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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Insel, welche von dem bei der im Laufe des Jahres vorgenommenen Flußregulirung geradegelegten Hauptbett der Elster nach der Stadt hin und einem für Hochfluthen offen gelassenen Arme desselben eingeschlossen wird. Ueber das erstere führt eine neue so hoch gelegte Brücke, daß die kleinen Dampfschiffe, welche jetzt die Elster von dem neuen Dorfe Plagwitz herein befahren, ungehindert darunter weg gelangen, über den letzteren eine alte ziemlich baufällige Brücke, die sogenannte Heubrücke. Jene Brücke bildet von der Plagwitzer Straße her den Hauptzugang zur Anstalt, welche durch ihre Lage auf der Insel gegen nähere Anbauten auf eine lange Reihe von Jahren gesichert erscheint.

Mitten durch die Insel führt der Länge nach ein Canal, der sich bald auf eine Strecke von einhundertachtzig Ellen zu einer fünfzig Ellen breiten teichartigen Fläche, dem eigentlichen Schwimmbecken, erweitert. Oberhalb und unterhalb der Erweiterung befinden sich Grabenköpfe, welche sie vom Canal abschließen, den Eintritt des Hochwassers verhindern und eine völlige Absperrung des Wassers möglich machen, wenn es wünschenswerth erscheinen sollte, zum Zwecke der Reinigung des Bodens das Wasser in den westlichen tief gelegenen Fluthgraben abzulassen. Das obere Stück jener Erweiterung ist bis auf eine Tiefe von vier bis sechs Ellen ausgegraben und für den ausschließlichen Gebrauch der Schwimmer bestimmt, das untere Drittel gehört den Badenden, Männern und Kindern. Es hat eine Tiefe von fünf bis anderthalb Fuß. Die ansteigende Sohle ist theils mit Ziegeln gepflastert, theils wird sie, wo der Ausflußcanal in gleicher Tiefe mit dem Schwimmbecken hindurchgeht, von einem Gitter aus Latten gebildet. Das Ganze ist von einer aus Pfählen und Pfosten gefügten Uferverkleidung eingeschlossen, welche bis zur Höhe des höchsten Wasserstandes aus Eichenholz, darüber aus Tannenholz gefugt ist und einen elf Fuß breiten, gleichfalls mit tannenen Dielen belegten Breterweg (Perron) trägt.

Zwischen dem Bad für die Schwimmer und dem für die Nichtschwimmer führt eine mit Geländern versehene Brücke von der einen Seite des Perrons zur andern; sie ist zur „Abrichtung“ bestimmt, d. h. bietet den Schwimmlehrern den Standort. An ihren Ausgängen befindet sich auf beiden Seiten ein Thürmchen mit den Vorrichtungen für kalte Sturz- und Regenbäder. Zwei Brunnen, welche hier unter dem gemauerten Boden des Bades liegen, liefern dazu ein kühleres und frischeres Wasser, als der Fluß es in der heißern Jahreszeit bringt. Im Uebrigen hat das Bassin keine besondere Einfassung, abgesehen von den Stellen, wo sich die in’s Wasser führenden Treppen befinden.

Für die Anlage und Ausstattung der Gebäude, welche das Bassin umgeben, boten die bewährten Einrichtungen der ehemaligen Neubert’schen Anstalt den Anhalt, so daß eine frühere Beschreibung der letzteren zum Theil wörtlich auf die neue übertragen werden kann, doch ist Alles höher, weiter und freier geworden. Am untern schmalen Ende (im Mittelgrunde unseres Bildes) erhebt sich nunmehr das zweistöckige massive Wirthschaftsgebäude; es enthält die Zimmer für den Expedienten, die Schwimmmeister und sonstigen Anstaltbeamten, den Restaurateur und mehrere geräumige Wirthschaftslocale zu den Seiten der Eingangshalle. An der der Stadt abgewendeten Langseite zieht sich eine große offene Auskleidehalle mit Bänken, Kleiderhaken hin, die nöthigen Badetoilettenbedürfnisse, Stiefelknechte, Spiegel, Bürsten und Kämme, liegen hier in richtigen Abständen vertheilt an Ketten oder werden aus dem mittelsten vergitterten Abschnitte der offenen Halle ausgegeben. Gegenüber in ziemlich gleicher Länge befindet sich das Gebäude, welches die Räume zum getrennten Auskleiden der Einzelnen enthält. Es besteht aus fünfzehn gleichen ziemlich quadratischen Zimmern nebeneinander. Der Eingang in dieselben ist vom Perron. Rechts und links von diesem Eingange befinden sich an den Wänden des Zimmers auf jeder Seite vier abgesonderte Zellen, die von einander durch Holzwände getrennt und durch eine besondere Thür zu verschließen sind. Diese Zellen umschließen abermals Alles, was zur Bequemlichkeit beim Aus- und Ankleiden der Badenden dient. Da das mittelste jener fünfzehn Zimmer zum Ausgeben der Wäsche an die regelmäßigen Besucher der Anstalt gebraucht wird und keine Zellen enthält, so beträgt die gesammte Zahl derselben einhundert und zwölf. Tragbare eiserne Bänke stehen zwischen den Thüren.

