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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

bildet sich ein, er habe etwas im Glase, und hat nichts. Ich habe heute auf einer Station Bier getrunken,“ sagte der General, die drei Champagnergläser, Stück für Stück ruhig zum Fenster hinauswerfend, „vortreffliches Bier, da hatte man schöne Gläser für Champagner (er meinte Bierschoppen ohne Henkel); giebt es solche hier nicht?“

Sofort holte man aus der Gesindestube einige solche Schoppengläser herüber. Hoch erfreut klatschte der alte Herr in die Hände.

„Wer von Euch versteht einzuschenken?“ fragte er die Ordonnanz-Kellner.

Die beiden jungen Bürschchen stotterten feuerroth Einiges.

„Ah, ich sehe schon, Ihr versteht’s nicht! Kann Niemand einschenken?“

Der vor einer Stunde oben auf dem Corridor geschüttelte Zimmerkellner, der, weiß der Himmel woher, einige Dutzend Brocken Russisch papageien konnte, war im Saal, faßte sich ein Herz und stellte sich, russisch antwortend.

Aufgerissenen Blickes maß ihn der alte Haudegen vom Scheitel bis zur Zehe. Der Groll wurmte noch. Endlich griff er, mechanisch tastend, nach dem Schoppenglase und hielt unter. Der Kork wurde ohne den mindesten Effect entfernt, das Glas fast ohne allen Schaum gefüllt. In einem langen, herzerquickenden, wahrhaft beneidenswerthen Zuge trank der Kaukasus-Ueberwinder fast bis zur Hälfte, daß ihm die Schärfe des Gases Wasser in die Augen trieb. Das war zu seiner Zufriedenheit gewesen. Er zog die Börse und gab dem servirenden, geschopfbeutelten Kellner einen halben Napoleon.

Jetzt hatte der Magen genug; eine ungeheuere Ladung. Mit verbindlicher Freundlichkeit fragte unser Präsidirender, ob wir noch zu essen gedächten, und auf unsere Verneinung schob er Alles, was ihm zunächst stand, zurück, so daß die Sardellensauce über den Kuchen hinabfloß, die offene Flasche Kirschwasser den Rest ihres Inhaltes auf die Kapaunen-Platte ausgluckte und die Biscuits den Salat garnirten. Entsetzt ob dieses Vandalismus sprangen die Kellner herzu, auch die beiden Servietten-Trabanten hinterm Stuhl. Dieser sorgsame Eifer erregte bei unserem Original eine so erschütternde Lachlust, daß ihm der Bauch hüpfte.

„O diese Thoren! Sehen Sie, was sie springen, um einem paar armseligen Gläsern oder Platten die Existenz zu retten. Auf meinem Gute würde kein Diener sich von der Stelle rühren, und wenn ich den Inhalt der ganzen Tafel hinabwürfe. Der Diener hat nie etwas von sich aus zu thun, sondern zu warten, bis der Herr befiehlt.“

Ich übergehe es, den Rest des an drolligen Scenen überreichen Abends vollends zu schildern, und lasse uns Alle ausschlafen. Ich hatte mein Frühstück eingenommen, einen großen Spaziergang gemacht und die Sonne fing an schon mittägigen Charakter zu entwickeln, als bei meiner Rückkehr mir der Kellner meldete, die Herren seien erwacht und hätten nach mir gefragt. Endlich nach langer Umstandskrämerei und beseitigtem Thee oder Kaffee waren wir soweit, einen Wagen besteigen und im Orte herumfahren zu können, um in einigen Magazinen derbe Schuhe, eine Blouse, Feldflasche, Bergstock und andere Touristen-Utensilien für meinen jüngeren, mir octroyirten Reisegenossen einzukaufen. Ich erwähne dieses Umstandes nur, um schließlich einer wiederholt zum Ausdruck gebrachten Marotte des alten Degens noch zu erwähnen. Bei unserem Umherfahren schauten uns die jähabfallenden Gipfel der Hochalpen und ihrer Vorberge fortwährend in den Wagen. Das veranlaßte den General zu der immer wiederkehrenden Frage: „Da hinauf wolle der junge Strandläufer? (so nannte er seinen Reisegefährten, einen vortrefflichen, gebildeten jungen Mann von Geist und Herz, der unsere Dichter in deutscher Sprache gelesen hatte und mit dem ich dann sechs genußvolle Wandertage verlebte) – Da hinauf? Auf diese Schneefelder, in diese Schluchten, in diese Einöden? Er kenne das Gebirge, er habe x Jahre im Kaukasus commandirt und wisse, was dazu gehöre. Das sei von einem solchen Stubenhocker Uebermuth, Unsinn, der bestraft werden müsse; er bitte mich dringend den verwegenen Menschen nicht zu schonen, ihn zu strapaziren, wenn er auch einen Arm oder ein Bein breche, das schade nichts; nur das Leben dürfe es nicht kosten (setzte er ganz ernst hinzu), so, so – müsse er zurückkommen, daß die Zehen zu den Schuhen heraussähen und die Fetzen von den Kleidern hingen,“ und dabei begleitete der dicke Mann seine Worte mit den lebhaftesten Geberden, „aber, wie gesagt, das Leben dürfe es nicht kosten.“ Eben so lachend und jubelnd wie am Abend vorher übersetzte mir der junge Reisefreund die Wünsche seines Begleiters.

