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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Menge von Hohlräumen sehen läßt, die seltsame Gestalten zeigen. So sehen wir es auf der Figur, wo ein Stückchen lebenden Koralls zuerst durch einen Querschnitt abgetrennt und dann die Rinde durch einen Längsschnitt bis auf den festen Kern gespalten und die beiden Lippen zurückgeschlagen wurden, so daß das Verhältniß der Rinde zum Kern deutlich wird. Diese Netzgefäße der Rinde, welche ihre ganze Dicke durchziehen, und durch Abspülen der faulenden Rinde leicht als selbstständiges Gefäßnetz dargestellt werden können, hängen einerseits überall mit den Höhlungen der Polypen zusammen (siehe in der Figur die Polypen 2 und 3), andrerseits aber mit einer Lage dicker Längsgefäße, welche unmittelbar auf dem rothen Kalkkerne aufliegen, durch Zwischengefäße mit einander verbunden sind und den Kalkkern von allen Seiten umgeben, wie ein Bündel von Drainröhren, die man um einen Baumstamm gelegt hätte. Die Zwischenräume zwischen diesen dicken, tiefen Längsgefäßen sind sehr eng, sie liegen auf dem Kalkkerne auf und drücken sich sogar in denselben ab, so daß alles unpolirte Korall der Länge nach geriefelt erscheint. Alle diese Gefäße sind inwendig mit einer feinen Zellenhaut ausgekleidet, auf welcher mikroskopische Wimpern stehen, welche die in den Gefäßen enthaltene milchige Ernährungsflüssigkeit in stetem Strome umtreiben. Verwundet man die Rinde an irgend einer Stelle, so fließt diese milchige Flüssigkeit aus, der die Fischer unter dem Namen „Korallenmilch“ die merkwürdigsten Beziehungen, namentlich auch zur Fortpflanzung des Koralls, zuschreiben.

So sind denn durch diese von Gefäßen durchzogene Rinde die allgemeinen Beziehungen der Gesammtheit zu den Einzelwesen und zu dem inneren Kerne, dem Korallenstocke, hergestellt. Die Polypen bringen, durch ihre Verdauungsthätigkeit, die Ernährungsflüssigkeit hervor; diese circulirt, durch die Wimpern umgetrieben, in dem complicirten Maschennetze der Gefäße und gelangt zuletzt in die Längsgefäße, welche dem Korallenstocke unmittelbar sich anschmiegen.




Der erste Kampf.
Aus dem Tagebuche eines deutsch-amerikanischen Officiers.
Von Rudolph Doehn.


In der Mitte August des Jahres 1862 befand sich Nashville, die Hauptstadt des Staates Tennessee, in einer eigenthümlich bedrohten Lage. Schon seit dem 25. Februar desselben Jahres war die Stadt durch die Eroberung von Fort Donelson in den Besitz der Union gekommen, aber man hatte nur eine schwache Besatzung darin zurückgelassen und zu ihrer etwa nöthig werdenden Vertheidigung genügende Anstalten nicht treffen können. Die Stimmung der Bevölkerung war eine getheilte. Es waren reiche Secessionisten von der fanatischen Sorte zurückgeblieben, die über manche gerechte, aber strenge Maßregel des Militärgouverneurs Johnson (jetzigen Präsidenten der Vereinigten Staaten), heimlich mit den Zähnen knirschten. Auf der anderen Seite wurden aber auch die Anhänger der Union ihres Triumphes nicht froh. Je lauter und begeisterter sie im Anfange dem Einzuge der Unionstruppen zugejauchzt hatten, umsomehr hatten sie bei einer etwaigen Wiedereroberung der schutzlosen Stadt von der bekannten Rachsucht ihrer heißblütigen Gegner zu fürchten.

Dennoch vereinigten sich für den Augenblick beide durch Blut und Gesinnung so scharf getrennte Parteien in der gemeinsamen Furcht vor einem der einen wie der anderen gleich unwillkommenen Feinde: den zahlreichen Guerillabanden, die seit einiger Zeit schon im Gebiete von Tennessee haarsträubende Gräuel verübt und bei verschiedenen Gelegenheiten gezeigt hatten, daß sie, wo es zu rauben und zu morden galt, einen Unterschied zwischen den Anhängern des Nordens und des Südens nicht zu machen verstanden. Ueber ein allmähliches Näherrücken dieser verthierten Buschklepper liefen täglich die beunruhigendsten Nachrichten ein, aber der herrschende Zwiespalt machte doch Vertheidigungsmaßregeln unmöglich, bis man am 19. August endlich die Gewißheit erlangte, daß die Stadt bereits in nächster Nähe umschwärmt, und ihr von den Führern des mit Recht so gefürchteten Raubgesindels ein Besuch zugedacht war.

