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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Bauern Fenster: „Bauer, mieth’ mich, Bauer, mieth’ mich!“ aber im Frühling ruft er recht hochmüthig vom Baum herab: „Bauer, behalt’ deinen Dienst!“ und in die verheißungsreiche Kornernte jubelt er hinein: „Wenn ich ein Sichlein hätt’, wollt’ ich mit schneiden!“ Sein Vetter, der Ortolan, ist blos Künstler (was aber nicht verhindert, daß er gern gegessen wird) und singt mit gehobeneren Tönen dem bäuerlichen Verwandten höhnend zu: „Z’ wit gehst! (zu weit gehst du) Geh’ weg, weg!“

Warum der Zaunkönig seit ältesten Zeiten und in allen Sprachen als „König“ anerkannt wird, weiß Niemand, als das Märchen; dies erzählt, wie er, unter den Fittigen des Adlers verborgen, sich bei dem Wettflug der Vögel, nachdem jener ermüdet war, so hoch über ihn emporgeschwungen habe, daß er Gott auf seinem Stuhle konnte sitzen sehen. Da schrie er stolz: „König bin ich! König bin ich!“ und so ruft er auch heute noch. Der Sperling, männiglich als unverschämter Gast bekannt, rühmt sich noch seines Handwerks mit dem steten Rufe: „Dieb, Dieb!“ Alles, was er sieht, begehrt er und schreit: „Will ich! Will ich!“ bis er es hat. Kaum entdeckt er, daß die Weizenkörner im Milchsaft stehen, so ruft er seine Bande herbei: „Milch, Millich!“ und wenn er gefunden hat, daß die schreckhafte Vogelscheuche nichts sei, als ein alter Lappen, dann setzt er sich keck darauf mit dem Spottruf: „Zwilch, nichts als Zwillich!“ Und das verstehen seine Gesellen sofort und fallen übermüthig in die reifenden Kirschen. Bei diesen hilft ihnen treulich der schöne Pirol und flötet vergnüglich schwelgend: „Viel, oh, viel, oh!“

Die verschiedensten Auslegungen hat der Dreischlag der Wachtel gefunden, welcher übrigens auch sehr abweichend, je nach der Gegend, klingt, von den tiefsten bis zu den höchsten Tönen. Die alten Schulmonarchen legten ihren Zöglingen das „Pickberwick“ aus durch den lateinischen Spruch: „Dic, cur hic?“ (Sage, zu was du hier bist? oder: Gieb dir Rechenschaft über das, was du hier sollst.) Daher die Wachtel auch hier und da „Dickricksvogel“ heißt. Der Bauer aber in der Ernte sagt: „Die Wachtel ruft: ‚Bück den Rück’!‘“ In der Mark deutet man den Schlag: „Pack’ Tabak!“ Im Volkslied schlägt die Wachtel eine ganze Reihe von Sentenzen; so im Grünen: „Lobet Gott! Danket Gott!“, am Morgen: „Guten Tag!“, Abends: „Dank sei Gott!“, im Regen: „Werd’ ich naß!“, im Sande: „Hartes Bett!“, vor dem Waidmann: „Fürcht’ mi’ nit!“, wenn die Schnitter kommen: „Wehe mir! Tritt mi’ nit!“, nach dem Abbringen des Korns: „Ist mir leid!“, im Herbst: „Harte Zeit!“ und beim Wandern, zum Abschied: „B’hüt’ di’ Gott, b’hüt’ di’ Gott!“ Auch in den Kinderspielen und Liedern hat der Wachtelschlag Aufnahme gefunden, z. B. in dem bekannten: „Pickberwick, mein Mann ist Schneider“ etc. In Frankreich schlägt die Wachtel dem Bauer in der Erntezeit, welche ihm den Lohn und Gewinn des Jahres bringt, einen sehr weisen Spruch zu: „Paie les dettes! paie les dettes!“ (Bezahle deine Schulden.) – Der Wachtelkönig ruft früh Morgens und des Abends im Sommer: „Sack! Sack!“ womit er den Landleuten andeuten will, daß sie sich zur Ernte und die Säcke bereit halten sollen. Wenn die Fluren lange geschmachtet haben, dann ist es nach dem Volksglauben Aufgabe des Regenpfeifers, die Wolken herbeizupfeifen, welche die dürstenden Saaten mit der erfrischenden Feuchtigkeit erquicken sollen. Darum lautet auch der Zuruf des Vogels an den Himmel: „Geuß, gieß, giet!“ Das Märchen erzählt, der Herr habe einst allen Thieren befohlen, einen Bach zu graben; fleißig erfüllten sie das Gebot; nur der Regenvogel nicht, der vielmehr die andern verspottete: „Schippt, schiebt, zieht!“ Da wurde ihm zur Strafe auferlegt, daß er ewig nach Wasser schmachten und rufen solle.

