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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Das größte Geschäftshaus Preußens.


In der belebten Jägerstraße zu Berlin steht ein stattliches, aber nur einstöckiges Gebäude, mit stark vergitterten Parterrefenstern, das sich sonst weder durch architektonischen Schmuck, noch durch seinen monumentalen Charakter vor den übrigen Häusern auszeichnet. An der Vorderfront macht sich eine Erztafel bemerkbar, dem Andenken eines Grenadiers gewidmet, der hier als das erste Opfer der März-Revolution auf seinem Posten gefallen ist. Treten wir in das Innere, so finden wir auch hier eine überraschende Einfachheit, die keineswegs die hohe Bedeutung des Hauses ahnen läßt, und doch birgt es in seinen Mauern einen reichen Schatz, Millionen in geprägtem Silber und Gold, Schränke voll mit Werthpapieren, hinreichend, um Tausende, wenn auch nicht glücklich, doch wenigstens reich zu machen, kostbare Pfänder, Documente und Wechsel, welche allein im Laufe eines Jahres ein Capital von dreihundert Millionen repräsentiren.

Wir stehen in der That in dem Zauberkreise des Plutus, in dem wunderbaren Feenpalast, wo ein Blatt Papier sich in einen Haufen Gold und umgekehrt ein Haufen Gold in ein Blatt Papier verwandelt, ein Federstrich Millionen schafft, wo das Wort „Credit“ wie einst „Sesam“ den Berg öffnet, dessen Inneres von Gold und Silber strahlt; wir stehen an der goldenen Pforte des allbegehrten Reichthums, an dem großen Reservoir des Nationalvermögens, worein die tausend und tausend Tropfen, Quellen, Bäche und Ströme des Erwerbes fließen und aus dem Handel und Industrie ihr Gedeihen schöpfen, in dem Mittelpunkt der materiellen Güter, kurz wir befinden uns in der – preußischen Bank, deren nachstehende Schilderung indeß selbstverständlich nicht für den gewiegten Kauf- und Finanzmann, sondern für das mit den mercantilischen Dingen und dem großen Geldverkehr minder bekannte Laienpublicum bestimmt ist.

Ein gewölbter Gang führt uns zunächst in die verschiedenen Abtheilungen des großen Instituts, an dem allein, mit Inbegriff seiner hundertunddreißig Comptoire und Filial-Anstalten, über vierhundert Beamte beschäftigt sind. An der Spitze derselben steht der jedesmalige Bankpräsident, gegenwärtig Herr von Dechend, unter ihm die vier Bankdirectoren, ein Justitiar, die Buchhalter, Cassirer und Vorsteher der verschiedenen Comptoire, Controleure, Registratoren, Canzlisten und Bankdiener, ein kleines Heer von wirklichen Elitetruppen. Da nach dem Ausspruche einer bekannten Finanzgröße in Geldsachen die Gemüthlichkeit aufhört, so kommt es in keinem Zweige der Verwaltung so sehr auf die Zuverlässigkeit der Beamten an, als gerade bei der Bank. Bedenkt man, daß hier einem Menschen oft ein bedeutendes Vermögen anvertraut wird, daß trotz der größten Vorsicht Unterschleife und Betrügereien noch immer, wenn auch selten, vorkommen, daß es dazu nicht an täglicher Versuchung fehlt, so wird man die Schwierigkeiten auf diesem Gebiete leicht bemessen können. In der That gehört die richtige Wahl der Beamten zu den schwersten Aufgaben des Bankpräsidenten und erfordert eine genaue Personalkenntniß, die sorgsamste Prüfung und Gewissenhaftigkeit, da die geringste Nachlässigkeit hier schon einen unübersehbaren Schaden anstiften kann. Die Anstellung erfolgt daher meist erst nach langer Beobachtung und dann tritt auch nur in ganz außerordentlichen Fällen ein Wechsel ein. Daher kommt es, daß die Bank die ältesten Beamten aufzuweisen hat, von deren Zuverlässigkeit man sich ungefähr einen Begriff machen kann, wenn man erfährt, daß einer der Bureau-Vorsteher bei einer zweiundfünfzigjährigen Dienstzeit im Ganzen nur fünf und zwanzig Tage Urlaub genommen und an seinem Pult gefehlt hat.

Dieselbe Vorsicht und Wachsamkeit wird bei allen Operationen der Bank und besonders bei der Zählung der Gelder und Aufbewahrung des „Tresors“ beobachtet. In einem besondern Zimmer, zu dem kein Unberufener den Zutritt hat, wird die Durchzählung der eingelaufenen Summen vorgenommen, wobei ein Beamter den andern beständig controllirt, so daß so leicht kein Irrthum vorkommen kann. Fehlerhafte oder falsche Geldstücke werden zunächst ausgeschieden, dann nochmals sorgfältig geprüft, registrirt und wo möglich bis zu ihrer Ausgabequelle verfolgt. Dasselbe geschieht mit den Banknoten, Cassenanweisungen und anderen Werthpapieren. Die Prüfung der verdächtigen Stücke erfordert einen großen Scharfblick, eine staunenswerthe Sachkenntniß, ein seltenes Gedächtniß, da hier ein kaum sichtbares Pünktchen, ein kaum merkbares Häkchen von der größten Bedeutung sind.

