Seite:Die Gartenlaube (1866) 256.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Morgen erhielt die Sängerin von Seiten des Gastgeber ein Etui mit einem Paar geschmackvoller Brillantringe zugeschickt, deren Werth sich auf mindestens sechs- bis achttausend Franken belief. Dies Geschenk gefiel ihr wohl recht gut, allein sie beging die große Ungeschicklichkeit, dem splendiden Geber ein Danksagungsbillet zu schreiben, welches sie mit einem kleinen Postscriptum endigte, worin sie erwähnte, der geehrte Herr habe vergessen, ihr die Summe von so und so viel tausend Franken zu übersenden, den gewöhnlichen Preis, wenn sie in einer Gesellschaft singe.

Man kann sich denken, was für ein Gesicht der Mann machte, als er diesen Brief empfing, während er der Meinung war, die Patti müsse vor Freude und Dankbarkeit außer sich sein. Er wußte jedoch die Unbescheidenheit der Sängerin in der klügsten Weise zu bestrafen; er ging zu seinem Juwelier und kaufte ein Paar andere Ohrringe zum Preise von etwa fünfundsiebenzig bis einhundert Thalern, fügte die von der Sängerin beanspruchte Geldsumme hinzu und übergab Alles zusammen seinem Secretair, der sich zu der Dame verfügte und folgende Ansprache an sie richtete:

„Mein Herr erhielt heute früh Ihr geehrtes Schreiben, fand Ihre Reclamation vollständig gerecht und sendet mich nun, sein Vergessen wieder gut zu machen und Sie um Entschuldigung deshalb zu bitten. Hier übergebe ich Ihnen das Geld und ein kleines Geschenk, welches er Sie ersucht, als ein Zeichen seiner Dankbarkeit für das uns gewährte Vergnügen zu betrachten. Aber ich habe gestern leider ein bedauerliches Versehen begangen! Die Diamantohrringe, welche ich Ihnen übergab, waren nicht für Sie bestimmt; es war ein Irrthum von mir, ich sollte sie zu einer anderen Dame tragen. Wollten Sie die Güte haben, mir dieselben zurückzugeben und mir das Mißverständniß zu verzeihen?“

Die Sängerin begriff zu spät ihren Fehler. Sehr verlegen übergab sie dem Secretair die schönen Brillanten, denen sie seufzend nachblickte.

Ein anderes Mal wurde sie zugleich in ihrer Eigenliebe schwer verletzt. Eine russische Fürstin gab eine glänzende Soirée, wobei die Patti singen sollte. Diese sagte zu, bedang sich jedoch den Preis von fünftausend Franken dafür, was die Fürstin auch einging. Dann meinte Meister Strakosch, dies sei am Ende zu wenig verlangt, und auf sein Anrathen schrieb Adeline am Tage vor der Soirée ein Billet an die Fürstin, worin sie ihr meldete, sie sei leider etwas unwohl geworden und werde wohl nicht singen können. Sie war nun fest überzeugt, die Fürstin werde sofort zu ihr eilen und ihr mit inständigen Bitten sechstausend Franken bieten, damit sie nur singe, worauf sie nachgeben wollte. Aber die Sache kam ganz anders. Die Fürstin fuhr nicht zur Patti, sondern zu einer anderen Sängerin, Madame Carvalho, der sie ihr Leid klagte und die sie bat, die Stelle Adeline’s auszufüllen. Madame Carvalho erklärte sich denn auch freundlich hierzu bereit, obgleich die Zeit zur Vorbereitung sehr kurz sei. Sie bat jedoch, ihr nun auch den gleichen Preis zu bewilligen, und fügte mit feinem Lächeln hinzu: „Wären Sie zuerst zu mir gekommen, so hätten Sie es viel wohlfeiler gehabt.“

Als die Patti sah, daß die Fürstin nicht kam, wurde ihr bange; sie schrieb schnell, sie habe sich wieder erholt und wolle am Abend singen. Darauf bekam sie indessen die Antwort, die Fürstin habe nun bereits Madame Carvalho engagirt; wolle sie aber kommen, so werde sie sehr willkommen sein, indes; nur als Gast.

