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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Unter dem Geistertisch.


Taschenspieler pflegen wohl für den letzten Abend ihres Aufenthalts in einer Stadt eine Vorstellung zu geben, in der sie den Zuschauern ihre Kunststücke, freilich nicht alle, erklären. Eine Anwendung im Großen hat diese Sitte durch einen Mann gefunden, der sich durch Geschäfte, die sich meistens als höchst einträgliche Eulenspiegelstreiche bezeichnen lassen, einen Weltruf erworben hat. Barnum, der Erfinder des Meerweibchens und der Amme Washington’s, der Säuglings-Ausstellungen und des Miethens von Künstlern für Wanderconcerte, hat ein Buch der Enthüllungen geschrieben, in welchem er das liebe Publicum unterrichtet, wie es von ihm und Seinesgleichen an der Nase herumgeführt wird. Wir wissen nicht, ob diese Beichte eine Buße ist, die der Zunftälteste der nordamerikanischen Schwindler sich auferlegt hat. Jedenfalls hat Barnum ein ergötzliches und für den Theil der Welt, der nicht selbst betrogen sein will, nützliches Buch geschrieben.

Die Schwindeleien, die von Speculanten erfunden werden, sind in der Regel nur auf den Moment berechnet. Es giebt aber auch dauerhafte Sorten, und nicht gerade zur Ehre des menschlichen Verstandes und Herzens sind dies ohne Ausnahme diejenigen, welche entweder auf die Schlechtigkeit oder auf die Dummheit der Menschen berechnet sind. Es würde nicht ganz leicht sein, einen Schwindel zu nennen, der noch plumper ist, als das Geisterbannen, und doch behauptet sich dieser Schwindel seit achtzehn Jahren und hat sich von seiner nordamerikanischen Heimath über Europa verbreitet. Das Geisterklopfen ist zu einem Gewerbe geworden, das besonders in Palästen sein Brod sucht und sogar von den Tuilerien einen Tribut erhoben haben soll.

Die Töchter eines gewissen Fox zu Hydesville im Staate New-York sind die Erfinderinnen des Geisterklopfens. Sie wußten mit den Gelenken der Zehen und der Kniee knackende Töne hervorzubringen, deren Ursprung für Jedermann ein Räthsel war. Ein besonders heller Kopf kam auf die Vermuthung, daß dieses Knacken ein Geisterklopfen sei, und verlangte eine Probe. „Bist du ein Geist, der du diese Töne hervorbringst, so klopfe dreimal,“ rief er, und es klopfte drei Mal. Das Aufsehen war ein ungeheures und die Misses Fox begriffen, daß sie viel Geld verdienen könnten, wenn sie sich zu Mittlerinnen (Mediums) eines Verkehrs der Menschen mit den Geistern erböten. Sie erfanden ein System der Correspondenz, das noch heute im Gebrauch, obgleich durch einfachere Methoden ziemlich verdrängt ist. Hatte ein Geist, mit dem Jemand in Verkehr zu treten wünschte, durch Klopfen angezeigt, daß er anwesend sei und auf Fragen antworten wolle, so sprach der Fragende die Buchstaben des Alphabets. Klopfte es bei einem Buchstaben, so wurde dieser aufgeschrieben und das Alphabet wieder hergesagt, womit man so lange fortfuhr, bis die durch Klopfen bezeichneten Buchstaben Worte bildeten, in denen der Fragende die gewünschte Auskunft zu erkennen hatte. Jetzt schreiben manche Mittler die Antwort in krampfhaften Zuckungen nieder – Geister führen ihnen die Hand! – oder sie fallen gleich der delphischen Pythia in Ekstase und sprechen die Worte, welche die Geister ihnen souffliren.

Der Geisterglaube nahm vom ersten Augenblicke den unverwüstlichen Charakter an, der ihm geblieben ist. Die Misses Fox gaben häufig falsche Antworten und erklärten z. B. einen verschwundenen Colporteur für ermordet, der nächster Tage frisch und gesund in Hydesville wiedererschien. Frau Culver, eine nahe Verwandte, verrieth das Verfahren der jungen Damen, das diese unter dem Siegel der Verschwiegenheit ihr mitgetheilt hatten. Ein ganzes Collegium von Aerzten erklärte ausführlich, wie das klopfende Geräusch entstehe, und einer dieser Aerzte, Doctor van Bleck, hielt Vorlesungen über den Schwindel, die er durch Leistungen im Klopfen erläuterte, hinter denen die Misses Fox weit zurückblieben. Alles wars vergebens; statt unterdrückt zu werden, verbreitete sich der Schwindel und nahm neue Formen an.

