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desselben aus dem Hausgebrauchs erscheinen! Ja, eine einzige Federpose voll, die durch Ungeschicklichkeit vergossen wird und in die Ritzen sich verläuft, kann auf die Jüngsten des Bauernhauses schon sehr schädlich einwirken. Darum wolle man also die derartigen Salben jederzeit, für Menschen aus Fett und für die Hausthiere aus grüner Seife, nur mit Petroleum sich herstellen. Noch wirksamer gegen die Parasiten ist bekanntlich die Insectenpulvertinctur, ein Auszug jenes Pulvers mit drei Theilen Spiritus und einem Theil Wasser, den man sich leicht und billig selbst bereiten kann.

Wie alle Uebertreibungen beim Gebrauch von Arzneimitteln, so kann namentlich die bei der Anwendung von grauer Quecksilbersalbe sehr leicht traurige Folgen haben. Es ist ein bedauernswerthes, leider nur zu allgemeines Vorurtheil ungebildeter Leute, daß man durch recht große Portionen einer vom Arzte verordneten Arznei die Heilung beschleunigen, gleichsam erzwingen könne, während doch jeder Verständige einsehen muß, daß eben nur ganz genaue und pünktliche Befolgung der ärztlichen Vorschrift allein eine Wirkung des Heilmittels ermöglichen und herbeiführen kann! Fast bei keinem ähnlichen Mittel kann aber die übermäßige Anwendung so üble und nachhaltige Folgen bringen, wie bei der grauen Quecksilbersalbe, die, vom Arzte vielleicht zur Entfernung einer unbedeutenden Geschwulst verordnet, Quecksilbervergiftung, Speichelfluß und jahrelanges Elend hervorzurufen vermag. In ähnlicher, wenn auch nicht völlig so bedrohlicher Weise kann auch das Quecksilberpflaster gefährlich werden. Alle übrigen Präparate und Zubereitungen des Quecksilbers sind von vornherein so drastisch und furchtbar bedrohend, obwohl oft zugleich unersetzbar heilkräftig in ihren Wirkungen auf den menschlichen Körper, daß sie niemals ohne ärztliche Verordnung verabreicht werden dürfen und daher als Volksheilmittel gar nicht in Betracht kommen können.




Mein Bruder.
Episode aus dem gegenwärtigen Kriege.


Mit klingendem Spiele und fliegenden Fahnen zog am 16. Juni d. J. ein sächsisches Regiment durch die Straßen von Dresden. Die Regierung des Königreichs Sachsen hatte sich, wie bekannt, in dem bevorstehenden Kampfe auf die Seite von Oesterreich gestellt, und die sächsischen Krieger gingen, gehorsam dem Befehle ihres Landesherrn, entschlossen – wenn auch nicht immer gerade freudigen Muthes – den drohenden Gefahren entgegen, die eine ernste Zukunft wie in gewitterhafter Schwüle dem menschlichen Blicke noch verhüllte.

Der Zufall führte mich an dem genannten Tage mit einer jungen und interessanten Dame, die ich bei irgend einer Gelegenheit flüchtig kennen gelernt hatte, auf der Straße zusammen; sie hatte sich einen etwas versteckten Platz ausgesucht, von dem aus sie jedoch die vorbeimarschirenden Soldaten ziemlich gut sehen konnte. Als die letzten Reihen des die Stadt verlassenden Regimentes an uns vorübergezogen waren, bemerkte ich, daß meine junge Freundin, die ich Elise Martins nennen will, obschon dies nicht ihr richtiger Name ist, sehr still und ernst geworden war. Ich näherte mich ihr, und erhielt auf meine an sie gerichtete Frage, ob vielleicht ein lieber Freund oder ein naher Verwandter von ihr unter den so eben ausgezogenen Kriegern sei, die Antwort: „Ja wohl, mein Herr; mein einziger Bruder ist darunter. Ich hatte zwar schon Abschied von ihm genommen und ihm dabei versprechen müssen, daß ich zu Hause bleiben wollte; allein es duldete mich nicht daheim. So lange ich ihm in’s Auge blicken und seine liebe Stimme hören konnte, war ich voller Kraft und Muth; als sich aber die Hausthür hinter ihm geschlossen hatte und die nächste Ecke ihn meinen Blicken entzog, da war all’ meine Kraft dahin, mein Muth begann zu wanken und es war mir, als ob ich ihn niemals wiedersehen würde. Rasch nahm ich meinen Shawl und meinen Hut, und eilte auf die Straße. Ich suchte diese etwas verborgene Ecke auf, denn ich wußte ja von ihm, daß er und sein Regiment hier vorbeikommen würden. Ich habe ihn nun auch noch einmal gesehen und fühle mich jetzt etwas beruhigter.“

