Seite:Die Gartenlaube (1866) 585.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

No. 38.

1866.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Der Dommeister von Regensburg.
Geschichtliche Erzählung von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


Indessen hatte Loy die Gelegenheit wahrgenommen, da die Aufmerksamkeit durch andere Dinge von ihm abgelenkt war, und hatte sich seitwärts in’s Dunkel der Häuser gedrückt; es drängte ihn, zum Dome zu eilen und Nachsicht zu pflegen in der seiner Obhut übertragenen Bauhütte. „Ein alter Spruch, ein wahrer Spruch,“ murmelte er in sich hinein, „wenn die Gemein’ unsinnig wird, läuft sie an den Wänden hinauf … aber das Mitlaufenmüssen, das hat seinen Haken! Wie gut, daß ich gleich im ersten Augenblick vorgesorgt habe; die Fluth steigt immer höher und hat leichtlich Alles überschwemmt, noch ehe das Wölflein wiederkommt mit Kaisers Bescheid …“

In diesen Gedanken ward er durch eine zarte Hand unterbrochen, welche sich ihm aus dem Dunkel auf seinen Arm legte, und eine weiche Stimme flüsterte: „Seid Ihr es nicht, Herr, der gestern Nachts mit Meister Roritzer ging?“

Ein Jüngling, kaum den Knabenjahren entwachsen, stand vor ihm, in ein dunkles Wamms gehüllt, das Angesicht halb in dem umgeschlagenen Mantel verbergend.

„He, Bürschlein,“ rief Loy verwundert, „ich kenne Dich nicht. Was rufst Du mich hier an und fragst nach Meister Roritzer? Wohl bin ich sein Freund und wenn’s gilt, bin ich nie weit von dem Orte, wo er ist. Wo soll ich mit dem Dommeister gewesen sein? Was suchst Du bei ihm? Wer bist Du?“

„Gleichviel, Herr … fragt mich nicht,“ war die leise und hastige Antwort; „so Ihr der seid, den ich vermeine, sagt an, wo der Meister jetzt verweilt? Ob es nicht möglich ist, ihm Kundschaft zu bringen?“

„Du scheinst doch ein Regensburger Stadtkind zu sein,“ entgegnete Loy und maß seinen Mann trotz des Dunkels mit scharfen Augen, „und weißt nicht, daß der Dommeister fortgeritten ist an den Kaiserhof? Der muß wohl schon über Straubing hinaus sein, den holt keine Kundschaft ein, wenn nicht ein geflügelter Bote sie trägt … hoffentlich,“ brummte er für sich in den Bart, „hat ihn der meine längst erreicht …“

„Nun denn, wenn Ihr sein Freund seid, so hört mich für ihn …“ er zog ihn etwas bei Seite, ein Strahl des aus Wolken brechenden Mondes huschte über sein Gesicht.

„Wie ist mir denn?“ tief der Bildschnitzer. „Wo hab’ ich meine Augen gehabt? O, jetzt weiß ich, warum mir diese Züge so bekannt vorkamen … hab’ ich Euch doch erst heut’, diesen Morgen noch gesehen in des Dommeisters Stube …“

„Ihr träumt, Herr …“ stammelte der Jüngling; die Nacht verbarg das heiße Roth, das ihn überflog.

„Ist sonst bei offenen Augen nicht Brauch bei mir,“ erwiderte Loy. „Wohl hab’ ich Euch dort gesehen, freilich nicht Euch selbst, aber Euer Conterfei, Euer Bildniß … auf einem Altar sah ich Euch stehen, als Engel der Liebe, und ich weiß nicht … mir ist, als wär’s nicht viel anders, und Ihr steht jetzt wieder so vor mir …“

„Um aller Heiligen willen, wenn Ihr mich denn kennt, verrathet mich nicht …“

„Aber was führt Euch hieher? In diesem Gewand? In dieser wilden Nacht?“

„… Ihr wart gestern zur Seite des Dommeisters … vergeßt Ihr, daß ich ihm Bürge geworden bin?“

„Ei wohl, daß Euer Großvater Regensburg nicht verlassen soll; das ist vorbei, der ist in sicherem Gewahrsam.“

„Dennoch, Herr, ich will mein Wort einlösen … fragt mich nicht um mehr! Ich weiß nichts Bestimmtes … erfahrt nur so viel, der Stadt droht eine große Gefahr …“

„Aber welche?“

„Auch das weiß ich nicht … laßt es Euch genug sein und wahret die Stadt!“

„Und Ihr warnt uns? Des hochmüthigen, adelsstolzen Kammerers Enkeltöchterlein warnt die Bürger, die gegen ihn aufgestanden? Eine so reine Hand greift nach unserm Banner … ein so edel Herz schlägt für unsere Sache? Nun, bei meiner armen Seele, da muß es doch so gar schlecht mit uns nicht bestellt sein, da fängt es beinahe an, mir zu gefallen …“

„Laßt mich jetzt, Herr, ich muß fort; man schaut nach uns.“

Margarethe wollte enteilen, aber der Tuchscheerer vertrat ihr den Weg; er hatte noch von vorhin etwas auf dem Kerbholze gegen den Meister; er hatte ihn vermißt, gab das Rugbuch, dessen gleichförmiger Inhalt schon die Hörer zu ermüden begann, einem Nachbar hinüber und schlich hinzu, seinem Grolle Luft zu machen. „Ei, seht doch unsren lustigen Meister Bildschnitzer!“ rief er höhnisch. „Was pflegt Ihr hier für heimlicher Zwiesprach? Im Dunkeln ist gut munkeln, nicht wahr? Wer ist das Bürschlein?“

„Kümmert Euch um Euere eignen Sachen, Meister, „erwiderte Loy überrascht, „es ist meiner Schwester Kind, das mir eine Botschaft gebracht …“

„So? Eurer Schwester Kind?“ drängte Rauhenfelser weiter, „ei seht doch … meint Ihr, ich sei ein Regensburger Bürger und wisse nicht um eines Jeden Freundschaft und Sippe? Ihr habt nicht Kind noch Kegel, weder Schwester noch Schwesterkind … und ich meine immer, der Bube kommt mir verdächtig vor!

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_585.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)