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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

bei, das französische Joch in Italien zu zertrümmern. Während aber der deutsche Tugendbund nach 1815 keine Lebensthätigkeit von einiger Bedeutung mehr kundgab, wirkten die Carbonari in Italien für die Einheit und die Freiheit Italiens fort. Den italienischen Carbonari sind wesentlich die Bewegungen beizumessen, welche in den Jahren 1819, 1820 und 1821 im österreichischen Theile Italiens, in Neapel und Piemont ausbrachen. Obgleich diese mit furchtbarer Grausamkeit niedergeworfen wurden, gelang es den italienischen Regenten doch niemals, die geheimen Verbindungen, welche im Lande bestanden, aufzulösen. Ein geheimer Verkehr zwischen den Gesinnungsgenossen in und außerhalb Italiens fand unausgesetzt statt. Die Schriften, welche Mazzini und seine Gesinnungsgenossen drucken ließen, wurden in Italien verbreitet, obgleich auf dem bloßen Besitze derselben die Todesstrafe stand. Auf der Oberfläche des politischen Lebens mochte scheinbar vollkommene Ruhe herrschen. Unter der Asche glimmte der Funke der Freiheit fort, welcher in den Jahren 1847, 1848 und 1849 von Neuem in lodernde Flammen ausbrach, 1859 und 1860 endlich große Erfolge errang und schwerlich eher ruhen wird, als bis Venetien und Rom mit Italien verbunden sein werden.

In Frankreich spielten unter den Bourbonen älterer und jüngerer Linie die geheimen Verbindungen eine bedeutende Rolle. Praktische Wirkungen konnten sie jedoch daselbst nur insofern hervorrufen, als sie mit mächtigen Volksdemonstrationen zusammentrafen. Die Julirevolution sowohl, als die Februarrevolution, waren unstreitig die Ergebnisse einer weitverbreiteten Unzufriedenheit des Volkes. Schwerlich würden sie aber so großartige Erfolge gehabt und zu einem so raschen Ende geführt haben, wenn nicht die Mitglieder geheimer Verbindungen in das planlose Treiben der Massen eine gewisse Ordnung und Organisation gebracht hätten. Wie es im gegenwärtigen Augenblicke mit den geheimen Verbindungen Frankreichs steht, ist schwer zu sagen. Die französische Polizei ist jetzt wachsamer, als zur Zeit Ludwig Philipp’s, Carl’s des Zehnten und Ludwig’s des Achtzehnten. Die furchtbaren Schläge, welche Napoleon der Dritte seit dem 2. December 1851 auf alle seine Gegner geführt, hat diese sehr vorsichtig gemacht. Bei der uns bevorstehenden nächsten Katastrophe wird es sich aber zeigen, daß auch die Napoleonische Herrschaft nicht im Stande war, alle geheimen Verbindungen auszurotten.

Wenn wir von geheimen Verbindungen reden, dürfen wir Freimaurer, Jesuiten und die sogenannte Camorra nicht unerwähnt lassen. Die Freimaurer haben in neuerer Zeit Staat und Kirche vollständig unberücksichtigt gelassen; sie wollen nur außerhalb der staatlichen und kirchlichen Verhältnisse wirken. Da aber in unsern Tagen Staat und Kirche die wichtigsten Interessen der Menschheit in sich vereinigen, haben die Freimaurer so ziemlich alle höhere Bedeutung verloren. Es mag für Viele angenehm sein, durch diesen Orden mit Männern von Rang, Stand und Vermögen in gewisse Beziehungen zu treten, für das Ganze, für die Menschheit erwächst daraus schwerlich ein erheblicher Vortheil. Einen ganz andern Charakter hat der geheime Orden der Jesuiten. Wir nennen ihn geheim, theils weil er noch immer in vielen Staaten Europa’s verboten ist, ohne freilich sich viel darum zu bekümmern, theils weil er auch da, wo er nicht verboten ist, die meisten seiner Operationen, wenigstens der großen Masse der Uneingeweihten gegenüber, mit dem Schleier des Geheimnisses verhüllt. Die Jesuiten können geradezu als die Gegenfüßler der Freimaurer bezeichnet werden. Staat und Kirche, welche die Letztern von ihren Verhandlungen ausschließen, bilden die eigentliche Domäne der Jesuiten, und während die Freimaurer eine gewisse Aufklärung zu verbreiten und die confessionellen Unterschiede zu verwischen bemüht sind, bildet der Aberglaube das Capital, von welchem die Jesuiten ihre Zinsen beziehen, und ist religiöse Verfolgungssucht das Mittel, mit dessen Hülfe sie Reichthümer sammeln und Herrschaft üben.

