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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Eine freiwillige Feuerwehr muß ganz besonders die oben genannten Eigenschaften an die Spitze stellen, wenn sie mit Ehren bestehen und ihre Schuldigkeit erfüllen will. Von ihr fordert man strenge Beobachtung der selbstgeschaffenen Gesetze, und jemehr sie die schwere Tugend übt, sich den unbedingt nöthigen, in gleicher Weise entstandenen Disciplinarbestimmungen zu unterwerfen, desto tüchtiger wird sie sein, desto geachteter wird sie dastehen.

Wird aber durch so organisirte Genossenschaften nicht ein gut Stück Selbstregierung gewonnen und das freie Bürgerthum damit zugleich gekräftigt? Dies kann sicher nicht geleugnet werden. Deshalb ist sie auch die Schule des Gemeinsinns zu nennen. Schaffe man nur recht viele solcher Genossenschaften, sie sind die Bausteine eines kräftigen und freien Gemeinde- wie Staatslebens.

Die Feuerwehrbewegung hat namentlich in den Turnvereinen Grund und Boden gefunden, und wir können wohl die Zahl der Turnerfeuerwehrmänner in ganz Deutschland auf mindestens zwanzig Tausend veranschlagen. Dies ist sicherlich ein erfreulicher Beweis von der Thatkraft, welche das Turnen in dem Einzelnen erzeugt, und es ist sehr wünschenswerth, daß diese Bewegung sich nicht nur mehr und mehr ausbreite, sondern auch von allen Seiten die nöthige Unterstützung finde.

Jetzt, verehrte Leser, prüfen Sie das Gesagte, und wenn Sie von der Wahrheit desselben überzeugt sind, wie wir es hoffen, so treten Sie, falls es überhaupt noch nicht geschehen sein sollte, schleunigst in die edle Zunft der Feuerlöscher. Schaffen Sie sich Helm und Blouse an und werden Sie tüchtige Leute „bei der Spritze“! Durch dieses Vorgehen werden Sie nicht nur die dringliche Feuerwehrfrage erledigen, sondern auch die Lösung der deutschen Frage wird dann, und wir meinen dies ganz im Ernste, wesentlich gefördert werden.

O. Faber. 




Das Sanct Martinsfest am Rhein.

Der Zufall wollte es, daß ich am 10. November mit eintretender Dunkelheit zu Coblenz den Eisenbahnzug bestieg, um nach Köln zurückzufahren. Als wir die Brücke über die Mosel passirt hatten, gewahrte ich an der Ecke der Landzunge, von welcher der lotharingische Fluß sich in den Rhein ergießt, ein mächtiges Feuer, um das sich eine Menge von kleinen Flammen springend und hüpfend bewegte, so daß das Ganze einen wunderlichen gespensterhaften Eindruck gewährte. Ich wußte mir die seltsame Erscheinung nicht zu erklären und hatte sie auch schon fast wieder vergessen, als sich auf dem weitern Verlauf der Fahrt durch die breitgestreckten Gefilde des sogenannten Neuwieder Beckens, wie man diese Ausbuchtung zu beiden Ufern des Stromes zwischen dem rechtsseitigen Westerwald und dem linksseitigen Maifeld, einer Partie der Eifel, nennt, an verschiedenen Orten dieselbe Scene wiederholte. Sowohl an den fernen Bergen wie in der Ebene erschienen nämlich ganz ähnliche größere Feuer, die von kleinen zuckenden Flammen umtanzt wurden.

Was hatten denn diese Freudenzeichen zu bedeuten? Ich dachte nach und fand die Lösung auf der Stelle. Am 11. November feiert die katholische Kirche das Fest des heiligen Martin. Heute war der Vorabend des Festes. Mit einem Male kamen mir die alten Angedenken der Jugend zurück. Ich erinnerte mich der Zeit, wo ich noch ein kleiner Knabe war und mit andern Knaben in den niederrheinischen Flächen zu Bergheim am Erft in die Schule ging und spielte und mich ganz besonders auf diesen Tag freute. Die Jugend wurde dann überaus lebendig in dem kleinen Städtchen. Irgend ein munterer kleiner Bursche, der zugleich ein keckes Mundwerk haben mußte, erschien mit Strohbüscheln umwunden und von seinen Genossen umgeben in der Straße. Diese Gestalt hieß das Martinsmännchen. Lärmend und schreiend begab sich darauf die lustige Schaar von einem Haus zum andern, klopfte an jede Thür und heischte Holz- und Strohbündel, die man auch nirgend zu weigern pflegte. Die hierbei übliche Ansprache hieß: „Gebt doch dem armen Martinsmännchen, Schuck, wie kalt!“ Die gesammelten Brennmaterialien wurden nun mitgeschleppt und waren zuletzt so reichlich, daß keiner mehr etwas tragen konnte. So ging es zum Thor hinaus auf einen hochgelegenen Platz im Felde. Das Holz wurde auf einen hohen Haufen geschichtet, das Stroh wurde an Stangen gebunden und zu Fackeln bearbeitet. Sobald aber die Nacht eintrat, zündete man ein Feuer an, dessen Flammen hoch in die Luft flatterten, und um dieses Feuer tanzte die Jugend mit ihren angesteckten Fackeln einen wilden phantastischen Tanz, indem sie zugleich wilde Lieder durch das weite Dunkel erschallen ließ. Diese Scene dauerte so lange, wie das Feuer hielt. Dann ging die junge Schaar nach Hause und hatte einen überaus vergnügten Tag gehabt, dessen Erinnerung sie in den stillen Betten ausschlief.