Der Verkehr mit der Geisterwelt ist durch die Ausbildung des Spiritualismus ein sehr leichter geworden. Ein Gespenst ist heutzutage wie ein Mensch: man kann sich mit ihm mündlich und auch schriftlich unterhalten. Es giebt einen Mann Namens J. V. Mansfield, den die Geister zu ihrem Generalpostdirector ernannt haben. Will Jemand an einen Verstorbenen schreiben, so schickt er seinen Brief, der aber nur gut verschlossen angenommen wird, an Mansfield. Mit der Antwort des Verstorbenen erhält er zugleich seinen eigenen Brief in demselben Zustande zurück, in dem er ihn abgehen ließ, damit er sich überzeugt, daß die Geisterpost das Briefgeheimniß nicht verletzt. Natürlich öffnet Mansfield jeden Brief, um zu wissen, ob und wie der Verstorbene zu antworten hat. Blos mit Gummi geschlossene Briefe lassen sich öffnen, wenn man sie in heiße Wasserdämpfe hält. Sind die Briefe mit Siegellack versiegelt, so erwärmt man das Siegel und fährt mit einer dünnen, scharfen Klinge darunter hin, ohne das Papier zu verletzen. Zum Wiederaufkleben benutzt man etwas Gummi. Hat ein Briefsteller zuerst mit Oblate und darüber mit Siegellack gesiegelt, so schneidet Mansfield das Couvert von der Seite mit einem ganz dünnen Messer auf, verklebt es wieder mit Gummi und glättet es sorgfältig mit dem Schabholz. Briefe, die nicht von fünf Dollars begleitet werden, berücksichtigt er nicht. Briefe, die er nicht zu öffnen wagt oder deren Inhalt ihm verfänglich ist, werden von den Geistern keiner Antwort gewürdigt, aber die fünf Dollars zahlt Mansfield darum nicht zurück. Wie jede Post, garantirt seine Geisterpost blos die richtige Briefbestellung und steht für die Beantwortung der Briefe nicht ein. „Wo sind Sie gestorben? Wann? Wer hat Sie in Ihrer letzten Krankheit gepflegt? Wie viele Personen waren im Augenblick Ihres Todes anwesend?“ Solche und ähnliche Fragen nehmen dem Briefsteller jede Hoffnung auf eine Antwort. Aber diese bleibt nie aus, wenn so gefragt wird: „Sind Sie glücklich? Sind Sie oft in meiner Nähe? Haben Ihre religiösen Ansichten in der Geisterwelt eine Aenderung erfahren?“ Auch Mansfield ist als Betrüger entlarvt worden, ohne daß die Einkünfte seiner Post darunter gelitten hätten. Ein Bürger von Buffalo übergab ihm einen Brief, in den er ein Härchen und ein Sandkorn eingeschlossen hatte. Der Brief kam, von einer Geisterantwort begleitet, mit scheinbar unverletztem Siegel zurück, aber die beiden Einlagen, die von Mansfield nicht beachtet worden waren, fehlten. Der Mann von Buffalo gab dieser Thatsache die weiteste Verbreitung, doch Mansfield konnte seine Betrügereien nach wie vor fortsetzen.

Eine Mittlerin (weibliches Medium) hielt mehrere Jahre lang in einem der palastähnlichen Häuser des Breitenwegs von New-York ein Geister-Bureau. Eines Tages tritt ein Herr ein und erklärt seinen Wunsch, mit den Geistern in Verbindung zu treten. „Wünschen Sie von Verstorbenen zu hören?“ fragt die Mittlerin. Der Herr bejaht und fügt hinzu, daß das Schicksal seiner Frau ihn beschäftige. Das Medium geräth in Zuckungen und beginnt zu schreiben: „Lieber Mann! Wie froh bin ich, daß ich mich auf diese Weise mit Dir unterhalten kann! Ich fühle mich in der neuen Wohnung, die mein Geist bewohnt, wahrhaft glücklich und warte geduldig auf die Zeit, die Dich mit mir vereinigt.“ Der Fremde ist nicht wenig erstaunt; seine Frau ist gar nicht todt, sie liegt seit sechs Monaten krank darnieder, und der gute Mann hat einen Versuch machen wollen, ob die Geister in der Auffindung des richtigen Heilmittels glücklicher sind, als die New-Yorker Aerzte. Das Medium, das deceased (gestorben) wie diseased (erkrankt) ausgesprochen hat, ist schuld an dem fatalen Mißverständniß gewesen. Dieselbe Mittlerin reiste später in England und Schottland und wurde dort dem Gelächter preisgegeben. Sie ließ die Fragen an die Geister aufschreiben und antwortete, ohne das Geschriebene gesehen zu haben. Da der Schreibende ihr gegenüber Platz nehmen mußte und sie keinen Blick von seiner Hand verwandte, so schloß ein Arzt, daß die Dame sich geübt habe, an der Bewegung der Hand zu errathen, was geschrieben werde. In der Regel wird der Geist gefragt: „Sind Sie glücklich (happy)?“ Der Arzt machte aber eine für das Auge der Mittlerin nicht bemerkbare Variante und schrieb: „Sind Sie hungrig (hungry)?“ „Ja, sehr,“ antwortete der Geist.

Eine gewöhnliche Manier der Mediums, den Inhalt der niedergeschriebenen Fragen kennen zu lernen, ist die folgende. Der Fragende erhält ein feines, durchsichtiges Papier, schreibt darauf und faltet es so zusammen, daß die Schrift verdeckt wird. Das Papier wird nun dem gegenübersitzenden Mittler übergeben, „damit er den Geistern den Inhalt des Geschriebenen durch magnetisches Streichen zugänglicher mache“. Er streicht in der That und so stark, daß die Inschrift durch das feine Papier hindurch lesbar

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_296.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)