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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

und davon will ich jetzt reden. Ich hatte Bekanntschaft mit einem Juden, der mich zu seinem Glauben bekehren wollte, und ich wollte einen Christen aus ihm machen. Kaum war ich in der Geisterwelt angekommen, als der Bruder jenes Juden mir begegnete und mir sagte: ‚Hans, Du mußt auf die Erde zurückkehren und Deine Rechnung mit meinem Bruder ausgleichen.‘ Dazu bin ich jetzt hier. Ich wünsche also, daß meine Frau zweitausend Dollars nimmt und sie der Frau des Juden zurückgiebt. Das Geld liegt in einem zinnernen Kästchen.“ Der Geist vergißt nun, daß er selbst eine Frau geworden ist, und schließt mit einem Ausfall auf das ganze weibliche Geschlecht. Er giebt seiner Frau schuld, nicht zu wissen, wie ihr eigener Name geschrieben werde. „Alle Frauen schreiben falsch,“ ist sein letztes Wort.

Das „Banner des Lichts“ macht fast wöchentlich Mittheilungen über Ausschußsitzungen und große Versammlungen der Spiritualisten. In den großen Städten des Ostens wie in den Dörfern des Westens giebt es Gruppen von Geisterbannern, die sich gegenseitig unterstützen und von der Leichtgläubigkeit der Menschen starke Steuern erheben. Werden diese Enthüllungen, von denen wir nur die pikantesten ausgehoben haben, dem Unwesen einen Stoß versetzen? Ihr Verfasser bezweifelt es selbst, und diesem erfahrenen Kenner der menschlichen Schwäche dürfen wir nicht Unrecht geben.




Ein anderer Nettelbeck.
Erinnerung aus der Zeit der schweren Noth.


Die schönsten, ehrenreichsten Epochen, welche seit Jahrhunderten das deutsche Volk erlebt hat, sind und bleiben die Jahre dreizehn bis fünfzehn und das Jahr achtundvierzig. Auf beide folgten zwar Erschlaffung und Niederlage, aber ihre innere Triebkraft hat sich bewährt und vollberechtigt ist die Erwartung, daß eine dritte entscheidende Epoche unsere Entwickelungsnoth krönen und uns endlich im Innern und nach Außen gesund und kräftig machen wird.

Inmitten der weitverbreiteten Gleichgültigkeit des heutigen Geschlechts versenkt sich das patriotische Gemüth gern in den Schwung und die Erhebung jener großen Zeit, da unsere Väter die fremden Ketten brachen. Für die Kämpfe des Tages schöpft es neue Kraft aus unserm größten Freiheitskampf, wie Antäus aus der mütterlichen Erde. Mit nationalem Stolz schaut es auf die Gestalten und Thaten der damaligen Führer und Streiter; doch hat es Liebe und Bewunderung nicht blos für jene Alles überstrahlenden Namen, die Jedermann kennt, sondern auch für die Männer zweiter und dritter Ordnung, welche bescheidentlich in engeren Kreisen bei Erfüllung ihrer Bürger- und Soldatenpflicht sich hervorthaten.

Ein solcher Mann war David Christian Mettlerkamp. 1774 in Hamburg geboren, führte er seit 1808, nach verschiedenen Reisen, das Geschäft seines Vaters, eines Bleideckers, mit Fleiß und Tüchtigkeit, hatte aber zugleich offene Augen für das Wohl und Wehe des engeren und weiteren Vaterlandes.

Von einem bewußten Vaterlandssinn, von einem Schmerze über den Fall der Unabhängigkeit Deutschlands war in Hamburg fast noch weniger die Rede als anderswo. Als Franz die deutsche Kaiserkrone niederlegte, ordnete ein Senatsbeschluß an, unter alle Ausfertigungen statt „kaiserliche freie Reichsstadt“ zu setzen „freie Hansestadt Hamburg“. Nach der Schlacht bei Jena erließ der Senat ein revidirtes Mandat in Betreff nöthiger Vorsicht und Bescheidenheit in Reden und Schreiben über die Weltereignisse und die Kriegsangelegenheiten. Dies war die Hamburgische Uebersetzung des unsterblichen Wortes: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.“ Man wiegte sich in eitlen Träumen ewiger Neutralität mitten im europäischen Kriegsgetümmel und schmeichelte sich mit ungestörter Fortdauer hanseatischer Handelsblüthe, sogar dann noch, als 1806 die Franzosen eingerückt waren. Die Unsicherheit alles im Unglück der Nation erlangten Sonderglücks trat sofort in furchtbarer Klarheit vor Augen. Die Millionen Mark, welche man schon vorher für den Unterhalt französischer Truppen in Hannover und als „Douceurs“ an Generäle und Diplomaten bezahlt hatte, konnten den Sturz der alten Hansestadt nicht aufhalten. Schon zwei Tage nach der Ankunft der Franzosen erschien das berüchtigte Decret von Berlin, in Folge dessen der Verkehr mit England bei Todesstrafe verboten und alle englischen Waaren confiscirt wurden. Diese confiscirten Waaren durften dann mit sechszehn Millionen ausgelöst werden, deren Bezahlung aus öffentlichen Mitteln die Bürgerschaft beschloß. Trotzdem wurden diese Waaren mit einer schweren Steuer belegt. Und zu guter Letzt befahl ein neues Decret aus Fontainebleau die Verbrennung sämmtlicher englischen Waaren in allen von Frankreich beherrschten Ländern. Die Kaufleute selbst wurden eingeladen, der feierlichen Verbrennung ihres zweimal bezahlten Eigenthums beizuwohnen, und sahen, daß meist werthlose Gegenstände und mit Stroh gefüllte Ballen verbrannt wurden; die confiscirten Waaren waren als Beute in den Händen der französischen Beamten geblieben! Truppenzüge und Erpressungen bildeten die Geschichte Hamburgs in den folgenden Jahren. Vor der Einverleibung in das Kaiserreich rief Napoleon einer Hamburger Deputation zu: „Ihr werdet ruinirt sein, sagt ihr? Desto besser! Dann könnt ihr nicht mehr Englands Geschäfte besorgen.“

