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Glasgefäße hinweisen, die, hier gefunden, mit ähnlichen Darstellungen verziert sind.

Einen großen Triumph erregte es in Rom, als man vor einiger Zeit in der Katakombe von Sta. Agnese ein sehr zerstörtes Bild entdeckte, das eine Frauengestalt mit einem Kinde zeigte. So hatte man denn endlich in diesen unterirdischen Grabesstätten das Palladium der katholischen Kirche, die Madonna, gefunden, und vierzig blasirte Engländer ließen sich durch dies Factum sofort bewegen, vor diesem Bilde in den Schooß der alleinseligmachenden Kirche überzutreten. Uebrigens ist dieses nicht die einzige Darstellung der Maria, wir finden sie häufig in einem Bilde, das die Anbetung der drei Weisen aus dem Morgenlande uns vorführt; andere Bilder, die auf die Madonna von der katholischen Kirche gedeutet worden sind, sind mindestens zweifelhaft. Nur als ihre Verehrung geboten wurde, kehrt sie häufiger wieder, aber sie trägt in dem reichen Goldschmuck des Gewandes und dem Heiligenschein um das Haupt doch schon sehr den Stempel der spätern byzantinischen Kunst.

Mit dem Augenblicke, als das Christenthum, zur Staatsreligion geworden, Kirchen zu bauen und, statt die Decke der Grabkammern, Apsis und Triumphbogen der Basilika zu schmücken begann, hört die Malerei der Katakomben, sowie ihre Bedeutung überhaupt auf. Die künstlerische Ausschmückung dieser Todtenorte legte sich jetzt mehr auf die Sarkophage, deren Bearbeitung in den Zeiten der Verfolgung wegen der größern Umständlichkeit und der Gefahr, die sie mit sich brachte, unmöglich war. Die Darstellungen derselben sind wesentlich dieselben, wie in den Malereien, die Arbeit aber trägt schon die Zeichen des Verfalls der Kunst und ist flüchtig und roh. Auffallend ist das geflissentliche Hervorheben des Jüngers Petrus auf diesen Sarkophagbildwerken; man sieht, es ist schon jener hierarchische Zug in der Kirche erwacht, der, auf den Vorrang des Petrus gegründet, ein Uebergewicht Roms und seines Bischofs über alle andern Bischöfe und Bischofssitze beweisen wollte.

Bis zum fünften Jahrhundert hat man noch in den Katakomben begraben, und Leo der Vierte war der erste römische Bischof, der sich in der Vorhalle von St. Peter bestatten ließ. Wohl hat man noch in den Katakomben gemalt, aber die rührende Naivetät der Darstellungen ist vorüber; die zart verschleierte Symbolik, die das Unsichtbare noch nicht in sichtbarer Gestalt auszudrücken wagte, verwandelt sich in beherrschende Thatsachen. Das sichtbare Oberhaupt der Kirche trat an Stelle des unsichtbaren, feierliche strenge Bischöfe und Heiligengestalten mit ernsten, richterlichen Gesichtern an Stelle der formenschönen Sinnbilder der Auferstehung und des Lebens, und die liebliche Gestalt des guten Hirten verwandelt sich in das medusenartige, greisenhafte Christusantlitz, wie es uns aus den Mosaiken der byzantinischen Zeit starr und gespenstisch entgegenblickt.

Die christliche Kunst in ihrem Altes und Neues versöhnenden Geiste ging zu Grabe, um als kirchliche Kunst streng und fleischtödtend wieder aufzustehen. In dieser Zeit erhielten die Katakomben keine neuen Bewohner mehr, sie sind aber heilige Wallfahrtsstätten noch lange verblieben. Ein neues Geschlecht baute über ihnen die prächtigsten Kirchen des Erdkreises auf, der kleine Nischenbogen des Märtyrergrabes wurde zum Triumphbogen der stolzen Basilika. Die Gebeine der Blutzeugen, die man vor der Beschimpfung mit Mühe barg, wurden hervorgeholt, goldenen Altären erst Würde und Ansehen zu verleihen. Aber nach und nach wurden, wie alles Andere, auch diese Grabstätten vergessen; hin und wieder beklagt sich wohl eine Stimme, daß die Verehrung dieser Stätten abnähme, aber sie blieb doch nur vereinzelt; seit die Gothen, was Werthvolles in ihnen sich vorfand, geraubt und weggeschleppt hatten, verfielen die Katakomben mehr und mehr. Die wenig zugänglichen Reste wurden in Schafställe verwandelt und boten Füchsen und Räubern der Campagna einen willkommenen Schlupfwinkel dar. Und wenn eine Durchforschung und ein Besuch derselben stattfand, so geschah es nur, um die Gebeine der Märtyrer hervorzuholen und sie entweder dieser oder jener Kirche einzuverleiben, oder auch sie zu verkaufen, ein Handel, welcher der Kirche für Jahrhunderte Vortheil versprach.

