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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Ein Denkmal deutscher Eintracht in der Fremde.


Die Millionen von Deutschlands Söhnen und Töchtern, welche in den Vereinigten Staaten von Amerika eine neue Heimath gefunden, haben den germanischen Sitten und Bräuchen schon sehr weite Kreise gewonnen; unsere Volksfeste in ihrer biederen deutschen Gemüthlichkeit machen ungeheuere Propaganda und gleich Pionieren lichten sie täglich mehr die Urwälder amerikanischer Vorurtheile. Schon nimmt die deutsche Presse Amerikas eine imponirende Stellung ein, schon lächeln die Musen mit Wohlgefallen auf ihre deutschen Jünger in den Gauen Amerikas und in den bildenden Künsten sucht der edlere Geschmack nach deutschen Vorbildern; dennoch war es den Deutschen auf amerikanischem Boden noch nicht gelungen, für großartige, gemeinsame deutsche Unternehmungen eine Stätte zu finden. Noch vor einem Jahre konnten wir nicht auf deutsche Universitäten, deutsche Hospitäler, deutsche Kunsthallen in Amerika hinweisen. Da, mitten im Bürgerkriege bricht das

Aeußere Ansicht des Concordia-Hauses in Baltimore.

Eis, und Baltimore in Maryland hat die Ehre und die Mitglieder der dort bestehenden deutschen Gesellschaft Concordia haben das Verdienst, der deutschen Kunst den ersten Tempel gebaut zu haben. Einige Hunderte von Deutschen reichen sich die Hände, Männer aus allen Ständen, arm und reich, jung und alt, Frauen und Mädchen eilen herbei, um ihre Gaben auf dem Altar deutscher Bildung und Gemüthlichkeit niederzulegen. Und jetzt steht es vollendet das neue Concordiahaus, ein wahrer Prachtbau, errichtet von deutschen Arbeitern, verziert von deutschen Künstlern, besungen von deutschen Dichtern, ein Denkmal deutschen Sinnes und deutscher Einigkeit.

Imposant sind die Umrisse des Baus, schön ist seine Außenseite, doch die Großartigkeit ihrer äußeren Erscheinung ist noch übertroffen von der Zweckmäßigkeit und Pracht des Innern. In diesem Sinne ist das Souterrain für die Kegelbahnen, die Dampfheizungsapparate, die Kohlen- und Speisebehälter, die Wein- und Bierkeller und für die Wohnzimmer der Aufseher und Diener verwendet. Die untere Etage enthält in zweckmäßiger Vertheilung die eigentlichen Clubräume: in der Mitte einen fünfzehn Fuß breiten Corridor durch die ganze Tiefe des Gebäudes, rechts den großen Speisesaal, die Restauration und das Buffet, links das Lesezimmer, die Bibliothek, den Conversationssaal und das Spiel- und Billardzimmer. Oelgemälde an den Wänden, Teppiche oder eingelegte Fußböden und reiche Gasbeleuchtung zieren jedes Gemach. Ausgezeichnete Ventilation, Luftheizung, elegante Wasserleitungen sorgen für die Gesundheit, Armstühle und Sophas und andere Einrichtungsstücke von massivem Nußbaum nach dem neuesten Geschmacke für die Bequemlichkeit, während kostbare Spiegel und reiche Silber- und Porcellanservice den Wohlstand des Vereins anzeigen, ohne den Charakter übermüthigen Luxus zur Schau zu tragen. Für Alles ist gesorgt, wonach sich der Geschäftsmann sehnt, wenn er sich von der Last des Tages erholen will, ehe er sich in seinen Familienkreis zurückzieht. Auf einem Mosaikboden betritt man die Vorhalle; Fresken fesseln das Auge an den Wänden des Stiegenhauses, in dessen Mitte die massive eiserne Treppe emporsteigt. Weiche Matten dämpfen den Schall der Schritte in dem oberen Vestibul von wo aus der hohe, breite Haupteingang dem staunenden Auge die Dimensionen der Kunst-Halle vorführt, eines Theatersaals, in welchem mehr als zweitausend Personen auf den eleganten Stühlen und Sophas Platz finden.

Die Decke dieses Saals in ihren Arabesken, Schnitzarbeiten und anderen Verzierungen übertrifft Alles, was Amerika in seinen schönsten Bauten aufzuweisen hat. Vierzehn Brustbilder von Holz in Hautrelief, Koryphäen der verschiedenen Kunstzweige: Mozart, Haydn, Meyerbeer, Lachner, Lessing, Molière, Händel, Geoffrey Chaucer, Beethoven, Albrecht Dürer, Milton, Tasso, Hans Sachs und Peter Vischer[1] darstellend, bedecken in reizender Abwechselung mit geschmackvollem, symbolischem Schnitzwerk ringsherum die Façade der Galerie. An den Seitenwänden stellt gediegene Freskomalerei die lebensgroßen Statuen von Goethe, Schiller, Michael Angelo und Shakespeare in Nischen dar. In der Mitte der Halle schwebt ein prachtvoller Kronleuchter mit sechszig Gasflammen und rings um das Parterre und die Galerie in doppelter Reihe hängen zwanzig kleinere Candelaber, jeder mit sechs Flammen, so daß die volle Beleuchtung des Saales und der Bühne über dreihundert Gasflammen zählt. Die Bühne selbst kann zwar in Ausdehnung nicht mit den größeren Bühnen Deutschlands verglichen werden, doch übertrifft sie darin alle Bühnen Baltimores, und was den Geschmack der Decorationen und die Zweckmäßigkeit der Maschinerien betrifft, steht sie bei Weitem über dem Range eines Privattheaters.

Am 7. September 1864 wurde der Grundstein gelegt zu diesem schönen Bau und am 10. September 1865 begannen die Einweihungsfestlichkeiten, welche in sinnreicher Folgenreihe während einer ganzen Woche Genüsse der gediegensten Art boten und, da sie in ihrer Würde und echt deutschen Auffassung die volle Tragweite des Unternehmens bekunden, eine Schilderung in der Gartenlaube verdienen.

Der erste Abend war ausschließlich den Mitgliedern des Vereins gewidmet, damit sie, die Schöpfer, ungestört in traulicher Weise sich ihres schönen Werkes freuen sollten. Viele von diesen sahen jetzt zum ersten Male ihr eigenes Meisterstück in seiner Vollendung, und freudeglühend strömten die Festgenossen in den herrlich geschmückten Saal. Herzliches Händedrücken der Männer, freundliches Nicken der Damen verriethen das Vergnügen über den herrlichen Erfolg ihres Strebens. Ein vortreffliches deutsches Orchester, geleitet von dem deutschen Tonkünstler Professor Rose, eröffnete das Fest; deutsche Lieder, vorgetragen von den musikalischen Kräften des Vereins und dirigirt von dem tüchtigen deutschen Componisten Professor Lenschow, folgten in vorzüglicher Ausführung. In der Zwischenzeit hatte sieh das Damencomité des Vereins in reizender Gruppe um eine gigantische schwarz-roth-goldene Fahne auf der Bühne versammelt, die von ihnen dem Vereine als Ehrengabe überreicht werden sollte. Der Präsident Herr G. W. Nödel begab sich mit den Directoren und Beamten der Gesellschaft zu diesem Zwecke auch auf die Bühne und als die Musik verstummte, trat Frau Bissing, die Vorsteherin des Damen-Ausschusses, vor den Präsidenten mit einer

  1. Wo bleiben Carl Maria von Weber, wo Gluck und Mendelssohn-Bartholdy?
    Die Redaction.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_076.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)