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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

bekomm’ ich weidlich Lust, es gleich fürzubringen! Wie’s hier aussieht! Wie Alles durcheinander geworfen ist! Der Staub liegt auf dem Geräth’, man könnt’ schreiben darauf! Da hängt Dein schönes Koller von gerissenem Sammt über dem Bettpfosten, der Kerzenstahl ist über die Handschuhe gefallen und die Stiefeln haben sich in den Waschkasten verirrt – eine leibhafte, leidige Jungherrenwirthschaft! Das ist nichts für Dich, das ist nicht für einen Mann wie Du. Du brauchst Jemand, der Ordnung hält, Du solltet …“

„Und was sollt’ ich?“ fragte Roritzer, der ihm verwundert und lächelnd zugesehen und sich wieder an dem Tisch zu seiner Zeichnung niedergelassen hatte. „Warum stockst Du?“

„Stocken? Warum doch sollt’ ich?“ fuhr Loy eifrig in immer zutraulicherem Tone fort. „Du solltest zur Freit’ gehen und Dir eine liebe, wackere Hausfrau heimführen…“

„… In der That?“

„Freilich, mein Wölflein, freilich! Das solltest Du, und wenn Du mich anhören und mit dem Kuppelpelz nicht knickern willst, wüßte der alte Loy Dir wohl zu verschaffen, was Du brauchst. Ist Dir nichts Besonderes vorgekommen gestern Abend im Greiffen? Aber nein, Du warst zu sehr mit andern Dingen beschäftigt, Du hast nichts davon gesehen, daß die Sibylle ganz verweinte Augen hatte, daß sie ganz verdreht war und sich immer zweimal rufen ließ! Hat sie mir nicht, als ich zuletzt noch einen Humpen Rheinfall begehrte, Wasser hingestellt, klares, wirkliches Wasser? … Dem armen Mädel ist’s eben angethan… Was meinst Du, Wölflein? Sie ist guter Leute Kind und ihr Vater, der Schenk zum Greiffen, wird mit einer ganz anständigen Mitgift herausrücken …“

Roritzer schwieg; er hatte den Stift ergriffen und zeichnete.

Loy war unverkennbar froh, daß er ihn gewähren ließ. „Sie schickt sich wacker zu Dir,“ fuhr er fort, „sie ist still, bescheiden und sittig und lief’ für Dich durch’s Feuer! Hat ein paar runde, rothe Wänglein und Augen wie reife Schwarzkirschen. Wie wär’s, Wölflein, wenn ich den Freiwerber machte für Dich? Ich sorge nicht, einen Korb zu bekommen. Wenn ich mir’s so ausdenke, Junge, daß Du Deinen eigenen Hausstand hättest, daß Dein schönes, großes Haus nicht so einsam wäre, wie eine verlassene Ritterburg, wenn ich jeden Abend, statt in den Greiffen, zu Dir kommen könnte und könnte mit Dir schwatzen und die Sibylle brächte mir wie sonst meinen Abendtrunk und ich erlebt’ es noch gar, daß ich Deinen Buben die Hand führen könnte, wenn sie dem Vater nachschlagen und auch Häuser zeichnen wollen und Kirchen… Wie mich das freuen sollt’, wie’s mich noch einmal jung machen sollt’, um ein zehn Jahre zum wenigsten! Es ist und bleibt wahr, es giebt doch kein rechtes Glück, als daheim in seinem Hause, am eigenen Heerd… Du sagst nichts? Also bist Du einverstanden? Also darf ich ein Wort für Dich anbringen? Du giebst mir die Erlaubniß?“

„Ohne Widerrede,“ erwiderte Roritzer leichthin, ohne aufzusehen und sich im Zeichnen zu unterbrechen, „gieb mir nur vorher auf eine einzige Frage Bescheid …“

„Auf zehn, mein Wölflein; frage nur.“

„So sage mir, warum Du die Freuden, die Du so lockend beschreibst, Dir nie selber verschafft hast? Warum hast Du nicht gefreit?“

„Ich?“ rief Loy verdutzt, „dumme Frage! Bei mir ist es doch ganz was Anderes. Ich … ich hab’ zum Freien keine Zeit gehabt, wahrhaftig keine Zeit. Ich … Wie kannst Du auch nur so fragen; ich war so gut im Zug und Du bringst mich ganz aus dem Zusammenhang.“

„Wir müssen’s verschieben auf ein andermal,“ rief Roritzer, indem er sich lachend erhob. „Ich höre Schritte vor der Thür, es werden die Wachtgenossen sein, sie kommen, mich zu holen!“

„Ich wollt’, es käm’ ein Anderer, sie zu holen!“ rief Loy unwillig, unterbrach sich aber sogleich selbst und verbesserte sich: „Ja so, sie sind ja jetzt unsere guten Freunde, da heißt es, den Katzenbuckel machen… Hu, welch’ ein saurer Apfel, die Zähne werden mir lang bei dem bloßen Gedanken! Aber es muß einmal gebissen sein …“