Sobald die Beutel, welche gewöhnlich fünfhundert Thaler enthalten, eingezählt sind, werden sie, mit dem Namen des betreffenden Beamten versehen, in den Tresor der Bank abgeliefert. Dieser befindet sich in besondern, feuerfesten Räumen des Gebäudes unter vierfach sicherem Verschlusse. Die Beutel werden in solcher Ordnung aufgestellt, daß sie sofort übersehen und bei einer stattfindenden Revision leicht gezählt werden können. Aehnlich verhält es sich mit Gold und den Silberbarren, welche in gleicher Weise gezählt, geordnet und aufgeschichtet werden. Neuerer Zeit werden dieselben in leichten transportablen Kisten aufbewahrt. Der Baarvorrath an edlen Metallen, welcher je nach der größeren oder geringeren Lebhaftigkeit des Handels fortwährend schwankt, beläuft sich in der Hauptbank und ihren verschiedenen Comptoiren gegenwärtig auf ungefähr siebzig Millionen Thaler. Nur die vier mit diesem Amte betrauten höheren Beamten haben vereint den Zutritt zu diesen wohlverwahrten Schätzen, welche vor jeder Gefahr durch undurchdringliche Mauern, vierfach eiserne Thüren und Schlösser geschützt sind. Ein Blick in diese Räume dürfte jedoch keineswegs dem Bilde unserer geschäftigen Phantasie entsprechen. Statt der geträumten Wunderhöhle mit Wänden voll Gold und schimmerndem Silber, beleuchtet von der Zauberlampe Aladdin’s, sehen wir nur ein gewöhnlich, weiß getünchtes Gewölbe, durch dessen schwarze Eisengitter das Licht des Tages sparsam eindringt, angefüllt mit höchst prosaischen, grauen Geldsäcken und mit Silberbarren, welche man eben so gut für Bleiklumpen halten kann. Dennoch hat der Gedanke an die hier aufgestapelten Millionen etwas Berauschendes und Verlockendes.

Um den eigentlichen Geschäftsgang der Bank kennen zu lernen, begeben wir uns zunächst in die sogenannte „Discontocasse“, wo wir bereits am frühen Morgen ein zahlreiches Publicum versammelt finden. Hier werden die verschiedenen auf Berlin oder andere bekannte Handelsplätze gezogenen Wechsel discontirt, d. h. vor Verfall von der Bank gegen den von ihr bestimmten Zinsfuß bei genügender Personalsicherheit und mit guter Unterschrift von zwei gekannten Firmen oder Personen in baarem Gelde ausgezahlt. Von der Größe der hier täglich umgesetzten Summen kann man sich ungefähr einen Begriff machen, wenn man weiß, daß jährlich gegen viermalhunderttausend Wechsel in einem Werth von dreihundert Millionen und darüber discontirt werden.

Alle Anwesende ohne Unterschied des Standes und der Religion suchen und finden hier Geld bei der Bank, welche mit seltener Liberalität ihre Hauptaufgabe, Belebung und Unterstützung der heimischen Industrie und des Handels, erfüllt, wodurch sie sich von den meisten großen Geldinstituten und selbst von der englischen und französischen Bank vortheilhaft unterscheidet, indem sie die größten wie die kleinsten Wechsel discontirt und auch dem minder bedeutenden Fabrikanten und Kaufmann, besonders in kritischen Zeiten, ihre Hülfe bietet. Dadurch, daß sie auch dem Gutsbesitzer ihren Credit eröffnet, gewährt sie dem wichtigen Landbau eben so ihren Schutz wie dem Handelsstand. Während aber die meisten anderen Banken mindestens drei gute Unterschriften für einen Wechsel fordern, begnügt sie sich mit zwei und in besondern Fällen selbst mit einer einzigen Unterschrift. Wenn trotzdem ihre Verluste im Ganzen nur höchst unbedeutend sind, so verdankt sie dieses günstige Resultat hauptsächlich ihrer ausgezeichneten Leitung, ganz besonders aber dem Geh. Oberfinanzrath Schmidt, und den von ihr befolgten Grundsätzen. Indem die preußische Bank, wie wir bald sehen, die Personal-Sicherheit der Real-Sicherheit vorzieht und vor Allem die Wechselverbindlichkeit bei ihren Geschäften voranstellt, muß sie von ihren Beamten und besonders den Vorstehern der Comptoire eine genaue sorgfältige Personalkenntniß der mit ihr in Verbindung stehenden Häuser und Firmen fordern. Dieselbe beruht vorzüglich auf der strengsten Discretion, welche die Bank bei allen ihren nothwendigen Erkundigungen und Mittheilungen beobachtet. In allen Fällen bewahrt sie das strengste Geheimniß und deshalb genießt sie ein unbedingtes Vertrauen, das sogar so weit geht, daß in Berlin viele große Geschäftsinhaber keinen Anstand nehmen, ihre Jahres-Bilanz der Bank mitzutheilen. Außerdem erforscht und kennt sie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 800. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_800.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)