„Ich kann und will Sie nicht tadeln, liebes Fräulein,“ erwiderte ich, „mag der letzte Scheideblick, den Sie mit liebevollem Herzen Ihrem Bruder zusandten, ihm unsichtbaren Schutz und Schirm gewähren gegen die vielfachen Gefahren, die den Krieger bedrohen.“

„O möchte es so sein,“ antwortete meine junge Freundin, „allein Ulrich, so heißt mein Bruder, sagte nur zu oft und wohl mit Recht, daß einem Bruderkriege so leicht kein Heil entsprießen könnte. Zwar glaube ich nicht, daß ihn selbst je eine Art von Todesahnung befallen hat, aber er äußerte wiederholt und – wie ich fest überzeugt bin – mit voller Aufrichtigkeit, daß er mit Freuden sein Leben zum Opfer bringen wolle, wenn dem Vaterlande, unserem Sachsen und dem ganzen großen, schönen Deutschland dadurch ein Dienst erwiesen werden könne, Er war aber eigentlich stets mit sich im Zweifel, auf welcher Seite das wirkliche Recht sei, ob auf Seiten Preußens oder Oesterreichs. Er liebt unser schönes Sachsen von ganzem Herzen, aber über Alles geht ihm doch stets die Freiheit und Einheit Deutschlands. Seit er nun von mir geschieden, ist es mir immer, als ob eine innere Stimme mir zuriefe: ‚Dein Bruder wird ein Opfer dieses unseligen Krieges sein, in welchem Deutsche gegen Deutsche stehen und Bruderblut die deutsche Erde tränken wird!‘“

Ich wußte kaum, womit ich die verlassene, tief betrübte Schwester trösten sollte, doch suchte ich ihr das Gefährliche und Unberechtigte sogenannter Ahnungen auseinander zu setzen, und fügte hinzu, daß ich aus eigener Erfahrung, die sich im nordamerikanischen Bürgerkriege mehr als einmal gemacht, wüßte, wie häufig solche traurige Vorgefühle, selbst wenn sie einem gerechten Schmerze entsprängen, sich als falsche, leere Truggebilde herausstellten. Wir waren unterdessen in die Nähe ihrer Wohnung gekommen, und ich empfahl mich Fräulein Elise, indem ich ihre durch trübe Ahnungen hart erschütterte Hoffnung auf ein frohes und glückliches Wiedersehen mit ihrem Bruder, den sie mir fast abgöttisch zu lieben schien, frisch zu beleben suchte.

„Der Himmel stehe uns Frauen bei,“ sagte das tiefergriffene Mädchen, bevor wir uns trennten, „uns Frauen, die wir durch Natur und Erziehung weicheren und regelloseren Gefühlen unterworfen sind, als die Männer. Da sitzen wir zu Hause, und nähen und sticken, oder lesen auch wohl irgend ein unserem Geschmacke und unseren Neigungen zusagendes Buch; unseren Lieben aber, die da draußen den mühseligsten Anstrengungen und Märschen, Hunger und Durst, Gefangenschaft und Tod ausgesetzt sind, ihnen vermögen wir nicht zu helfen und in nichts beizustehen. Alles, was uns übrigbleibt, ist, unseren Thränen freien Lauf zu lassen und unsere heißesten Wünsche für die theuren Entfernten zum Himmel empor zu senden.“

Als ich meine Wohnung erreicht hatte, konnte ich lange nicht meine Gedanken regeln, immer kehrten dieselben zu Fräulein Elise Martins und der mit ihr gepflogenen Unterhaltung zurück. Endlich aber gelang es meiner Frau, welche – obschon in Preußen geboren – sich in Amerika eine gewisse praktisch-kosmopolitische Richtung erworben hat, die mir sonst ziemlich fremden sentimentalen Anwandlungen zu bannen. Dazu kam, daß wir, meine Frau sowohl wie ich, nahe und liebe Verwandte in der preußischen Armee haben, daß auch unsere Familie mithin durch den ausgebrochenen Bruderkrieg in tiefe Trauer versetzt, ja, daß möglicherweise einer der Unsrigen durch eine tödtliche Kugel gerade von Elisens Bruder in das unbekannte Jenseits gesandt werden konnte. Allein wir haben die Schrecken des Krieges in dem Secessionskampfe hinlänglich kennen gelernt und gaben uns darum schließlich der tröstlichen Hoffnung hin, daß hier, wie drüben in der neuen Welt, das Recht endlich doch siegen und „der Freiheit Rose“, wenn auch „aus blutbespritztem Grunde“, frisch und kräftig emporsprießen werde. – –

Seit meinem zufälligen Zusammentreffen mit Elise Martins waren etwa zwei Wochen vergangen. Die Preußen waren längst in Sachsen eingedrungen und hatten das ganze Königreich, ohne irgendwo Widerstand zu finden, in Besitz genommen. In der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_473.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2016)