Jetzt fing man in Nashville an, sich mit aller Macht zu rüsten. In den Straßen wurden Barrikaden aufgeführt, wobei namentlich einige Deutsche, die im Jahre 1848 in Berlin auf den Barrikaden gekämpft hatten und sich auf den Bau derselben wohl verstanden, mit Rath und That halfen; an alle Kampffähigen – Bürger oder Nichtbürger – wurden Waffen ausgetheilt, und mehr als tausend Neger, welche conföderirten Sclavenhaltern angehört hatten, mußten an den Fortificationen der Stadt arbeiten helfen. Außerdem aber wurde an General Thomas eine Botschaft gesandt, in welcher man die bedrohte Lage der Stadt schilderte und um schleunige Hülfe bat.

So geschah es denn, daß auch unser Regiment, welches bis dahin das „wilde eiserne Würfelspiel“ auf dem Felde der Schlacht noch nicht in seinem vollen Ernste kennen gelernt hatte, den Befehlt erhielt, sofort aufzubrechen und in den schnellsten Eilmärschen der bedrohten Stadt zur Hülfe zu kommen. Außer unserem Regimente sollten noch ein anderes, ein Missouri-Regiment, eine halbe Batterie reitender Artillerie und eine kleine Abtheilung Cavallerie von einer andern Seite Nashville zueilen, doch war bestimmt, daß beide Regimenter, sowie die Artillerie und Cavallerie, sich in der Nähe von Nashville vereinigen und, von den in der Stadt stehenden Truppen unterstützt, die Guerillabanden unter Forrest und Morgan angreifen und zersprengen sollten.

Nach einem sechstägigen, äußerst anstrengenden Marsche gelangten wir endlich in die Nähe des Ortes, an welchem wir mit dem Missouri-Regiment und der Cavallerie- und Artillerieabtheilung zusammentreffen sollten. Es war ein heißer Tag gewesen, unser letzter Marschtag; die Augustsonne hatte glühend auf unsern Schädel herniedergebrannt und wir waren froh, als gegen Abend der Befehl erging, das Lager für die Nacht abzustecken und die Zelte aufzuschlagen. Der Major unseres Regiments war nämlich mit einigen Leuten vorausgesandt worden, um die Gegend zu untersuchen und – so er nichts Auffälliges vorfände – einen passenden Platz für das Nachtlager auszuwählen. Major Peckham hatte denn nun auch, da ihm gerade etwas sehr Verdächtiges nicht aufgestoßen war, bald einen prächtigen Lagerplatz gefunden. Kaum daselbst angekommen, wurden die nöthigen Vorposten ausgestellt, denn wenn wir auch nach den angestellten Untersuchungen keinen feindlichen Ueberfall, vielmehr die Annäherung unserer Freunde erwarteten, so konnte man doch vor einem plötzlichen Besuche berittener Guerrillabanden, denen jeder Weg und Steg wohl bekannt war und die überall in jener Gegend ihre wohlunterhaltenen Verbindungen hatten, niemals ganz sicher sein.

Mit einem wahren Wonnegefühl streckten wir unsere müden Glieder unter dem kühlenden Schatten uralter Riesenbäume aus. Und hohe, herrliche Bäume waren es, die ihre belaubten Wipfel bis in die Wolken zu erheben schienen und sicherlich manches Jahrhundert an sich vorüberziehen gesehen hatten. Eine blüthenreiche Flora hatte einen vollen und üppigen Rasenteppich über das stille Waldthal ausgebreitet, in welchem durch unsere Ankunft ein regsames Leben hervorgerufen ward. Das Schreien der Maulesel, die ebenfalls hungrig waren und sich nach Ruhe sehnten, das Rufen der Treiber, das Knarren der Räder und das Rasseln der Gepäckwagen tönte weithin durch den Wald.

Unser Lager – Camp Sherman hatten wir es getauft – gewährte kein unschönes Bild. Nach Osten bin senkte sich der Boden, und ein gelber Sandweg wand sich wie eine tiefe Furche in wiederholten Krümmungen etwa eine englische Meile durch den Waldabhang hin, bis er sich in eine dicht mit Kiefern und Fichten besetzte Thalschlucht verlor; auf der gegen Norden zugekehrten Seite erhoben sich mit Steinen und größeren Felsblöcken besäete Hügel und Bergabhänge, die im Ganzen nur wenig mit Buschwerk und einzelnen Bäumen bedeckt waren; nach Süden und Westen hin aber zog sich ein prachtvoller Waldessaum, aus welchem ein tiefer, aber silberheller Bach, der flinke Sohn des naheliegenden Waldgebirges, über bunte Kiesel sein klares, frisches Wasser sandte. Ein einzelnes Gebäude – ein altes, aber geräumiges Blockhaus – stand nahe an dem Bache, kurz bevor derselbe den Waldrand verließ. In geringer Entfernung von diesem verlassenen Farmersitze

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_328.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)