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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Am nächsten Morgen sendet er einen Boten nach Rom, an den Kaiser Nerva, mit einem Schreiben des Inhaltes: „Herr! Ich habe zu Athen einen Schatz gefunden. Befiehl in Gnaden, was Dein Knecht damit beginne.“

Der Kaiser antwortete kurz und kaiserlich: „Brauch’ ihn.“

Herodes, der inzwischen die Größe des Schatzes näher kennen gelernt und ihn unerschöpflich gefunden hatte, glaubte sich bei dieser Antwort noch nicht beruhigen zu dürfen. Er schrieb abermals an den Kaiser: „Herr! Der Schatz ist unermeßlich. Sende in Gnaden Deine Befehle.“

Der Kaiser antwortete: „Mißbrauch’ ihn.“

Da glaubte Herodes seiner Pflicht genügt zu haben. Er wurde der Wohlthäter seiner neuen Heimath. An der Stelle, wo er den Schatz gefunden hatte, an der Südwestseite der Akropolis, ließ er das jetzt wieder ausgegrabene sogenannte Theater des Herodes Atticus aufführen; für sich selbst aber erbaute er in Athen einen herrlichen Wohnsitz und zu Kephissia, zwei Meilen davon, einen Sommerpalast. Die Athener jedoch ertheilten ihrem Wohlthäter den Beinamen Atticus und errichteten ihm ein Denkmal, von dem noch Spuren vorhanden sind.

Als wir in die Stadt hineinfuhren, begegneten wir bereits Soldaten, die nach Daphne hinausmarschirten. Wir säumten daher nicht, ihnen bald nachzufolgen. Zuerst führte der staubige Weg durch unangebautes, ödes Land. Als wir auf jegliche Vegetation zu verzichten anfingen, zeigten sich einige alte, melancholische Oelbäume. Endlich wurden wir durch den Anblick des botanischen Gartens erquickt, einer schattigen Oase in der grauen Wüste. Bald hinter dieser hob sich der Weg zu einem Bergrücken empor, von dem aus wir ein verfallenes Gemäuer, von einem ziemlich ausgedehnten Walde umgeben, erblickten. Es war das alte Frauenkloster Daphne, errichtet auf den Trümmern eines Tempels des daphnischen Apollo. Von ihm her ertönte verworrene Musik, Gesang und Jubelgeschrei; es waren die Soldaten, welche im Walde rechts vom Wege an langen, improvisirten Tischen aßen und tranken.

Bald war das kleine Gasthaus neben dem Kloster erreicht. Wir ließen uns Rachat Lukum (zu deutsch: Mund voll Glück), eine aus feinem Mehl, Zucker und Fruchtsaft bereitete und in Würfelform gebrachte türkische Leckerei geben, die wir – wie alle türkische Leckereien – vor Uebersüßigkeit fast nicht genießen konnten. Substantieller nährten sich die Soldaten; aber wir beneideten sie weder um ihre griechische Kost, noch um ihren harzigen, nach dem Bocksschlauch schmeckenden Wein. Der junge König war nicht persönlich, sondern nur in einer Gypsbüste anwesend, die auf einem von Zweigen errichteten Postament an dem oberen Ende der Tafel prangte. Die Soldaten wurden nicht müde, auf seine Gesundheit zu trinken. Einer derselben, welcher die Aufrichtigkeit seiner Gefühle besonders an den Tag legen wollte, ergriff ein an der Erde liegendes Weinfaß, führte es mit herkulischer Kraft an den Mund und that unter dem rauschenden Beifall seiner Cameraden einen langen Zug aus dem Spuntloch. Ein anderer Soldat, um ihn zu überbieten, sprang auf, hob die Büste des Königs von ihrem Postament und bedeckte sie mit Küssen.

Unsere Weiterfahrt, die vor Anbruch der Dämmerung beendet sein mußte, führte in der That durch eine wie für Raubanfälle gemachte Gegend, nämlich durch einen Wald mit unzähligen bemoosten Felsblöcken, die Gelegenheit zum Hinterhalt boten, und so steil bergan, daß Schritt gefahren werden mußte. Aber im Bereich der Stimmen der jubelnden Soldaten, die jetzt sogar anfingen ihre Gewehre abzuschießen, fürchteten wir nichts. Auch zeigte unser Kutscher unter den obwaltenden Umständen eine große „Courage“ und sagte wiederholt: „sie möchten nur kommen, er fürchte sich vor dem Lumpengesindel nicht.“

Als wir die Höhe erstiegen hatten, erblickten wir das Meer, und zwar den blauen Golf von Aegina. Zur Rechten an seinem Gestade zeigte sich Eleusis, zur Linken die Insel Salamis; hinter dem Golf aber stiegen die Höhenzüge von Megara bis nach Korinth und dem Golf von Lepanto in einer Beleuchtung, Durchsichtigkeit und in einem Dufte empor, wie sie nur einem Maiabende in Griechenland eigen sind. Deutlich markirte sich der Hügel, auf welchem Xerxes vor der Schlacht bei Salamis seinen Thron errichten ließ, um von ihm aus mit anzusehen, wie Themistokles im saronischen Busen der Insel mit 380 griechischen Schiffen die aus 2000 Fahrzeugen bestehende persische Flotte in die Flucht schlug. Die Beute war unermeßlich. Zu dem Siege gesellte sich für die Griechen ein zweites Glück: es fand sich ein Perikles, der die Beute mit Hülfe eines Phidias zum Ruhme Athens verwendete.