Erst mit Papst Sixtus dem Fünften erfolgte eine mehr wissenschaftliche Durchforschung der Todtenlager, und eine Reihe von Männern haben sich um dieselbe bis auf unsere Tage größere oder geringere Verdienste erworben. Obenan steht in unserer Zeit der Cavaliere de Rossi, der Präsident der von Papst Pius dem Neunten ernannten Commission für christliche Archäologie, durch den nicht nur eine große Anzahl von Katakomben aufgedeckt sind, sondern auch das wissenschaftliche Material, das darin verborgen, auf das Geistreichste verwerthet worden ist. Durch ihn wurde namentlich das Eine festgestellt, daß die Katakomben nicht, wie man früher wohl meinte, die alten Sandgruben wären, aus denen man das Material zu den städtischen Bauten zog, ebensowenig, wie Andere glaubten, die Gruben, worin man die Sclaven verfaulen ließ, und daß sie, von Mönchen mit Malereien und Inschriften bedeckt, für die Grabstätten der ersten Christen ausgegeben worden wären, sondern daß sie wirklich zu dem Zwecke angelegt worden seien, dem sie dienten, die Ruheplätze zu bilden für die, welche des Lebens Kampf und Leid überwunden.

Vor allen Thoren Roms fast finden sich diese Katakomben. Im Alterthum kannte man deren vierzig, jetzt sind einige zwanzig bekannt; war es doch bei einer Stadt von so ungeheurem Umfang wie Rom von selbst geboten, verschiedene Begräbnißplätze anzulegen. Die fabelhaften Berichte, die früher über diese Todtenstraßen im Umlauf waren, als ob sie ein unterirdisches Netz bildeten, das ganz Rom unterminire und sogar bis Ostia sich erstrecke, bestätigen sich nicht, aber dennoch ist ihre Ausdehnung eine staunenswerthe, wenn man die verhältnißmäßig kurze Zeit bedenkt, die an ihnen gearbeitet, und erwägt, daß man die Bekenner nur eines unterdrückten Glaubens daselbst bestattete. Stammt doch nachweislich das erste Katakombengrab vom Jahre 71, das letzte vom Jahre 410.

Jetzt sind die Katakomben leer, der größte Theil dessen, was sie so interessant und merkwürdig macht an Malereien und Inschriften, ist, um es vor Beschädigung und Beraubung zu schützen, entfernt und in den Räumen des Lateran untergebracht worden. Nur der emsig forschende Gelehrte und der neugierige Fremde betreten noch diese stillen Gänge, und wie früher die Todtengräber beschäftigt waren, die Leichen hier zu bestatten, so sind jetzt Arbeiter thätig, die lange vermoderten Gebeine aus ihrer Ruhe wieder an’s Tageslicht zu ziehen.

Wir verlassen diese nächtlichen Orte, voll Dank gegen den gelehrten Führer, der uns ihre Bedeutung und ihren geschichtlichen Werth begreifen gelehrt hat, voll Verehrung gegen die Abgeschiedenen, an deren Gräbern wir gestanden und in denen der Geist des Christenthums reiner und großartiger sich offenbarte, als jemals später, und steigen wieder zum erquickenden Sonnenlichte empor. War es wirklich heller geworden in der Gemeinde, als sie zum Licht der Sonne aus diesen Stätten sich erhob und zu Macht und Ehre gelangte? Woher der Aberglaube, der, von Herrschsucht künstlich genährt, in jener spätern Zeit um die Gemüther gewoben wurde? Vertrug die der unterirdischen Nacht entstiegene Kirche das Licht der Sonne nicht, sehnte sie sich in das Dunkel zurück, oder gehören am Ende Druck und Kampf dazu, um selbst die höchsten geistigen Güter, sogar die Religion vor Entartung zu schützen?

C. B.     




Die Prophezeihung des Jacques Cazotte.
Von Alfred Meißner.


Die Schicksalstragödie ist verdientermaßen in die Acht erklärt; dessenungeachtet giebt es Geschichten von erfüllten Weissagungen. Manchem schon hat eine Ziffernreihe geträumt, die er setzte und die herauskam, nicht weil er sie geträumt, sondern weil es ja auch im Kreis des Möglichen lag, daß sie gezogen wurde. Solchen Nummerngruppirungen sind die Angaben mancher Prophezeiungen gleichzuachten. Als eine der merkwürdigsten und bestbeglaubigten[1] erscheint mir die des Jacques Cazotte, und ich erzähle sie, nicht nur, weil sie weniger bekannt ist, sondern auch,

  1. V. Laharpe (des Augenzeugen) Olmo d. Jacq. Cazotte p. XXI.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_200.jpg&oldid=- (Version vom 19.1.2020)