Jetzt weinte die Sängerin vor Zorn und gekränkter Eitelkeit, sie war außer sich; Madame Carvalho sang aber so schön, daß Niemand in der Gesellschaft die Patti vermißte.




Sakit latar. Auf Java existirt eine wunderliche Krankheit, oder vielmehr eine krankhafte Eigenschaft einzelner Eingeborener, die sich besonders unter den Frauen zeigt und Sakit latar oder Latarkrankheit (vielleicht von dem Wort loetar werfen, also Werfkrankheit) genannt wird.

Sie tritt allerdings nicht häufig, und hauptsächlich nur im Innern auf, ist aber deshalb gefährlich, weil man es den davon betroffenen Personen nie ansehen kann, indem das Leiden auf den körperlichen Gesundheitszustand derselben gar keinen Einfluß ausübt.

Die Krankheit selber besteht in einer unwiderstehlichen Neigung der damit Behafteten, irgend eine ihnen vorgemachte rasche Bewegung unverweilt nachzuahmen. Hat z. B. eine Frau diese Krankheit und man wirft in ihrer Nähe einen Stein in’s Wasser, so kann sie sich nicht helfen und muß das Nämliche thun. Steckt man etwas rasch in den Mund, so folgt sie dem Beispiel mit irgend einem Gegenstande, den sie gerade in der Hand hält. Trägt sie irgend etwas, sei es in einem Haus Porcellan, eine Lampe oder sonst etwas, ja sei es selbst ein Kind, und kommt Jemand auf sie zu, der rasch die Bewegung macht, als ob er etwas hinwirft oder aus den Händen fallen läßt, so schleudert auch sie sicher Alles von sich, was sie eben noch so sorgfältig getragen hat. Die eigene Mutter verschont dabei ihr Kind nicht, jede sonst noch so knechtische Ehrfurcht vor Häuptlingen oder Beamten hört auf, und hat der Kranke nicht selber gerade etwas in der Hand, so erfaßt er das erste Beste und wirft es zu Boden.

Es läßt sich denken, daß es schon nicht angenehm sein kann, nur ein mit dieser Krankheit behaftetes Hausmädchen zu haben, denn wenn sie gerade einen Stoß Teller in’s Zimmer bringt und irgend ein Muthwilliger die Bewegung macht, oder selbst der Zufall irgend Jemanden zu einer ähnlichen veranlaßt, so kann man sich auch fest darauf verlassen, daß sie das Porcellan klirrend zu Boden wirft. Gefährlich wird es aber, wenn man ein solches unglückliches Wesen als Kindermädchen in Dienst nimmt, da der Ausbruch der Krankheit eben nur von zufälligen Umständen abhängt.

Manches Unglück ist auch schon dadurch geschehen, aber die Javanischen Gerichte nehmen dabei große Rücksicht auf diese Kranken, und eine Frau, von der es sich herausstellt, daß sie wirklich die Sakit latar hat, wird nie eines angerichteten Unheils wegen bestraft werden.

Ob die Krankheit heilbar ist oder wodurch sie entsteht, weiß man noch nicht einmal; derartige Kranke sind noch zu wenig beobachtet worden, jedenfalls wäre es aber interessant, der Erscheinung weiter nachzuforschen.

Fr. Gerstäcker.




Ein kleines Mißverständniß. Während des letzten Aufenthalts von Abd-el-Kader in Paris im verflossenen Herbst gab Emil von Girardin dem Emir zu Ehren ein Diner, wozu er seine sämmtlichen schriftstellerischen Freunde eingeladen hatte. Im Laufe der Unterhaltung sagte Girardin zu Abd-el-Kader: „Es würde mir Vergnügen machen, wenn Sie meine ‚Zwei Schwestern‘ als Geschenk zum Andenken an den heutigen Tag annehmen wollten!“

