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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Besitzer des Oberhofs heißt und schreibt sich „Oberhöfer“, der Besitzer des Nordhofs heißt und schreibt sich „Nordhöfer“, und alle Die, welche vor ihnen den Oberhof oder den Nordhof besaßen, haben so geheißen und sich so geschrieben. Und wenn der Oberhöfer vom Oberhof wegziehen und den Westhof kaufen sollte, so heißt und schreibt er sich von Stund’ an „Westhöfer“ und sein Nachfolger auf dem Oberhof führt von da ab dessen früheren Namen. Der Einzelhof ist das wirkliche Bild im Kleinen von einem ackerbautreibenden Staat und wird es wohl auch noch lange Zeit bleiben.

Wir sind zu Ende. Die Ausführungen, die ich, vorzugsweise nach den vortrefflichen Abhandlungen Landau’s, gegeben, tragen, wie diese selbst, das Gepräge einer nothwendigen Unfertigkeit und können, weit entfernt einen wissenschaftlichen Abschluß zu bieten, eigentlich nur als die Anfänge einer gründlichen, streng methodischen Untersuchung gelten. Aber klar und bestimmt erkennen wir bereits, daß die vollständige und auffallende Verschiedenheit des fränkischen, sächsischen und thüringischen Hausbaues und der deutschen und thüringischen Dorfanlage im Gegensatz sowohl unter sich, als zu dem räthselhaften nordwestphälischen Einzelhof, nicht auf zufälliger und willkürlicher Laune der ersten Ansiedler, sondern auf tief im Volksleben, in Stammes- und nationaler Verschiedenheit begründeten Ursachen beruhen müssen. Dafür bürgt sowohl das Zusammenfallen dieser grundverschiedenen Bauarten mit den aus anderen Quellen uns bekannten Grenzen der einzelnen Volksstämme[WS 1] im Allgemeinen, als die ungeheuere Zähigkeit dieser Bauweisen auch unter später veränderten politischen Verhältnissen. Fast ein Jahrtausend ist es her, daß die fränkischen Hessen den angrenzenden sächsischen Stamm der Cherusker unterwarfen und das sächsische Hessen demselben Staat wie das fränkische Hessen angehört, und doch fällt noch heute die Grenze des sächsischen Hausbaues mit der alten Stammesgrenze genau zusammen. Gegenüber solchen Beweisen einer allen Einflüssen der Zeit trotzenden Stetigkeit ist es daher nicht zu viel gewagt, wenn man an der Hand derselben den Versuch macht, die vergangenen Jahrtausende jetzt noch zu zwingen, ihren stummen Mund zu öffnen und dem heute lebenden Geschlecht Zeugniß abzulegen von dem Kampf und Streit, dem Weben und Leben der Menschen, die nur sie gesehen. Das aber ist keine müßige Neugier. Je tiefer unser Blick hinabdringt in das Dunkel der Vergangenheit, um so schärfer und besser verstehen wir unsere eigene Gegenwart; ja das Volk spricht sich selbst das Recht auf eine Zukunft ab, das die Quellen seiner Geschichte verschüttet liegen läßt und es versäumt, an dem Leben und Treiben seiner Vorfahren, auch der ältesten Zeit, sich zu bespiegeln und zu erfrischen. Vergessen wir es nicht, daß mit dem Beginn des Studiums unserer alten Sprache und unserer nationalen Alterthümer auch unser selbstbewußtes nationales Leben wieder begonnen hat und daß dies kein Zufall war, sondern die lebendigste Wechselwirkung. Aber Eile thut hier Noth. Die heutige Zeit mit ihren Dampfpflügen und Dreschmaschinen, mit ihren Verkoppelungen und ihrer Auflösung der alten unwirthschaftlichen Flurordnung räumt in raschem Flug einen dieser alten werthvollen Zeugen nach dem andern hinweg. Unser Hausbau wird ein anderer, die alte Bauweise und Dorfanlage weicht mehr und mehr den heutigen veränderten Bedürfnissen. Zu säumen ist da nicht länger, und deshalb sei hier das echt nationale Werk von Georg Landau der allseitigsten Unterstützung dringend empfohlen.




Cypressenzweig

auf das Grab des englischen Humoristen John Leech,
vom deutschen Humor.[1]

Armer John – an Deinem Grabe stehen auch Deine deutschen Collegen, in der Gestalt einer Trauerweide – denn unsere Haare sind zu Trauerzweigen geworden und senken sich über Dein schlichtes Kreuz. Neidlos blicken wir auf Deinen Ruhm, neidlos auf Deinen Witz, auf Deine Hechtnatur, die in den faulen Karpfenteich des Lebens Bewegung brachte. Wir gedenken Deiner Fuchsjäger und Angler, die Dein scharfgespitzter Griffel schuf, Deiner Ladies, der schönen und der abgelagerten, Deiner Blaustrümpfe, Deiner Gentlemen, Deiner „Freiwilligen“, Deiner Sportsmen, Deiner „Flunkeiana“ und des unsterblichen „Mr. Briggs“, dieser Krone alles englischen Spleens. – Auch Master Punch, dessen Hauptzierde Du warst, sitzt trauernd auf Deinem Grabe. Er hat sein lustiges Polichinel-Costüm abgelegt und ist nur noch ein alter bekümmerter Mann. – Lebewohl, lustiger John, Du „Bursch von unendlichem Gemüth“! Wir setzten Dir dies kleine Denkmal in Deinem Sinne, mit einem nassen und einem heitern Auge, denn nachdem Du die ersten bangen Todesahnungen überstanden, hast Du gewiß in Deinem letzten Stündlein gelächelt – diese miserable Welt verlassen zu müssen.

H. Kg. 


  1. Das deutsche Nationalgefühl, welches besonders in letzter Zeit vom stolzen England herausgefordert wurde und nicht ermangelte, in Wort und Bild Wiedervergeltung zu üben, ist vorurtheilsfrei genug, um den Guten und Besten jenes Landes die gebührende Anerkennung nicht vorzuenthalten. Thackeray, den großen humoristischen Schriftsteller, der vor Kurzem ebenfalls aus der Reihe der Lebenden schied, setzten wir bereits in diesen Blättern ein Denkmal der Liebe und Bewunderung, wie es dem Genius gebührt, möge aus diesem oder jenem Winkel der Erde sein Licht strahlen. – Jetzt gilt es John Leech, dem berühmten Humoristen und Satiriker, der mit seinem nie rastenden Griffel in dem weltbekannten englischen Witzblatte, dem Punch, dessen Hauptzeichner er war, seit einer Reihe von Jahren die Sitten und Gewohnheiten seines Volks mit einer Schärfe, mit einer Unparteilichkeit und Unerbittlichkeit geißelte, wie kaum ein Anderer vor ihm. Hogarth schilderte uns das alte – Leech das moderne London in hundert und aber hundert Persönlichkeiten und Situationen, so daß selbst der Ausländer von dem Treiben, von den Originalen der ungeheuern Weltstadt das treueste Abbild erhielt. Er war ein Maler seiner Zeit, seines Zeitgeistes – seine Skizzen, ausgestattet mit einer Fülle des köstlichsten Humors, sind Epoche machend und werden die Freude Aller bleiben, welche Sinn und Empfänglichkeit haben für die Spenden wahren Humors.




  1. Vorlage: Volsstämme
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 780. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_780.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2021)