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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Biberbau befinde, und in Arendal in Norwegen wurde mir gesagt, daß Biber Dämme und Burgen erbaut hätten, diese jedoch bereits wieder vom Hochwasser weggeschwemmt worden seien. Dies war überhaupt Alles, was ich erfahren konnte, außer dem Einen, daß der Biber von Jahr zu Jahr seltener wird in Europa und in Amerika, daß er in Deutschland nur noch an höchst wenigen Stellen (bei Aaken an der Elbe, in Baiern, Oberösterreich und Böhmen) gefunden wird und auch hier nur durch die besondere Gnade der betreffenden Landesherren und strenge Jagdgesetze bisher vor der Ausrottung geschützt wurde, dieser aber trotzdem unaufhaltsam entgegengeht, obgleich der Waldfrevel, welchen er sich zu Schulden kommen läßt, so außerordentlich groß nicht ist und ihm eigentlich nur die leidige Gewinnsucht des Menschen zum Verderben gereicht.

Als ich meine Wirksamkeit am Hamburger Thiergarten begann, hatte ich noch keinen lebenden Biber gesehen, hatte auch wenig Hoffnung, einen Biber einst unter die Zahl meiner Pfleglinge aufnehmen zu können. Ein Versuch, das werthvolle Thier aus Anhalt zu erlangen, schlug, wie ich kaum anders erwartet, fehl, und auch die Bemühungen wohlwollender Freunde des Gartens, diesem Biber aus Amerika zuzuführen, wurden lange Zeit nicht von Erfolg gekrönt. Ich war wirklich überrascht, als mir einer unserer umsichtigsten Thierhändler telegraphisch meldete, daß „soeben“ vier amerikanische Biber mit dem Postschiffe in Bremen angekommen seien. Eine Stunde später waren die Thiere trotz ihres hohen Preises gekauft und am nächsten Tage schon in unserem Besitz. Wenige Wochen später wurden dem Garten noch zwei Stück von Herrn M. L. Marcus in Altona zum Geschenk gemacht. Zwei erlagen den Beschwerden der Reise, die übrigen vier vergaßen binnen Kurzem sie und die Freiheit.

Da saßen sie vor mir, die Langersehnten, sichtlich erfreut, dem engen, innen mit Zinkblech ausgeschlagenen Reisekasten entnommen zu sein, und anscheinend noch glücklicher darüber, wiederum eine frisch abgeschnittene, saftige Weidenruthe entrinden und die bittere Schale anstatt des widrigen Schiffszwiebacks genießen zu können. Wie zierlich hielten sie die kunstgerecht abgeschnittenen Aststücken; wie sauber schälten sie, wie behaglich kratzten sie sich nach dem zu allererst genommenen, weil zumeist entbehrten Bade; wie merkwürdig stöhnten sie, und wie hübsch zernagten sie sofort die funkelnagelneue Badewanne, welche doch zu ganz anderer Bestimmung von dem gewerbkundigen Böttcher gefertigt worden war! Sie durften thun, was sie wollten: es wurde Alles verziehen; ich fand selbst den abscheulichsten Mißbrauch der vortrefflichen dunkelbraungelben Zähne allerliebst, mindestens höchster Beachtung und Theilnahme werth; denn auch die Handlungen der Thiere werden mit ungleichem Maße gemessen.

Nun galt es, zunächst einen geeigneten Wohnraum für die vortrefflichen Thiere herzurichten. Derselbe sollte allen Anforderungen, welche ein gefangener Biber zu stellen berechtigt ist, entsprechen, dem erfinderischen Kopfe des geschickten Baumeisters aber doch auch noch ein genügendes Feld lassen. Ein Wasserbecken, tief genug, daß der Winter seine Eisdecke nicht bis zum Grunde herab versenken könne, mehrere von den tiefsten Stellen beginnende, nach oben führende und frei ausmündende Röhren oder „Geschleife“ und feste, den Bibernägeln trotzende Wände schienen Bedingungen zu sein, welche erfüllt werden mußten. Der Boden unseres Gartens ist sandig, die Wand des Beckens mußte also mit einer hinlänglich starken Lehmschicht gedichtet, diese aber durch Concret versichert werden. Für Zu- und Abfluß des Wassers wurde gesorgt, ein genügend großer Raum um das Becken freigelassen, derselbe mit einem Gitter umgeben, dessen eiserne Sprossen man drei Fuß tief in den Boden trieb; Quergitter theilten die Behausungen der einzelnen Familien ab, und das Ganze war fertig.

Zwei Biber, welche bis zur Vollendung des neuen Geheges im Seehundsbecken Herberge erhalten hatten, waren gleich vom ersten Tage an bemüht gewesen, jeden abgeschälten Weidenzweig zur Herstellung eines Schlaf, Ruhe- und Schmollwinkels zu verwenden, die übrigen hatten sich lässiger gezeigt; demgemäß erhielten jene den größten und vortheilhaftesten Raum des Neubaues angewiesen.