Mit den „Zwei Schwestern“ meinte Girardin sein neuestes Drama, welches damals gerade ungemeines Furore machte. Bei der Verdolmetschung des Satzes vergaß man jedoch, dem Emir diese Erklärung dazu zu geben, und so stand Abd-el-Kader auf, kreuzte die Arme über der Brust, verbeugte sich vor seinem Wirth und entgegnete: „Ich werde mich außerordentlich glücklich schätzen, die Damen bei nur aufzunehmen, obgleich mein Harem bereits vollständig gefüllt ist; lassen Sie mich nur erst für eine passende Wohnung Sorge tragen!“

Dieses Quiproquo machte allen Anwesenden ungemein viel Spaß und man erinnerte sich dabei auch gelegentlich einer anderen ergötzlichen Geschichte, welche sich einige Zeit nach des Emirs Gefangennahme während seines Aufenthalts in der französischen Festung zugetragen, die man ihm zum Wohnort angewiesen. Er ließ dort seinen Kindern durch einen französischen Schreiblehrer Unterricht ertheilen, und da er mit dem Lehrer sehr zufrieden war, schenkte er ihm eines Tages zur Belohnung eine seiner Frauen. Der arme Schreiblehrer, der bereits mit einer noch dazu ziemlich xanthippenhaften Gattin versehen war, fühlte sich nicht sehr freudig überrascht von des Emirs Großmuth und hatte unendliche Mühe, ihm begreiflich zu machen, daß er das ihm zugedachte Geschenk nicht annehmen könne, da seine Frau ihn bei der bloßen Erwähnung desselben mit Augenauskratzen und dergleichen bedroht habe.




Berichtigung. Die in Nr. 5 der Gartenlaube Seite 70 vorkommende Bemerkung, daß der bekannte Bischof Dräseke aus einem Schauspieler ein frommer Theologe geworden sei, beruht auf einem Irrthum. Der Bischof Dräseke hat weder jemals die Bühne betreten, noch auch nur die Absicht gehabt, sich der Laufbahn eines ausübenden dramatischen Künstlers zu widmen. Bei aller auch durch Schriften bezeugten Achtung vor diesem Stande gehörte seine Neigung doch von frühester Jugend an dem Berufe, in welchem er so erfolgreich gewirkt hat.

Rodach bei Coburg.

Theodor Dräseke.




Kleiner Briefkasten.


An W. S. Das chinesische Geheimmittel gegen Epilepsie – „Ying-Kuei-tsun“ – ist nichts als eitel Charlatanerie. Wenn dasselbe wie viele andere solche Antiepileptica geholfen haben soll, so ist dies nur scheinbar, weil der Naturheilungsproceß im menschlichen Körper gar nicht selten ganz unvermuthet die Krämpfe verschwinden läßt.

Bock.

J. Z. in Br. Leider Prosa und Poesie unbrauchbar. Der gute Zweck darf die Kritik nicht bestechen.




Supplement-Band
zu allen Ausgaben
von
Bock’s Buch vom gesunden und kranken Menschen.
Zweite, neu durchgesehene und vermehrte Auflage. Eleg. br. Preis 22½ Ngr.

Derselbe enthält in geordneter und zum Theil erweiterter Gestalt die große Anzahl von Gartenlauben-Aufsätzen aus Bock’s Feder, welche in sein „Buch vom gesunden und kranken Menschen“ entweder gar nicht oder nur in sehr kurzem Auszuge aufgenommen sind. Bei der Beliebtheit, welcher sich das letztere, nun schon in 60,000 Exemplaren verbreitete Werk beim Publicum zu erfreuen hat, wird auch dieser Supplement-Band als ergänzender Theil desselben in seiner 2. Auflage sich wieder einer günstigen Aufnahme versehen dürfen. Er erscheint in drei, in monatlichen Zwischenräumen auf einander folgenden Lieferungen von je 5–6 Bogen. Der Subscriptionspreis jeder Lieferung ist nur Ngr. Die erste Lieferung ist bereits erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben.

Die Verlagshandlung von Ernst Keil.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_256.jpg&oldid=- (Version vom 12.1.2020)