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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Ernst überflog folgende Zeilen:

     „Hochgeehrte Frau!

Ich habe dem ausdrücklichen Wunsche Ihres Herrn Gemahls zufolge Ihr Manuscript so eben zur Zurücksendung an diesen der Expedition unseres Blattes übergeben, nachdem ich die verlangten drei Abdrücke davon habe fertigen lassen, im Vertrauen, daß die kleine Intrigue, welche er wohl damit beabsichtigt, eine durchaus harmlose ist. Aber ich kann dem Verlangen nicht widerstehen, zu gleicher Zeit Ihnen das Bedauern der Redaction der ‚Winterblüthen‘ auszudrücken, daß wir Ihre vortreffliche und in so hohem Grade spannende und anziehende Erzählung nicht für unser Blatt verwenden durften – die Protestation Ihres Herrn Gemahls dagegen war zu absolut! Zum Troste sag’ ich mir, daß diese Einsendung mir wenigstens das Vergnügen der Entdeckung eines so glänzenden Talentes für die Darstellung und die feinere Charakteristik verschafft hat, eines Talentes, dem eine schöne und rühmliche Zukunft blüht und das gewiß nicht säumen wird, uns mit weiteren Bethätigungen zu erfreuen. Wir werden uns jederzeit glücklich schätzen, diese zu erhalten, und mit Vergnügen jedes Erzeugniß Ihrer geistreichen Feder, Ihrer freien und fesselnden Darstellungsgabe unserem Blatte einverleiben. Mit unseren Honorarbedingungen werden Sie sicherlich zufrieden sein. In der Hoffnung, recht bald durch eine Einsendung von Ihnen erfreut und Ihnen verpflichtet zu werden, verharre ich, hochverehrteste Frau,

          Ihr ganz ergebenster Diener

Dr. Ludwig Schmidt, Redacteur der ‚Winterblüthen‘.“

Es war ein Blick des unsäglichsten Triumphes, womit Alwine ihren Gatten ansah, als er gelesen hatte und mit einem verblüfften Gesichte zu ihr aufschaute. Dies Gesicht war so komisch in seinem Ausdrucke, daß Alwine in lautes Lachen ausbrach.

„Es ist wenigstens gut, daß Du dazu lachst, zu diesen übertriebenen Huldigungen,“ rief er jetzt aus.

„Ich lache aus Vergnügen darüber,“ sagte Alwine. „Ich habe nie mehr Vergnügen über Huldigungen empfunden, als gerade über diese, damit Du’s nur weißt, Du böser, grundfalscher, heimtückischer Mann …“

„Und die Aufforderung dieses abscheulichen Redacteurs, dieses Rattenfängers von Hameln, den Gott in seinem Zorne geschaffen hat, dieses Verführers und Aufwieglers rebellischer Frauen wider ihre Männer …“

„Diese Aufforderung werde ich ganz gewiß befolgen, daraus mache Dich gefaßt, aber die Stoffe werde ich mir von nun an selber erfinden oder auswählen; Du hast mich ja gelehrt, wie man’s ungefähr macht!“

„Ach,“ entgegnete Ernst mit einem tiefen Seufzer, „so kann ich mir denn ja wohl selbst zurufen:

Wirfst Du den Stein – bedenke wohl,
Wie weit ihn Deine Hand wird treiben!

Ich komme mir vor wie Einer, der sich im eigenen Netze fing, und jedenfalls herzlich dumm, daß ich so verflucht gescheidt sein wollte! Dieser vermaledeite Redacteur!“

Aber Ernst mochte den Redacteur verwünschen so vieler wollte, das Unglück war nun einmal angestiftet. Alwine hat jetzt in den ‚Winterblüthen‘ schon drei Erzählungen abdrucken lassen, welche mit gleichem Beifall aufgenommen worden sind und die alle drei einen guten, kurz geschürzten, geistreichen Stil, eine feine Beobachtung und ein ganz entschiedenes Talent für die Composition beurkunden … Ernst aber, Ernst hat wunderbarer Weise begonnen, seine früheren Ansichten über Frauenschriftstellerei zu ändern. Er ist, im Stillen gesagt, sogar ein wenig eitel auf den aufkeimenden Ruhm seiner Frau. Trotz aller, im Anfang nicht ganz vorurtheilslosen Beobachtung hat er nicht just bemerken können, daß in seinem Haushalt irgend eine Unordnung eingerissen, und seine eingewurzelte Ueberzeugung, daß eine schriftstellernde Frau eine schlechte Hausfrau und Gattin sein müsse, ist bedeutend geschwächt worden. Wenn er, seiner schlimmen Neigung treu, jetzt ein wenig später aus seinem Weinclub heimkommt, erhält er nie ein böses Gesicht und hört nie eine Klage, daß er Alwine so allein gelassen, wie es früher regelmäßig der Fall war … sie wartet jetzt mit sanftester, gleichmüthigster Geduld auf seine Heimkehr – sie hat eben gearbeitet in diesen Stunden und, erheitert von der Arbeit, empfängt sie ihn so freundlich lächelnd, als ob sie gar nicht ahnte, daß es statt neun schon zehn Uhr oder darüber sei … sie ahnt es in der That auch nicht!

