ihn an.

„Das sind traurige Geschichten hier, Herr Pater.“

„Und sie sollten nicht so sein.“

„Sie gehen auch Ihnen zu Herzen?“

„Müssen sie nicht jedes menschliche Herz tief berühren?“

„Und sie werden ein noch traurigeres Ende nehmen, Herr Pater. Es kann ja nicht anders sein, denn es liegt ein Fluch auf diesem alten Schlosse, auf diesem alten, edlen Geschlecht. Es ist mir, als wenn es noch in dieser Nacht sich erfüllen müsse, als wenn in der nächsten Stunde schon hier Alles vorbei sein werde. Es liegt mir so recht drückend schwer auf dem Herzen.“

Der Mönch antwortete nicht. Der alte Diener stand noch einmal unschlüssig. Dann hatte er noch einmal seinen Muth wieder.

„Herr Pater, darf ich mir das Herz gegen Sie leicht machen?“

Der Mönch nickte.

„Ich will Ihnen die alten Geschichten dieses Hauses erzählen. Sie werden dann erfahren, welcher Fluch auf ihm liegt, und wie er sich erfüllen muß.“

„Ja, ja,“ sagte der Mönch leise. „Aber Gott weiß Alles am besten, und er ist in Allem gnädig, auch in seinem Strafen. Erzählen Sie.“

(Fortsetzung folgt.)




Bilder aus dem Thiergarten.
Von Brehm.
4. Der Bison.

„In den Tagen unserer Kindheit und Jugend,“ sagt Audubon, „streiften Büffel über die kleinen, aber wundervollen Ebenen von Indiana und Illinois, und Heerden von ihnen zogen durch die offenen Wälder Kentucky’s und Tennessee’s. Bald genug verschwanden sie alle, bis auf wenige zurückgebliebene. Diese hielten sich noch eine Zeit lang, aber gegen die Jahre 1808 und 1809 verloren auch sie sich. Ihr Gebiet hat sich seitdem mehr und mehr auf den Westen beschränkt, und gegenwärtig mußt du deine Schritte zu den indianischen Landen lenken und viele hundert Meilen jenseits des Ohiothals durchreisen, der großen Felsenkette entgegen, welche das Rückgrat Nordamerika’s bildet, bevor du den ,Büffel’ triffst in seiner trotzigen Unabhängigkeit, auf jenen weit ausgedehnten Ebenen, welche sich längs des Fußes der Felsengebirge dahinziehen. Dort kannst du Kenntniß erlangen von dem Leben des Thieres, von den Kämpfen der tapfern Bullen unter sich und von den Kämpfen des Menschen mit dem stolzen Geschöpf.“

Es tönt wie eine Klage zu uns herüber von jedem Reisenden, welcher nur einmal die „Büffelheerden des Westens“ sah, daß dieses gewaltige Thier, das größte Säugethier des nordamerikanischen Festlandes, unaufhaltsam seinem Schicksale entgegengeht, daß das drohende Verhängniß, welches über ihm schwebt, wahrscheinlich noch schneller sich erfüllen wird, als wir fürchten. Schon gegenwärtig sind die Büffelheerden nicht entfernt mehr das, was sie waren. Zwar durchstampfen noch Tausende und Abertausende von ihnen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 564. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_564.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)