Als ich später das Gymnasium in Düsseldorf besuchte, fand ich noch das Fest wieder, aber es hatte hier eine ganz andere Gestalt angenommen. Die ländliche Feier war offenbar in eine städtische umgeschaffen worden. Wenn man nämlich am Martinsabend hinaus auf die Straße geht, so findet man in derselben fast die ganze Jugend in fröhlichem Auf- und Abwandern. In jeder Hand aber befindet sich ein ausgehöhlter Kürbis, der in einigen Bindfäden hängt und in dessen Innern eine kleine brennende Kerze steht, welche die Wände, aus denen allerlei Figuren ausgeschnitten sind, erhellt und, je nach der Farbe der Frucht, ein grünes, gelbes oder rothes Licht ausstrahlt. Die Kinder singen dabei in eintöniger Melodie folgendes Lied:

Sanct Märten, Sanct Märten,
Die Kalver (Kälber) han lang’ Sterten (Schwänze),
Die Jonge kriege Rabaue (Aepfel),
Die Weiter (Wichter, Mädchen) welln mer haue,
Die Jonge kriege gebackene Fesch,
Die Weiter werfe mer onger den Desch.

Darauf gehen die Kleinen nach Hause und beschließen den Tag, indem sie „über das Kerzchen (d. h. den Kürbis) springen“ und Aefel und Nüsse verzehren. Es muß noch dabei bemerkt werden, daß die Mädchen den ebenerwähnten Vers anders singen und ihn gegen die Knaben wenden, denen sie Prügel androhen und die sie unter den Tisch werfen wollen. Jedenfalls ist aber dieses Fest in seiner äußern Erscheinung allerliebst. So hat es denn auch manche der besten Düsseldorfer Maler zu Darstellungen aller Art angeregt. Vielleicht sind dem einen oder andern Leser davon die Bilder zu Gesicht gekommen, die Adolf Schrödter, Alfred Rethel, Eduard Geselschap und Ludwig Knaus dem Düsseldorfer Sanct Martinsabend gewidmet haben.

In Bonn fand ich während meiner Studienjahre die Feier wieder. Sie hatte indeß in der Gegend des Siebengebirges jene Form, unter welcher ich sie in meiner frühesten Jugend kannte. Wir versäumten es damals nicht, am Martinsabend auf den alten Zoll hinauszugehen und die hellen Freudenfeuer der Jugend aller jener Dörfer aus der Ferne anzuschauen, welche sich längs des Siebengebirges und der Vorhügel der rheinischen Höhen erstrecken. Da zuckten denn überall die Flammen empor, um dieselben übersprangen die dunkeln Gestalten mit ihren Strohfackeln, und es erklangen jene Lieder, die mein Freund und Meister, der treffliche Karl Simrock, besonders gesammelt hat.

Und woher stammt nun diese Feier? Wollte man ihren Ursprung in der katholischen Kirche suchen, so würde man sich sehr irren. Es ist bekannt, daß der christliche Cultus seine Feste den Festen aller Naturvölker angepaßt und sie so zu sagen in dieselben hineingeschmiegt hat. Alle alten Feste sind Producte der Natur, es sind Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterfeste. Die Kirche hat sehr wohl gethan, sie mit Heiligenfesten zu identificiren. Darüber ist ihr Ursprung aber nie verloren gegangen. Ostern entspricht dem Frühling, Pfingsten dem Sommer, Sanct Michael und Martin dem Herbste, Weihnachten dem Winter. Diese Vergleiche könnten noch weiter ausgeführt werden. Ich muß indeß hier auf die Forschungen unserer deutschen Mythologen verweisen. Jedenfalls ist auf die christlichen Feste viel von der alten heidnischen Feierlichkeit übergegangen. Und so ist auch das Martinsfest ohne Zweifel aus dem deutschen Heidenthum auf uns gekommen.

Mit dem Martinstage begann wahrscheinlich bei unsern altdeutschen Ahnen der Winter. Der Kreislauf des Jahres war vollendet. Die letzten Früchte lagen in der Scheune, der Wein, wenn sie nämlich schon Reben bauten, lag im Keller. Da war es schon der Mühe werth, den Abschluß der Feldarbeiten und den Beginn

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 734. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_734.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)