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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Hinterbeine, von einer Wolke Streu gefolgt, kräftig ausschlagen. Unmöglich ist es das Durcheinander und das Geräusch zu schildern, welches durch das Stampfen und Schnaufen der Pferde, den Zuruf der Wärter und das Peitschengeknall hervorgebracht wird. Die beigegebene vortreffliche Zeichnung, von dem Künstler nach dem Leben ausgenommen, giebt ein treues Bild der bunten, wilden Jagd.

Scheu vor Fremden zeigen die Thiere fast gar nicht, einerseits weil die Zahl der Besucher, besonders im Sommer, eine ziemlich bedeutende ist, andererseits ist die Behandlung eine so überaus freundliche, daß diesen glücklichen Stallbewohnern weder die schwarzen Eigenschaften der Menschen, noch die Nothwendigkeit der Thierschutzvereine zur Kenntniß kommen; – ein beneidenswerthes, idyllisches Dasein, aus welchem nur diejenigen Fohlen, die nach Ablauf von vier Jahren als Wagenschlag zum Verkauf kommen, fühlbar gerissen werden.

Die Rücksicht, welche auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Thiere genommen wird, ist bewundernswerth; sie erstreckt sich sogar auf die sorgfältige Regulirung des Wärmegrades in den Ställen, sowie auf Stallarrest bei schlechtem oder zu heißem Wetter. Was die Nahrung anbelangt, so besteht dieselbe für die nicht trächtigen Stuten in etwa sechs Pfund Heu und sechs Pfund Hafer täglich, für die tragenden und säugenden in acht bis neun Pfund Hafer und acht Pfund Heu; die Fohlen dagegen erhalten, nachdem sie nach vier bis sechs Monaten Säugens abgesetzt worden sind, täglich sechs Pfund Hafer, nach Belieben Heu und Gerstenstroh, auch geschrotene Gerste und Mohrrüben. Die Fohlen, deren gewöhnlich achtzig bis hundert vorhanden sind, werden nach vollendetem vierten Jahre entweder zur Zucht nach Weil – einem weiteren königlichen Privatgestüte – oder in den königlichen Leibstall gethan. Der nicht entsprechende Ueberschuß wird theils im April nach dem Pferdemarkt gebracht, theils im October in Stuttgart versteigert. – Der Vorzug, den alle Kenner den auf dem königlichen Gestüte gezüchteten Pferden geben, ist der beste Beweis für die Vortrefflichkeit des Instituts und der Grund, daß die enormen Preise von sechshundert, eintausend, ja fünfzehnhundert Gulden für das Stück erzielt werden.

Der hier gezüchtete Schlag ist unbedingt der edelste und vollkommenste. Kein anderes europäisches Gestüt hat so vortreffliche Exemplare der arabischen Race aufzuweisen, und zwar übertreffen die im Lande gezüchteten Pferde die Original-Araber – ein Ergebniß, das durch zweckmäßige Züchtung erreicht und durch die vielfach an die Hand gegebenen Vergleiche mit original-arabischen Rossen bestätigt worden ist. Schon die Größe und Stärke überbietet die der orientalischen Eltern; Stuten von sechszehn Faust und darüber sind ganz gewöhnlich.

Fremde Pferdekenner, welche noch nichts von dem Scharnhausener Gestüte vernommen haben, sind stets erstaunt, in Stuttgart eine solche stattliche Anzahl der schönsten Reit- und Wagenpferde zu sehen, und benützen, nachdem sie Kunde von dem Wunderlande erhalten haben, gar eifrig die Gelegenheit, dasselbe zu ihrem hohen Genusse zu besuchen. Bei der zuvorkommenden Freundlichkeit, mit welcher der Oberstallmeister Baron von Hügel die Erlaubniß zum freien Besuche ertheilt, und der Artigkeit und Bereitwilligkeit, womit die Beamten am Orte selbst dem Besucher entgegenkommen, wird nicht nur der Kenner, sondern jeder Freund des Schönen und der Natur bei einem Besuche in der schwäbischen Hauptstadt dieses Mustergestüt in Augenschein nehmen.

Dem Gestüte selbst, als einem Orte des Schönheitscultus, wollen wir das erfreulichste Fortblühen wünschen.

Friedrich Müller.




Bismarck an Uhden.
Kleine Skizze aus großer Zeit.
Von E. Dohm.
(Schluß.)


War es wirklich ein Gefühl der Theilnahme, welches der Brief der jungen Frau von Cocceji in dem König erweckte, oder war es eine leise Befürchtung, die ehemalige Tänzerin könnte das „Schweigen“, das „die Ehrfurcht“ ihr über so Manches auferlegte, doch am Ende einmal brechen: genug, der König verstand sich zu einem Schritte, welchen er wahrlich nicht allzu häufig that, nämlich zur Desavouirung eines Befehls, der entweder von ihm persönlich oder doch in seinem Namen von einem seiner Minister erlassen worden war. Er schrieb nämlich unter dem 18. November an den General-Fiscal, Geheimen Rath Uhden:

