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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

No. 19.

1866.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Aus meinem Merkbuche.


Wenn Du kommst, um zu erfreuen,
Wirst Du stets willkommen sein,
Bist Du traurig, bleib’ allein!
Wen’ge zählen zu den Treuen.

5
Trag’ Dein Leiden stumm für Jeden,

Der in’s Innre senkt den Blick.
Laß im Kampf mit Mißgeschick
Deine Thaten für Dich reden.

Sei dem Baum gleich, der, gerüttelt

10
Von des Herbststurms wilder Wucht,

Labend seine reifste Frucht
Aus gebeugtem Haupte schüttelt.

F. Bodenstedt.




Goldelse.
Von E. Marlitt.
(Schluß.)
17.

Während im Zwischenbau auf dem alten Gnadeck Glück und Freude einzogen, ereignete sich ein Fall trauriger Art unten im Thale.

Zwei Lindhofer Bauern, die, mit Fackeln versehen, nach Elisabeth suchten, hörten, als sie von ihrem Dorfe her nach dem Walde zu schritten, vor sich plötzlich ein heftiges Knurren, es klang wie das Knurren eines gereizten Hundes. Nicht weit von ihnen lag eine Gestalt quer über den Weg hingestreckt; ein großer Hund stand daneben und hatte, wie zur Vertheidigung, beide Vorderpfoten auf das am Boden liegende Wesen gestellt. Das Thier wurde wüthend bei Annäherung der Männer, fletschte die Zähne und machte Miene auf sie loszuspringen. Sie wagten sich nicht weiter und liefen in das Dorf zurück, wo sich in demselben Augenblick mehrere Fackelträger zusammenfanden, unter ihnen der Oberförster, der so eben durch Herrn von Walde’s Bedienten erfahren hatte, daß Elisabeth gefunden sei.

Sofort eilten Alle nach der bezeichneten Stelle. Diesmal knurrte der Hund nicht. Er winselte und kroch schwanzwedelnd bis zu den Füßen des Oberförsters; es war Wolf, sein Hofhund, und dort lag, anscheinend leblos, Bertha. Sie blutete aus einer Kopfwunde, und das Gesicht hatte die Blässe des Todes.

Der Oberförster sagte kein Wort. Er vermied es, den mitleidigen Blicken der Umstehenden zu begegnen; in seinen Zügen kämpften Groll und Schmerz. Er hob Bertha vom Boden auf und trug sie in das letzte Haus des Dorfes; es war das Weberhäuschen. Von dort aus schickte er einen Boten nach Sabine. Zum Glück verweilte der Wahlheimer Arzt noch bei einem Patienten im Dorfe. Er wurde herbeigeholt und brachte die Ohnmächtige sehr bald wieder zu sich. Sie erkannte ihn und verlangte nach einem Trunk Wasser. Ihre Wunde war ungefährlich; aber der Arzt schüttelte den Kopf und warf einen seltsamen Blick auf den Oberförster, der mit besorgter Miene seine Manipulationen verfolgte.

Der Doctor war ein gerader Mann von etwas rauhen, derben Manieren. Er trat plötzlich auf den Oberförster zu und sagte ihm mit nicht sehr unterdrückter Stimme einige Worte. Wie von einem tödtlichen Schuß getroffen, taumelte der alte Mann zurück, starrte den Doctor an wie geistesabwesend, und ohne auch nur eine Silbe zu erwidern, ohne einen Blick auf die Kranke zu werfen, schritt er zur Thür hinaus.

„Onkel, Onkel, verzeihe mir!“ schrie das Mädchen mit herzzerreißender Stimme auf, aber er war schon verschwunden in der dunklen Nacht draußen.

Dafür erschien Sabine athemlos auf der Schwelle. Eine Magd folgte ihr und trug ein ungeheures Bündel Bettstücken auf dem Kopfe und einen Handkorb voll Verbandzeug, Erfrischungen und aller möglichen praktischen und nöthigen Dinge am Arme.

„Gott im Himmel, was machen Sie für Streiche, Berthchen?“ rief die Alte mit Thränen in den Augen, als sie das entfärbte Gesicht mit dem Verband über der Stirn auf dem Kissen liegen sah. „Und gerade heute Mittag, wie Sie fortgingen, kamen Sie mir munterer vor; Sie hatten so schöne, rothe Backen.“

Das Mädchen vergrub das Gesicht in das Bett und verfiel in ein convulsivisches Schluchzen.

Der Arzt gab Sabinen einige Verhaltungsmaßregeln, verbot der Kranken streng alles Reden und verließ das Zimmer.

„Nicht sprechen soll ich!“ rief Bertha, indem sie sich im Bett

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_289.jpg&oldid=- (Version vom 10.2.2019)