Neben den Jesuiten wird mit Recht die Camorra genannt, jene Verbrüderung, welche unter den Bourbonen in Neapel weit verzweigt war und ihre Abgaben von allen denjenigen erhob, welche sich vor ihren Mitgliedern fürchteten. Auf allen Märkten und Straßen fand sich, so oft ein Kauf abgeschlossen wurde, eine finster und unheimlich aussehende Person, welche die Hand ausstreckte. Gewöhnlich legten Käufer oder Verkäufer etwas in dieselbe, ohne ein Wort zu sagen. Die Abgabe wurde an die Camorra bezahlt, weil die Betheiligten fürchteten, falls sie sich dessen weigerten, könnte ihnen Unheil widerfahren; denn die Camorra war eine zahlreiche Verbrüderung und bestand aus Leuten ohne Gewissenhaftigkeit, aus Gaunern, Banditen und Dieben, deren Grimm Niemand erwecken wollte. In neuerer Zeit, seit Victor Emanuel über das Königreich Italien herrscht, hat sich ein neuer und besserer Geist im Schooße des italienischen Volkes geltend gemacht, neben welchem der geheime Orden der Camorra so wenig, wie der der Jesuiten, auf die Dauer bestehen kann. Die Camorra hat daher ihre praktische Bedeutung verloren und der Orden der Jesuiten besteht nur noch in denjenigen Theilen Italiens, welche nicht zum Reiche Victor Emanuel’s gehören.

Man sollte glauben, daß in dem republikanischen Amerika, im Lande der freien Presse, der freien Wahlen und überhaupt der Oeffentlichkeit, kein Boden für einen geheimen Orden zu finden sei. Dem ist aber nicht so; wo die Sclaverei so lange herrschte, wie im Süden der Vereinigten Staaten, wo der Kampf zwischen ihr und der Freiheit mit so großem Nachdrucke geführt wurde und gewissermaßen noch jetzt geführt wird, wie im Schooße der nordamerikanischen Union, da kann es an Leidenschaften nicht fehlen, welche eines verhüllenden Schleiers bedürfen. Furchtbare Leidenschaften und verhüllende Schleier machen aber die Grundbestandtheile der meisten geheimen Verbindungen aus.

In den Jahren 1856 bis 1860 tauchte in den Vereinigten Staaten der Orden des goldenen Cirkels auf, dessen Zweck darin bestand, die Herrschaft des Südens, der Sclavenhalter und der Aristokratie über den Norden, die freien Arbeiter und die große Masse des Volkes auszudehnen. Der Orden des goldenen Cirkels war es, welcher wesentlich dazu beitrug, die Rebellion des Südens einzuleiten und im Gange zu erhalten. Wahrscheinlich besteht derselbe heutzutage noch fort. Wie in den Jahren 1859 und 1860 ein unsichtbarer Hebel in allen Staaten des Südens bewirkte, daß um dieselbe Zeit fast aller Orten dieselben Maßregeln den Freunden der Freiheit der Union gegenüber ergriffen wurden, so sehen wir auch jetzt, daß aller Orten die frühern Anhänger der Rebellion und der Sclaverei zusammenwirken, um die erhabenen Grundsätze der Unabhängigkeitserklärung, wirkliche Freiheit, wirkliches Recht, nicht aufkommen zu lassen.

Wie in den Jahren 1859 und 1860 die Vorbereitungen zur Rebellion nicht blos der Ausdruck der öffentlichen Meinung, sondern die Folge einer geheimen Organisation waren, so ist die jetzt wieder neu gegründete Einmüthigkeit ohne Zweifel aus dieselbe Quelle zurückzuführen. Unmittelbar nach den Niederlagen, welche der Süden im April 1865 erlitt, war der Orden des goldnen Cirkels seinem Erlöschen nahe. Die Furcht, als Mitschuldiger des Mörders Wilkes John Booth[WS 1] angesehen zu werden, mochte manchem Ritter des goldnen Cirkels einige Angst einjagen. Die vollständige Straflosigkeit, welche der Präsident Johnson[WS 2] allen Rebellen angedeihen ließ, und seine Theorie der Reconstruction haben den wohlthätigen Schrecken verscheucht, welchen die Waffen der Union im Süden hervorgerufen hatten. Von Neuem befinden sich die Staaten, die früher das Schwert gegen die Union ergriffen hatten, im Zustande des Kampfes gegen den Norden, nur mit dem Unterschiede, daß sie diesen Kampf zur Zeit noch nicht wieder mit dem Schwerte in der Hand, sondern nur vermittels der Presse, der Volksversammlungen und der Abstimmungen führen. An diesem Kampfe nehmen nicht blos die Männer, sondern auch die Frauen, nicht blos die ehemaligen Soldaten, sondern auch die Geistlichen Theil, so sonderbar dieses auch erscheinen mag, da die Sclaverei einem geordneten Familienleben nicht minder, als dem Geiste christlicher Liebe und brüderlicher Gleichheit widerstrebt. Schwerlich würde der Süden nach so schweren Niederlagen, welche er erlitt, sobald schon wieder einen Kampf mit dem Norden gewagt haben, wenn nicht eine geheime Organisation von Neuem zu diesem Behufe in Thätigkeit getreten wäre.

Ueber die fenische Brüderschaft, die auch hierher zu zählen ist, haben die Leser der Gartenlaube bereits in Nr. 20 d. J. Näheres erfahren.