Dem Besucher der Anstalt, welcher durch die Eingangshalle hereintritt und sich, je nachdem er sich im geschlossenen oder offenen Raume entkleiden will, links oder rechts wendet, fallen aber am meisten die mancherlei Vorkehrungen auf, welche zur turnerischen Uebung des Springens in das Wasser und dergleichen Uebung im Wasser selber vorhanden sind: schwimmende Balken oder Walzen, schwimmende Bänke, eine Wippe mitten im Wasser, ein über demselben hängendes Seil, ein Holzkreuz, ein Floß etc. Selten sieht man diese Geräthe unbenutzt; besonders die muntere Jugend macht unaufhörlich darauf ihre Künste, führt mit kleinen Rudern bewehrt das Floß auf dem Wasserspiegel hin und her, kippt und wälzt es um, reitet auf Kreuz oder Walze, macht sich den ruhigen Sitz streitig, stürzt sich oder fällt herab und kommt so bald auf die eine, bald auf die andere Art in die wunderlichsten Lagen, bis sie mit dem Wasser so vertraut wird, wie eine Wasserratte. Die große Ausdehnung des Wasserspiegels macht es möglich, dieses Spiel zu gestatten, für das die meisten andern geschlossenen Schwimmanstalten in Flüssen den Raum nicht hergeben können. Mit besonderer Vorliebe endlich ist für die Liebhaberei der Wasserspringer gesorgt. Rechts und links liegen Breter theils fest, theils auf Federn, damit sie wippen und den Schwung des Springers vermehren, mit Matten überzogen, damit der Fuß nicht gleitet. Am obersten Ende des Schwimmbads erhebt sich bis 26 Fuß frei über dem Wasser das eigentliche Springgerüst, in der Mitte eine erhabene Brücke, unter der Schaukelreck und Schaukelringe angebracht sind, an welchen die turnfertigen Kinder, Jünglinge und Männer Leipzigs von der Höhe herab über die Wasserfläche hinausfliegen, um sich im kühnen Absprunge und Ueberschlag mitten in die Fluth zu stürzen, daneben auch ein festes Reck über dem Wasser. Schwerlich findet man gegenwärtig an einem anderen Orte derartige Vorkehrungen in gleicher Vollständigkeit zu einem schönen Ganzen vereinigt, und ebenso gewiß schwerlich eine gründlichere Benutzung, da der Sinn für turnerische Ausbildung in Leipzig lebendiger ist als irgend sonst. Wurden doch in der ersten Woche der Benutzung der neuen Schwimmanstalt 3483 einzelne Billets, außerdem zu billigerem Preise noch 91 Dutzend und endlich 241 Abonnementbillets verkauft, so daß sich ungeachtet des äußerst niedrig gegriffenen Preissatzes eine Einnahme von mehr als 525 Thaler ergab. Auch ist die Anstalt fort und fort fleißig besucht geblieben, trotz der Ungunst des Wetters und so mancher widrigen Verhältnisse in diesem verhängnißvollen Sommer. Als ein schönes Werk und Beispiel des praktischen, auf gemeinnützige Zwecke gerichteten Sinnes der Leipziger Bürgerschaft darf jedenfalls auf allgemeine Anerkennung Anspruch machen.

L. C. J.




Blätter und Blüthen.


Ein Meerwunder. Etwa zwanzig englische Meilen Seewegs von dem Punkte entfernt, wo sich zwischen Dover und Calais die gegenüberliegenden Küsten Englands und Frankreichs am nächsten kommen, erhebt sich vor einem prachtvollen Meereshorizonte an bewaldeter, hügliger Küste die Stadt Ramsgate, eines der beliebtesten Seebäder der Londoner Mittelclassen. In der That ist es mit seinen Klippenpromenaden und Hafendämmen, seinem herrlichen Wellenschlage und seinem sandigen Strande ein reizender sommerlicher Seeaufenthalt, und was den Weltverkehr betrifft, den uns hier die nah und fern vorüberziehenden Schiffe gleichsam vor Augen demonstriren, so können sich nur sehr wenige andere Seebäder Großbritanniens mit diesem Ramsgate messen, wo sich das ganze gewaltige Handelstreiben von der Nordsee durch den Canal in den atlantischen Ocean und von dem atlantischen Ocean zurück in die Nordsee unaufhörlich vor unsern Blicken auf und nieder bewegt. Dies ist denn auch ein Hauptgrund, warum ich gerade hier so gern meine Villeggiatur halte.

Auch diesen Sommer verlebte ich, dem Dunst und Lärm der Weltstadt entronnen, ein paar genußreiche Wochen in Ramsgate. Eines Morgens vom Bade zurückkehrend, stieg ich die Ostklippe von Ramsgate hinan und warf, einen Moment auf dem steilen Wege ruhend, den Blick über die See, als das „Meerwunder“ mir in’s Auge fiel, von dem ich die Leser der Gartenlaube unterhalten will. Ein Schiffchen, nicht größer, als ein Fischerboot, aber ganz ausgestattet wie ein Dreimaster: Masten, Raaen, Stangen, Segel, Alles in größter seemännischer Vollständigkeit und, um den seltsamen Hinblick zu krönen, das ganze Fahrzeug von oben bis unten mit wehenden, weiß-roth-blauen Wimpeln geschmückt. Fast in demselben Moment wurde im Hafen die amerikanische Flagge aufgehißt und nun entdeckte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 582. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_582.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)