„Hochgelahrter etc. Da die bekante Barberina an Mich geschrieben und angezeiget hat, wie Ihr dieselbe vermittelst eines Schreibens vom 16. dieses citiret hattet, um Tages darauf vor Euch zu erscheinen und von Euch einige propositiones zufolge Meiner an Euch gelangten Königl. Ordre zu gewärtigen; Mir aber nicht erinnerlich ist, daß Euch deshalb von Meinetwegen etwas aufgetragen wäre, und Ich selbst also fast vermuthe, daß solches ihre bekante Heyrath, so sie heimlich getroffen, angehen mußte. So habe ich bewegender Ursachen halber resolviret und befehle Euch hierdurch, daß Ihr ohne einigen éclat davon zu machen, desfalls nicht wider gedachte Barberina agiren, sondern die Sache nur gäntzlich fallen lassen sollet, ohne erstere weiter deshalb zu beunruhigen. Was Ich aber hiernechst herbey verlange, ist, daß Ihr auf eine gute Arth von derselben zu erfahren und herauszubringen suchen sollet, wer eigentlich derjenige Geistliche gewesen, welcher dieselbe mit dem jungen v. Cocceji getrauet hat. Wovon Ihr Mir dann Euren Bericht mit aller Zuverlässigkeit erstatten sollet. Ich bin“ etc.

Der Wink war deutlich genug, der König wollte offenbar mißverstanden sein. Ein wahrer Staatsmann muß die Klugheit besitzen, zu rechter Zeit dumm zu sein. Uhden war – vielleicht in Folge einer in seiner Familie erblichen Tugend – zu brav, um jene Klugheit der Dummheit zu besitzen. Mit einer herzerfrischenden Biederkeit nahm er die Aeußerung des Königs im wörtlichsten Ernst, und mit einer Unschuld, wie man sie sonst nur bei den weiblichen Katechumenen eines der Heerstraße fern wohnenden Landgeistlichen findet, übersandte der ehrliche General-Fiscal dem Könige die Ordre des Herrn von Bismarck und schrieb ihm dazu:

„Ew. Königl. Majestet geruhen allergnädigst aus der beyliegenden Ordre Dero Ministerii sich vortragen zu lassen, daß ich die Barberina darüber vernehmen sollen, mit was vor Befugnis sie sich den Nahmen v. Cocceji zu führen unterstehe. Ich habe sie darauf nicht so wohl rechtlich citiret, um wider sie zu agiren, als durch ein Billet eingeladen, um ihre Antwort zu hören und befohlener maaßen davon zu berichten. Wenn Ew. Königl. Majestät nicht noch anders allergnädigst befehlen, werde auch dieses unterlassen; jedoch nach Dero höchsten Ordre, den Geistlichen, der sie getrauet, wovon jedoch noch zur Zeit nichts öffentlich bekandt worden, so viel möglich zu erforschen suchen.“

Der König beantwortete die Naivetät seines intelligenten General-Fiscals mit dem Befehl, die Sache, so weit es sich um die Verbindung der Barbarina mit dem Geheimen Rath von Cocceji handelte, auf sich beruhen zu lassen, da solche „einmahl geschehen“ sei und „ohne viele inconvenientzien nicht wohl wieder redressiret werden“ könne.

„Weilen aber“ – so fährt der König fort – „nicht zu zweiffeln, daß die Trauung gedachter Barbarina mit dem v. Cocceji durch ein Catholischen Geistlichen heimlich geschehen sein muß, und Ich fast vermuthe, daß solches durch den alten Pater Torck oder einigen von seinen Geistlichen zu Berlin unternommen worden; So will Ich, daß Ihr ersteren krafft Eures Amtes recht scharf zu Halse gehen und à la rigueur untersuchen sollet, ob gedachte Trauung von ihm geschehen, oder aber wer solche sonst von seiner Geistlichkeit verrichtet hat. Wenn Ihr nun solches ausgemachet haben werdet, so habet Ihr Mir Euren Bericht davon zu erstatten, weil Ich intentioniret bin, denen Catholischen Geistlichen zu Berlin sodann nachdrücklich declamiren zu lassen, daß derjenige unter ihnen, welcher sich zumahlen weiter unterfangen wird ohne vorgängige approbation Leuthe heimlich zu trauen, sodann davor auf das schärfste angesehen und auf seine Lebens Zeit nach einer Vestung gebracht und bey Wasser und Brodt gehalten werden soll.“

Der arme Uhden hatte in der Ausführung dieses königlichen Befehls keine glücklichere Hand als in der Vollziehung der früheren. Trotz aller Mühe, die er sich gab, gelang es ihm nicht, den Schuldigen zu entlarven. Nur so viel wurde durch die Vereidigung sowohl des Geheimen Raths von Cocceji, als sämmtlicher katholischer Geistlicher Berlins festgestellt, daß weder der Pater Torck, noch einer seiner Berliner Amtsbrüder die Trauung vollzogen hatte.

Den von dem General-Fiscal hierüber erstatteten Bericht fertigte der König in einer sehr kühlen Antwort ab, an deren Schluß er sagt, er erachte „vor der Hand am convenablesten zu sein, daß Ihr unter der Hand und mit einer guten Arth, allenfalls auch durch dessen (Cocceji’s) zu der Zeit gehabten Domestiquen solches zu erfahren suchen sollet.“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_302.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)