Geheime Verbindungen gehören immer zu den Krankheitserscheinungen eines Staates. Wo diese sich zeigen, sollte eine vorsichtige Regierung sich bemühen, deren Ursachen zu beseitigen. Die Ursache, welche die geheime Verbindung des goldnen Cirkels hervorrief, war die Sclaverei; sie ist jetzt in den Vereinigten Staaten Nordamerikas gesetzlich aufgehoben. Schwerlich wird sich, nachdem dieses geschehen, der Orden des goldnen Cirkels lange mehr behaupten können. Die Ursache der Entstehung der fenischen Brüderschaft ist die unleugbare Mißregierung, unter welcher Irland leidet. Die Ursache, welche die Entstehung des Jesuiten-Ordens hervorrief, war Aberglaube in Verbindung mit Herrschsucht und Fanatismus. So lange diese drei mächtigen Hebel nicht zerbrochen sind, wird es immer Jesuiten im Priester- oder im Laienrocke geben.

G. St.




Franz Deák. Unter den Führern der magyarischen Bewegung ist im Auslande kaum ein Name mehr genannt und mehr bekannt, als der des Leiters der gemäßigt liberalen Partei, Franz Deák; daher wird es sicher unsern Lesern interessant sein, über Persönlichkeit und Leben des unermüdlichen Patrioten aus einer mit den ungarischen Verhältnissen sehr vertrauten Feder im Nachstehenden einige Einzelheiten zu erfahren, die zur Charakteristik des bedeutenden Mannes beitragen.

Es kann nicht unsere Absicht sein, uns in eine Auseinandersetzung der politischen Verdienste Deák’s einzulassen; dies würde zu weit führen, liegt außerhalb der Tendenz dieser Blätter und ist überdies in den zahlreichen politischen Zeitschriften ausführlich zu finden. Nur dies sei uns erlaubt zu bemerken, daß diejenigen, welche ihn für einen Agitator halten, im Irrthume sind; Deák ist nichts weniger als dies. Er ist ein seinem Volke und Vaterlande innigst ergebener, weiser Politiker, der zu warten, der Einiges zu opfern versteht, um das Wichtigere zu retten und zu bewahren, wie der Steuermann oft kostbaren Ballast über Bord wirft, um das Schiff in den schützenden Hafen führen zu können. Er ist ganz eigentlich der Mann des Friedens; nichts desto weniger ist er in der Nationalitätsfrage durch und durch Magyare, der die Einheit und damit die Kraft und das Glück seines Vaterlandes in dessen möglichst ausgedehnter Magyarisirung sucht, gleichwohl aber ein entschiedener Gegner jeder andere Nationalitäten aufregenden Vergewaltigung ist.

Allein selbst gänzlich abgesehen von der hervorragendsten seiner Begabungen – von seinen eminenten politischen Fähigkeiten – bleibt noch so viel des Erwähnenswerthen an diesem merkwürdigen Manne, daß man kaum weiß, wo anzufangen, wo zu enden ist! Sein Glaubensbekenntniß ist in seinen unvergeßlichen, nie genug zu wiederholenden Worten enthalten: „Um frei zu sein, müssen wir zuerst gerecht sein! Wir fordern Gerechtigkeit von oben, wohlan, laßt sie uns zuerst nach unten üben!“ Demgemäß ist er bei jeder Gelegenheit der eifrige Vertreter der untern Volksclassen, für welche er sein unglaubliches Rednertalent freudig in die Wagschale legt. Dieses Talent ist aber so großartig, daß wir nicht anstehen zu behaupten, Deák sei einer der ersten Redner, nicht nur seines Vaterlandes, sondern der Welt. Was seine Reden charakterisirt, ist nicht jene mit Blitzesschnelle ergreifende, zauberhaft anziehende, glänzende, blumenreich dichterische Sprache, nicht jene glühende und sprühende Beredsamkeit, mit welcher Kossuth seine Erfolge erzielte, sondern eine sonnenklare, scharfe, fehlerlose Logik, ein ruhiger, fester, tiefer Ideengang und eine wohlthuende innere Wärme, welche sich über die ihrer Natur nach kältesten und trockensten Fragen ergießt. Bei ihm ist eben der kühl erwägende Verstand mit dem wärmsten, tiefstfühlenden Gemüthe gepaart, und davon trägt auch sein Aeußeres das deutlichste Gepräge. Niemand kann in dieses wohl und gesund aussehende, regelmäßige Gesicht mit den strahlend schönen, lebhaften Augen, der hohen Stirn, den heitern ruhigen Zügen blicken, ohne von der Reinheit dieser Seele überzeugt zu sein und sich unwiderstehlich zu dem Träger desselben hingezogen zu fühlen. Seine

Anmerkungen (Wikisource)

  1. John Wilkes Booth Mörder von Abraham Lincoln († 15. April 1865)
  2. Andrew Johnson Nachfolger von Abraham Lincoln als Präsident der Vereinigten Staaten
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_367.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)