Im Walde hämmert der Schwarzspecht an den Bäumen, und wenn er einen Menschen sieht, so ruft er: „Glück!“ indem er rasch verschwindet, denn bekanntlich steht er mit verborgenen Schätzen in Verbindung und weiß allein von allen Vögeln, wo die zauberkräftige Springwurzel wächst. Der Kukuk schreit melancholisch nur seinen eigenen Namen, und zwar, wenn man ihn fragt, so oft, als man noch Jahre zu leben hat. Sein Küster ist der Wiedehopf, der sich im Frühjahr einige Tage früher hören läßt. „Up, up!“ (Auf, auf!) ruft er den Bauern zu, damit sie die Stallthüren öffnen und ihre Kühe zur Weide lassen. Er hat sich selber den Namen beigelegt, denn lateinisch heißt er Upupa und im Orient Hudhud. Aus dem Schilf hervor warnt die Rohrdommel die gedankenlosen Rinder: „Bunt herum, rund herum!“ Aengstlich fliegt der Kiebitz über seinem Neste, das die Heerde zu zertreten droht, und schreit: „Wo bliev ick, wo bliev ick?“ (Wo bleib’ ich?) „Quark ook!“ antwortet die grämliche Krähe. (Quark auch, d. h. wer wird sich darum kümmern?) Der Rabe aber schnarrt hohl vom Baum herab: „Kopf ab! Kopf ab!“ (Heine) und dann: „Grab, grab!“ Daß Abends das Käuzlein an die lichterhellten Fenster der Krankenzimmer flattert und vor denselben sein erschreckendes: „Komm mit! Komm mit!“ ruft, weiß jedes Kind.

Daß auch unsere Hausgenossen, die gefiederten Insassen des Hofes, ihre Sprachverständigen im Volke gefunden haben, braucht kaum aufgeführt zu werden. Schon im Märchen vom Aschenbrödel gurren die Tauben: „Ruckedigu, der Schuck ist voll Blut!“ Die Ente stürzt sich, mit der ganzen Festlandwelt zerfallen, in ihren grünen Pfuhl, verächtlich hadernd: „Pracherwerk! Pracherwerk!“ „Wat, wat, wat is denn dar to dohn?“ (Was, was, was ist denn da zu thun?) gackert die Henne, wenn sie das Nest verbergen will, in welches sie soeben ein Ei gelegt. Der Hahn aber rühmt stolz: „Luter rieck Lüd!“ (Lauter reiche Leute!) indem er sich nicht wenig zu gut thut auf den wohlbesetzten Hof. Ruft er aber Knechten und Mägden mit dem grauenden Tag sein „Kickeriki“, dann übersetzen sie es: „‘s ist noch zu früh!“

Unsere Zusammenstellung hat sicherlich Lücken, deren Ausfüllung um so interessanter werden müßte, aus je verschiedeneren Gegenden die Auffassungen der Vogeltöne durch den Volksmund stammen. Vielleicht trägt diese Skizze dazu bei, eine vollständigere Sammlung zu veranlassen, welche nicht blos sprachliche, sondern auch ethnographische Wichtigkeit haben dürfte. Jedenfalls lebt im Volke, trotz der materiellen Richtung der Zeit, immer noch jene poetische Naturdeutungsgabe, welcher unsere Literatur so kostbare Schätze verdankt. Wir schließen unsere Mittheilung mit dem uralten Wort:

Mancherlei Vogel, mancherlei Sang!
Besser im Vogelgesang,
Wie im Eisengeklang!




Die Bischofstadt im Kugelregen.


Es mag auf den ersten Blick vielleicht befremdlich erscheinen, wenn die Gartenlaube, nachdem nun mit dem letzten Berliner Vertrage allenthalben in Deutschland der Kriegszustand sein Ende gefunden, nachdem die letzten noch mobilen Truppen bereits in die Heimath und zu den Beschäftigungen des Friedens zurückzukehren begonnen haben, gerade jetzt noch auf einen Act des blutigen Dramas zurückkommt. Als der einzige Belagerungskampf aber, welchen der jüngste Krieg aufzuweisen hat, und weil sein Schauplatz nicht nur von einer Fülle von Erinnerungen aus der deutschen Geschichte umwoben, sondern auch mit einem reichen Kranze landschaftlicher Reize geschmückt und als Stätte deutscher Wissenschaft weit über die Grenzen des Vaterlandes hinaus bekannt und berühmt ist, wird die Beschießung der Festung Würzburg, wie sie uns ein bairischer Künstler als Augenzeuge der Katastrophe beschreibt und zeichnet, wohl noch immer Anlaß zu einer willkommenen Darstellung bieten.

Wochen lang wurden die Bewohner der freundlichen und lebenslustigen Wein- und Frankenstadt durch fernen Kanonendonner, versprengte Truppen, übertriebene Gerüchte und den Anblick verstümmelter Krieger geängstigt, bis sie die Schrecken des Krieges mit eigenen Augen sehen und die Kämpfe von der Werra und der fränkischen Saale, am untern Main und der Tauber in Würzburg ihren Abschluß finden sollten. Am 26. Juli, während die Baiern bei Roßbrunn kämpften und lebhafter Kanonendonner von da herübertönte, zogen plötzlich vom Nikolausberge und der Höchberger Straße herab in endlosen Reihen die Bataillone und Ausrüstungen des achten Armeecorps. Viele Stunden dauerte dieser Zug, welcher

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 707. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_707.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)