Unter den Männern von Kopf und Herz, welche in Hamburg während der tiefsten Finsterniß des Despotismus das heilige Feuer der Vaterlandsliebe hüteten, stand Mettlerkamp in erster Reihe. „Daß durch die Waffen zuerst die fremde Macht gebrochen werden mußte, war mir klar,“ sagte er. Mettlerkamp widmete von da an seine Muße dem Studium der Kriegswissenschaft. Im Winter 1812 suchte er kräftige Leute, besonders Handwerker, auf den Tag der Befreiung vorzubereiten. Am letzten Februar 1813 erfolgte der vorläufige Ausbruch des Volkszornes, am 12. März der Abzug der Franzosen, am 18. März der Einzug der ersten Freischaaren der Verbündeten unter Tettenborn. Sie wurden empfangen von einem Erlösungsjubel des Volkes, dessen Gleichen nie dagewesen. Aber schon am 30. Mai begannen mit dem Einzuge Davoust’s und Vandamme’s die Schrecken der neuen französischen Herrschaft. Darüber, wer die Schuld an diesem namenlosen Elend trug, ist bekanntlich eine ganze Bibliothek geschrieben worden. Gewiß ist, daß die Herren vom Senat sich überaus fürsichtig und muthlos benahmen, dieselben, welche doch 1811 den Muth gehabt hatten, durch eine Deputation nach Paris die Taufe des Königs von Rom mitzumachen und für gnädigste Einverleibung in das Kaiserreich den Dank Hamburgs abzustatten. Ein Mitglied der damaligen Regierung hob später rühmend hervor, „daß sie die Gemüther nicht noch mehr exaltiren wollte, als sie es ohnehin schon waren!“ Tettenborn hatte saure Mühe, seine Vorschläge wegen Errichtung eines hanseatischen Corps von Freiwilligen und wegen Ausrüstung einer Bürgergarde von sechs Bataillonen zur Vertheidigung der Stadt durchzusetzen. Hätten die Herren des Raths und die Matadore der Börse mit der vollen Kraft und Aufopferung gerüstet, wie Preußen, so würde Hamburg sicherlich nicht noch einmal französisch geworden sein. Die Energie und Erfindungsgabe, mit welcher man vorher und nachher den unersättlichen Schlund des Feindes zu füllen suchte, wäre besser am Platz gewesen, als es denselben zu bekämpfen galt. Freilich auch auf Tettenborn und viele seiner Officiere, da sie im üppigen Hamburger Leben erschlafften, fällt ein Theil der Schuld. Als dritter Schuldiger erscheint von Heß, der Befehlshaber der Bürgergarde; seine Unfähigkeit und Unentschlossenheit war einer solchen Zeit nicht gewachsen. Das Volk selbst war begeistert und thatkräftig genug; es bewies namentlich während des Frühjahrs 1814 in wiederholtem Zusammenstoß mit den Franzosen, was mit ihm zu leisten war, wäre es besser regiert und geführt gewesen.

Der Wackerste der wackern Hamburger war Mettlerkamp. So wie ihm nur gestattet worden, sich aus ungeordneten Haufen ein Bataillon zu bilden, lebte er ganz der Vertheidigung der Vaterstadt mit allen seinen Kräften, allen seinen Mitteln. Zwei kaum dem Knabenalter entwachsene Söhne führten neben ihm die Waffen. Nach Tettenborn’s und von Heß’s stillem Abzug vom kampfbegierigen Volke laut zum obersten Befehlshaber verlangt, war es Mettlerkamp, der das Wort Saragossa aussprach und an den Senator Bartels schrieb: „Man möge doch die Wichtigkeit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_298.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)