Dabei hatte er die Thür weit aufgerissen und lud die herantretenden Bürger mit freundlichem Grinsen und unter steten Bücklingen zum Eintritt ein. „Ei, Gott willkommen,“ rief er, „ehrbare Meister, insonders günstige Freunde und Herren! Was Ehre und Freude für diese geringe Schwelle, daß Ihr sie überschreiten möget! Gottwillkommen, gebt mir Eure wackere, vortreffliche Hand, Meister Hörhammer … Ihr auch, Herr Schmiedmeister. Es ist merkwürdig, welche Aehnlichkeit Ihr habt mit Simon Petrus, dem Jünger des Herrn; Ihr wißt wohl, der auch das Schwert zog und Malchus das Ohr abhieb …“

„Ei, das beliebt Euch nur so zu sagen, Herr Loy,“ entgegnete der Schmied etwas unwirsch und doch geschmeichelt. „Man weiß, Ihr seid ein Schalk. Der heilige Apostel war ein Fischer, ich bin ein Grobschmied.“

„Thut nichts, Ihr gleicht ihm doch,“ fuhr der Bildschnitzer fort, „und so Ihr nichts dawider habt, werd’ ich Euch abconterfeien, auf dem nächsten Kreuzweg, den ich zu schnitzen habe, in der Oelberg-Station, unter den schlafenden Jüngern, das Schwert neben Euch!“

„Wenn Ihr denn doch so besondere Lust verspüret, unsere Köpfe unter Euer Messer zu bekommen,“ unterbrach ihn der bucklige Weber, indem er mit lauerndem Blick vortrat, „habt Ihr nicht auch für mich ein Plätzchen in Euren Schnitzereien?“

„Das versteht sich!“ rief Loy. „Für Euch vor allen Andern. Was meint Ihr zu Simon von Cyrene, der dem Herrn das Kreuz trug? Ihr seid ja wie geschaffen zum Kreuzträger.“

„Laß Deine Possen,“ rief jetzt Roritzer mit einem Ernste dazwischen, der den nicht daran gewöhnten fröhlichen Greis stutzen und verstummen machte. „Sie stimmen schlecht zu dem Ernst des Augenblicks … Gott zum Gruß, ehrbare Meister und Wachtgenossen,“ fuhr er fort und wendete sich mit würdevoller Verneigung gegen die Bürger, „so ich recht vermuthe, kommt Ihr, mir das Geleite zum Rathhause zu geben?“

„So ist es, Herr Dommeister,“ erwiderte der Schmied, „wenn Ihr noch gesinnt seid, wie gestern …“

„Hättet Ihr daran gezweifelt?“ sagte der Dommeister ernst. „Wäre dies Geleite vielleicht mehr eine Wache, als eine Ehre? Dann mögt Ihr für alle Fälle Euch einprägen, Wolfgang Roritzer ändert seinen Sinn nicht über Nacht … ich habe mich mit Euch vertragen, Ihr habt Ruhe gehalten und habt die Freiung der Domhütte geachtet; dafür halte auch ich, was ich versprochen, und sollt’ es mich zehnmal gereuen. Das ist aber nicht der Fall: mit meinem Bau beschäftigt und nur in meine Kunst vertieft, hab’ ich nur wenig auf die Beschwerden und Händel geachtet, so den Bürgern und der Gemein mit dem Rath erwachsen. Die Aufschreibung, die Ihr mir noch gestern geschickt, hat mich eines Andern belehrt, und ich danke dem Geschick, das gestern den Flüchtling und seine Verfolger zu mir geführt … ich bin ein Bürger, wie Ihr, und will zu den Bürgern stehen; das Unrecht, das man Euch anthun will, widerfährt auch mir, ich will es abwehren für uns Alle! Viele von Euren Klagen sind wohl begründet, es kommt nur darauf an, sie in’s rechte Licht zu stellen; wollten die Herren vom Rath ernstlich widerstreben, sie müßten geradezu die Partisane des Unrechts sein und dessen wird der Rath von Regensburg sich nicht zeihen lassen. Drum hoff’ ich viel, hoffe Versöhnung und Heil für die gute Stadt von dem heutigen Rathsgespräch… Und so laßt uns in Gottes Namen und mit seiner Hülfe den ernsten Gang beginnen!“

(Fortsetzung folgt.)




Die erste eroberte Standarte.
Von einem preußischen Reiterofficier.


Ich bin kein Pantheist, mein Herr, und kein Idealist; allein ich behaupte, das Pferd hat eine Seele mit allen denjenigen Eigenschaften des Intellectes, welche den Menschen zieren, als da sind: Treue, Dankbarkeit, Muth, Ehrgeiz, Stolz etc. Der Zweifler hätte bei Nachod unsere Cavalerie sehen müssen, er hätte meine Ueberzeugung getheilt. Die ganze Welt wundert sich, daß wir die alte, hochberühmte österreichische Reiterei bisher bei jeder Gelegenheit geworfen – wir, theilweise ganz junge Regimenter, die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_524.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)