Und als ich nach sechs Tagen mit ihm zurückkam, sein vornehm-blasses Milch-Gesichtchen eine prächtige braune, männliche Färbung angenommen hatte und die Augen noch Eins so frisch und lebhaft glänzten, während die abgestoßenen Schuhsohlen zur Genüge bekundeten, daß wir nicht jederzeit über weiche Alpenmatten gewandert waren, da schüttelte der „Commandeur aus dem Kaukasus“ den Kopf; es war ihm gar nicht recht, daß der Chirurg nicht einige Knöchelchen zu flicken hatte. Die Rechnung von einigen Hundert Franken für ein Abendessen und für einige Zimmer über Nacht erschien dem Alten so spottbillig, daß er noch vierzig Franken über die Summe für die Dienerschaft hinzulegte. –

Und weshalb wurde diese Anekdote so breit und umständlich erzählt? wird mancher Leser der Gartenlaube fragen. Um an einem drastischen Beispiele zu zeigen, daß in gar vielen Fällen die Herren Gastwirthe von Haus aus nicht so sorglose Plusmacher sein dürften, wenn sie nicht von den Reisenden selbst dazu verwöhnt würden. Unser Russe war protzig, fühlte sich Herr und zwar auch Herr einer strotzenden Reisecasse und konnte somit seine übermäßigen Ansprüche mit Gold aufwiegen. Aber wie Viele reisen, die ebenfalls ganz absonderliche Lieblingsgewohnheiten von Hause mitbringen, außerordentliche Ansprüche wie Excellenzen stellen, dann auch wie russische Nabobs behandelt werden (versteht sich auch in Ansehung der Nota), aber – über keinen Goldregen gebieten können! Dann – –?

Die Antwort gelegentlich in einer anderen Reise-Anekdote[WS 1], wenn der Gartenlauben-Gärtner es nämlich wünscht.




Aerztliche Winke für Jungfrauen und junge Frauen.
3. Ueber die Schönheit und Pflege der einzelnen Theile des weiblichen Körpers.


Ich sah im Traum die Wesen groß und klein,
Die, Schönste, Dich zu schmücken sich verbanden;
Sah ihn, der Dir zur Stirn sein Elfenbein
Zu bieten sich erlaubt, den Elephanten,
Den Wurm, von dess’ Gespinnst die Wimper stammt,
Die seid’ne, an dem Augenlid von Sammt,
Den Raben, der sein Schwarz den Lockenschlangen
Verlieh, das Veilchen, dess’ bescheid’ne Pracht
Dir aus des Auges süßem Sterne lacht,
Die Rosen, deren Abglanz Deine Wangen.
Im Meere sah ich sie, von der zur Lippe
Das holde Roth kam, die Korallenklippe,
Die Muscheln, d’raus die zarten Perlen rühren,
Die, feingereiht, Dein Kirschenmündchen zieren.
Den Weiher sah ich, der den Schwan gehegt,
Nach dessen Hals gebildet ward der Deine,
Den Marmorbruch, aus dessen Prachtgesteine
Die Büste kam, die stolz Dein Köpfchen trägt.
Und dankbar grüßt’ ich Alles freudig schnell,
Was seine Steuer gab zu Deinen Reizen.
Da trat vor mich ein rußiger Gesell;
Mit meinem Danke mahnt er mich zu geizen,
Da ja mein Blick die Stätte nicht geseh’n,
Die mit dem Schönsten Deiner Schönheit diene.
Ich schaute aus – und sah die Schmiede steh’n,
Wo man die Reifen schlug zu Deiner Crinoline.


„Ein runder Arm, ein schönes Auge, ein netter Fuß, ist Alles, was ich brauche,“ sagt Körner. Hat nun aber ein weibliches Wesen noch mehr Schönes an sich als dies, so dürfte das wohl auch nicht zu verschmähen sein. Wir wollen uns deshalb nicht abhalten lassen, auch den übrigen Theilen des weiblichen Körpers unsere Aufmerksamkeit zu schenken.

Am Kopfe verlangt ebenso der behaarte Schädel, wie das Gesicht mit seinen Sinnesapparaten und seinem Mienenspiele eine solche Fürsorge, die soviel als nur möglich der Schönheit dienen und sogar häßliche Gesichter verschönern kann – Das Haar bedarf, als eine der schönsten Zierden des weiblichen Geschlechts, einer nicht geringen Pflege, und, wie überhaupt Reinlichkeit die Seele

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Anekdoet
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_358.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)