Und vor einigen Tagen endlich, als Alwine ihrem gestrengen Eheherrn sogar eine sehr große und schwere Modenrechnung quittirt und mit ihrer eigenen Honorareinnahme bezahlt vorlegte, rief Ernst mit ungewöhnlicher Wärme aus: „Wirklich, Du bist eine Perle von einer kleinen Frau … eine Frau, die ihre Moderechnungen selber bezahlt! Hör’ Kind, ich glaube wirklich, daß bei dem, was die Männer gegen Frauen sagen, die ein poetisches Talent besitzen und dies Talent ausbilden, doch sehr viel Philisterei ist!“




Das Hexen-Maal.
Ein naturwissenschaftlicher Beitrag zur Culturgeschichte.
Vom Professor Dr. H. E. Richter in Dresden.


Zu den schwärzesten Schattenseiten der menschlichen Culturgeschichte gehören unzweifelhaft die Hexenprocesse des Mittelalters. Wenn man diese Gräuelscenen, die wahrhaft teuflischen Folterungen und die fast noch satanischeren, mit dem Mantel der Religion bedeckten Hinrichtungen liest: so fragt man sich heutzutage allerdings, wie so etwas nur je unter vernunftbegabten Wesen möglich gewesen sei?

Auf diese Frage läßt sich, von verschiedenen Standpunkten aus, Mancherlei antworten. Erstens ist das Menschengeschlecht im Ganzen genommen gar nicht so vernunftbegabt, wie Mancher bei uns sich einbildet. Namentlich finden sich alle beide Gräuel, die Folter, so wie der Hexenproceß noch heutzutage bei vielen Millionen von Menschen vor. Durch ganz Afrika sind beide allgemein im Gange und die Marterungen der wegen Zauberei Angeklagten sind dort so furchtbar, daß dieselben in der Regel lieber sofort Alles was verlangt wird eingestehen und sich hinrichten lassen. Unter den asiatischen Völkern ist Zaubereiglaube und Folterwesen seit uralten Zeiten weitverbreitet und ausgebildet. Die Chinesen, ein Volk von dreihundert Millionen, excelliren in Erfindung höllischer Martern. Nicht anders hat man es in Nord- und Südamerika gefunden. Kurz, die Zahl der wirklich humanen und vernünftigen Leute ist, im Vergleich zu denen, welche noch dem Raubthier und dem Affen nahe stehen, auf unserm Erdball noch eine sehr unbedeutende!

Zweitens ist gar nicht abzuleugnen, daß Hexenproceß und Folter oft zu ganz anderen Zwecken benutzt worden sind, als die vorgeschützten waren. Wir finden dies schon in der römischen Kaisergeschichte, wo mit dem Sinken der alten Institutionen erst der Hochverrathsproceß, und als sogar dieser nicht mehr für die tyrannische Willkür ausreichte, der Proceß wegen Zauberei (Magie) sehr allgemein gegen die Opfer der Politik oder der Palastintriguen an die Stelle des geordneten Rechtsverfahrens trat, was übrigens nur eine Wiederauffrischung der schon in den zwölf Tafeln befindlichen Gesetze gegen Zaubereien, Beschwörungen und Vampyre war. Vergessen wir nicht, daß ganz derselbe Grund dem Wiederauffrischen des Hexenprocesses im Mittelalter zu Grund gelegen hat, daß die berüchtigte Bulle von Innocenz und der berüchtigte Hexenhammer keinen andern Zweck hatten, als die Verfolgung und Vertilgung der Ketzer dem ungenügenden gewöhnlichen Gerichtsverfahren zu entziehen und aus den Händen des weltlichen Richters in die der geistlichen Inquisition zu bringen und Solche zugleich jeder schützenden Form zu berauben. Es ist durch eine Menge Fälle urkundlich bewiesen, daß Hexenproceß und Folter außer zur Ketzervertilgung auch ganz einfach zu Befriedigung persönlicher Rache und vor Allem zu Gelderpressung oder Güterconfiscation benutzt worden sind. Für die kleinen Fürstbischöfe in Deutschland war das Hexenwesen die beste Goldquelle. In Barnberg wurden in kurzer Frist sechshundert, in Würzburg neunhundert

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 686. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_686.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)