Wir wollten uns mit der Aussicht – der großartigsten und schönsten, die uns in Griechenland zu Theil geworden – begnügen, der muthige Kutscher bestand aber darauf, uns bis zum Meeresstrande hinab und wo möglich bis nach Eleusis selbst zu fahren. Wir ließen ihn gewähren, kehrten aber bald um, ohne Eleusis erreicht zu haben, da die Dämmerung anbrach und die Feldarbeiter, welche das hier im Mai bereits reife Getreide den Tag über gemäht hatten, die Fluren verließen.

Ohne den geringsten Unfall, nur von den Wagen dann und wann behindert, welche die zu dem Militär-Schmause hinausgeschafften Utensilien nach der Stadt zurückbrachten, erreichten wir unser Hotel.




Eine Felsencolonie deutscher Winzer in Ungarn.

Die zehn Minuten der Ueberfahrt von Pesth nach Ofen sind im Strome verrauscht. Wir steigen an das Ufer der Stadt mit ihren krummen Berggäßchen, mit ihren Hütten und freundlichen Landhäusern. Ein jüdischer Wagenbesitzer bietet sich zu einer Fahrt an. Wir schließen den üblichen Handel ab, besteigen das Fragment von Kutsche und fahren dem Thore zu, das uns in’s Freie führen soll. Immer kleiner werden die Häuser und immer origineller die Schilder der zahllosen Wirthshäuser. Hier zum rothen Ochsen, dort zum grünen Esel. Eine Hebamme benutzt ein altes Muttergottesbild als Firma für ihre Function, und jene Kneipe, die mit einem bunten Ungeheuer bemalt ist, heißt „zum polnischen Freiwilligen“. Jetzt kommen wir an den letzten Häusern vorüber. Hier lehnt der bärtige Pandur in bunt beschnürter Uniform lässig am Schlagbaum, und drüben lungern die Finanzler vor ihrer Wachtstube umher. Endlich sind wir im Freien.

Vor unsern Blicken breitet sich die herrlichste Landschaft aus. Links die Donau, die sich gerade hier theilt, um die große Csepel-Insel zu bilden, die neun Dörfer und einen Marktflecken umfaßt. Rechts, unmittelbar neben uns aufsteigend, liegt das liebliche Ofner Gebirge mit seinen Weinbergen und Villen, und in der Mitte an den felsigen Ausläufern des Gebirges zeigt sich, noch eine ziemliche Strecke vor uns, das Dorf Promontor.

Hier ist das Ziel unseres heutigen Ausfluges, das wir auf der ziemlich geraden Chaussee, auf welcher städtische Fuhrwerke mit Kutschern in reicher Nationaltracht, Bauernwagen von den kleinen ungarischen Pferden gezogen, große Heerden weißer Ochsen und die hier unvermeidliche wandernde Zigeunerbande den Staffagenreichthum lebender Bilder boten, nach manchem schweren Augenblick unseres müden Magyarenrosses erreichten.

Schon beim Anblick der ersten Häuser des Dorfes leuchten uns aus den blitzenden Fenstern mit ihren Blumentöpfen deutsche Sitte und deutsche Gemüthlichkeit entgegen. Dafür befinden wir uns auch in einem deutschen oder, wie der Ungar sagt, in einem schwäbischen Dorfe, wie es deren so viele in Ungarn giebt, und wie es sich sogleich durch das Deutsch kennzeichnet, mit dem man zu uns spricht, freilich einen Dialekt, der verstanden sein will, aber doch Deutsch.

Vor einem freundlichen Gasthofe machten wir Halt, bedeuteten unsern Kutscher, hier zu warten und derzeit eine Halbe Wein zu trinken, und erkundigten uns nach dem Wege zu den Felsencolonien. Da erhob sich aus den Gruppen von Gästen ein runder behäbiger alter Mann und bot sich uns zur Begleitung an, was wir natürlich mit Dank annahmen.

Wir waren hinter dem herrschaftlichen Gute einen steilen Weg hinangestiegen, den wir uns durch Unterhaltung verkürzten. Plötzlich standen wir vor dem modernen Wunder, das wir schauen wollten. Mitten zwischen den Weinbergen empfängt uns ein Felsenthor, wir durchschreiten es, und vor uns öffnet sich der Eingang

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 635. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_635.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)