Der Tag des Einzuges brachte unseren Thieren unzweifelhaft große Freuden, gleichzeitig aber auch schwere Sorgen. Das Gewässer befriedigte, die Geschleife erwiesen sich als mühelos zu begehende Wege, mehrere zur Verherrlichung des Einzugs eigens gepflanzte, saftstrotzende, ast- und blätterreiche Weiden versprachen die Arbeit der Zähne zu lohnen: aber die eigentliche Krone des Ganzen, das wirkliche Wohnhaus, die Burg mit der Aller Blicken verborgenen Kemenate, in welcher es sich so herrlich ruhen und träumen läßt – sie fehlte; die Biber sollten sich eben besagte Burg erbauen, damit jeder wissensdurstige Besucher des Gartens Gelegenheit bekäme, einen wirklichen, echten, unverfälschten Biberbau zu sehen, und Leutemann Veranlassung, ihn so naturtreu zu zeichnen, wie er es gethan.[1]

Unser Pärchen ging, nachdem die erste umfassende Besichtigung vorüber war, mit folgenschweren Entschlüssen schwanger. Es sprang am ersten Tage wenigstens ein Dutzend Mal in’s Wasser, tauchte ebenso oft unter und kam regelmäßig durch das eine Geschleife wieder zum Vorschein: –– hier mußte gebaut, verändert, Versäumtes nachgeholt werden. Sechs Weiden, darunter solche, deren Stämme die Stärke eines Mannsarmes hatten, lagen am nächsten Morgen gefällt am Boden; große Aeste derselben Holzart, welche als Futter dienen sollten, waren hin und her geschleppt worden; unmittelbar hinter der Mündung eines Geschleifes sah man ein tiefes muldenförmiges Loch in dem Boden, und hier lagen die regsamen Thiere, wahrscheinlich ermüdet von so vieler Arbeit. Gegen Abend wurde zunächst ein wenig gefressen, dann aber eifrig weiter gearbeitet, und so ging’s fort, bis die Burg ihrer ersten Anlage nach vollendet und nothdürftig eingerichtet war. Am eifrigsten wurde kurz vor Eintritt der ersten Kälte gearbeitet; während des Winters aber gab’s anderweitig zu thun. Im darauf folgenden Sommer schien hauptsächlich die innere Einrichtung besorgt zu werden; gegen den Herbst hin begannen auch die äußeren Arbeiten wieder.

Der Biber, welcher uns durch Raff’s Vermittlung erzählt, daß der Ruderschwanz auch als Schaufel und Kelle beim Bauen der Burgen und Dämme benutzt werde, hat uns belogen oder doch falsch berichtet. Allerdings wird ein so ausgezeichneter Schwanz auch ausgezeichnet benutzt, als Kelle aber dient er nicht. Das Aufführen einer Burg, also das Aufschichten des Reisigs und das Dichtmachen desselben mit Erde wird mit den Händen und mit den Zähnen besorgt. Ich will versuchen, die Arbeiten der Biber zu schildern, muß aber zuvörderst Einiges über Betragen und Gewohnheiten, Ernährung und Nahrungserwerb, Bewegungen und Begabungen unserer Thiere vorausschicken, da der Bau einer Burg nur dann ganz verständlich werden dürfte.

Die Stellung der Biber ist verschieden, im Ganzen aber doch wenig wechselvoll. Im Sitzen sieht das Thier, abgesehen von seinem Schwanze, wie eine große, plumpe Maus aus. Der dicke kurze Leib ruht mit dem Bauche auf dem Boden; von den Beinen bemerkt man kaum Etwas; der Schwanz ruht leicht auf dem Grunde. Um sich aufzurichten, drückt der in dieser Stellung sitzende Biber die Schwanzspitze gegen den Boden und erhebt sich nun langsam oder rascher, wie er will, ohne dabei einen der Füße zu bewegen. Er kann sich beinahe, aber nicht ganz senkrecht stellen und ruht dann auf Hinterfüßen und Schwanz so sicher, daß es ihm leicht wird, beliebig lange diese Stellung beizubehalten. Bei ruhigem Liegen und beim Schlafen wird der Schwanz unter den Leib geklappt und so den Blicken vollständig entzogen; das Thier kann sich aber auch jetzt ohne Anstrengung oder Gliederbewegung erheben und in den verschiedensten Lagen erhalten, beispielsweise, um sich zu kratzen – eine Beschäftigung, welche oft und mit ersichtlicher Behaglichkeit, nie aber hastig ausgeführt wird. Wenn er auf dem Bauche liegt, streckt er sich lang aus; wenn er auf der Seite ruht, rollt er sich. Beim Gehen wird ein Bein um das andere bewegt – denn der fast auf der Erde schleifende Bauch läßt einen raschen, gleichmäßigen Wechsel nicht zu – bei größter Eile werden Sätze ausgeführt, welche an Plumpheit die aller übrigen uns bekannten Landsäugethiere übertreffen und ein wechselndes Aufwerfen des Vorder- und Hintertheils hervorbringen, aber doch fördern.

  1. Die beigegebene Abbildung entspricht der Wirklichkeit bis auf die absichtlich weggelassenen Trennungsgitter vollständig und stellt die Burg so dar, wie sie an dem Tage der Aufnahme war. Mit Ausnahme eines deutschen Reisewerkes ist uns keine nach der Natur aufgenommene Abbildung einer Biberburg bekannt; unser Holzschnitt verdient also eine besondere Beachtung. Im Vordergrunde sieht man einen Biber beschäftigt, einen Weidenast fortzuschleppen; im Mittelgrunde einen zweiten solchen Ast flößend weiterzuschaffen; der dritte die Burg erkletternde trägt entrindetes Bauholz herbei, der vierte im Hintergrunde arbeitet an der Fällung eines Baumes, dessen Bodenstumpf dann genau ebenso aussehen wird, wie der bereits entschälte links vor der Burg selbst. Alles Uebrige bedarf keiner besonderen Erläuterung.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 638. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_638.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)