Seite:Die Gartenlaube (1866) 823.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Verbrechen des Vaters hatte die Liebe zu dem Mädchen nicht ertödten können, ja sie wuchs mit dem Unglück, das sie betroffen, aber er sah sie nicht wieder. Zweimal war er dort und zweimal ließ sie ihm sagen, daß sie ihn nicht sprechen könne. Als er zum dritten Mal kam, fand er einen Brief von ihr vor, in dem sie mit herzlichen Worten den letzten Abschied von ihm nahm.

Sie hatte sich in die Gesellschaft der Barmherzigen Schwestern aufnehmen lassen und war nach Lima in Peru gegangen.




Blätter und Blüthen.


Ferdinand Raimund und der Censor. Raimund hatte eines seiner ersten dramatischen Volksmärchen für die Leopoldstädter Bühne geschrieben und es der Wiener Theatercensur unterbreitet. Wenn auch reich mit rothen Krähenfüßen illustrirt, wurde ihm das Manuscript dennoch mit dem Imprimatur der Ober-Polizei- und Censurbehörde zurückgestellt. Auf ein paar Zeilen jedoch hatte diese unfehlbare Großinquisition ein Condemnatur geschleudert, über welches der Dichter Müllner’s Warum heraussprudelte, das bekanntlich erst offenbar wird, wenn die Todten auferstehen.

In dem hochtrabenden Verse: „Mein Gott, laß nicht den Teufel triumphiren!“ hatte man den alten deutschen „Teufel“ dick durchstrichen, und durch den speciell österreichischenTeuxel“ ersetzt. In einer andern Scene waren mit unverkennbarem Ingrimm die Worte gestrichen: „Komm’ in mein Cabinet, mein Kind, ich habe unter vier Augen mit Dir zu sprechen.“ Diese Aufforderung, die in dem Märchen ein Vater an seine Tochter richtet, war in einem Meer von rother Tinte ertränkt.

Raimund starrte wie ein Blödsinniger aus die gestrichenen Stellen. Wie gesagt, er konnte es nicht begreifen, warum man aus seinem Teufel einen Teuxel gemacht und nicht dulden wollte, daß der Vater mit seiner Tochter ein Wörtchen unter vier Augen spricht. Schnell entschlossen, steckte er sein gemaßregeltes Manuscript in die Tasche und eilte der Ballgasse zu, um sich dort in dem alten Dunkel der Jahrhunderte Aufklärung zu erbitten. Als er in das Bureau des Censors trat, saß dieser an seinem Schreibtisch nahe am Fenster und den Rücken der Thür zugewandt. Raimund hielt sich in bescheidener Ferne. Nach ein paar Minuten scharrte er ganz leise mit den Füßen, um sich bemerkbar zu machen, dann räusperte er sich ein wenig, endlich fing er tollkühn und verwegen zu husten an.

„Herr Raimund?“ frug der Gewaltige, mit dem Griffel in der Hand die Gedanken wie die Fliegen tödtend und ohne das edle Haupt zu wenden.

„Ergebenst aufzuwarten, Herr Hofrath.“

„Wünschen?“

„Eine gütige Belehrung,“ antwortete schüchtern der Gefragte, indem er sich mit dem Manuscript in der Hand dem Bayard vom Griffel schüchtern näherte. „In diesen rein deutschen Jamben haben Sie mir meinen Teufel gegen einen Teuxel vertauscht. Ich bin zwar dankbar für Alles, denn alles Gute kommt von oben, aber ich fürchte, das Publicum wird mich und die tragische Liebhaberin verhöhnen, wenn sie mit Pathos declamirt: ‚Mein Gott, laß nicht den Teuxel triumphiren!‘“

„Sind Sie Katholik?“ frug der Censor abermals, aber die Stirn runzelnd und mit inquisitorischer Würde.

„Allerdings, und ein sehr guter Katholik.“

„Nun; als guter Katholik sollten Sie wissen, daß es ein Frevel ist, den Namen des Teufels auf der Bühne auszusprechen.“

„Aber den Namen Gottes auszusprechen, ist kein Frevel?“

„Nein, denn Gott darf man überall anrufen, selbst auf der Bühne. „Wenn Ihnen der ‚Teuxel‘ in Ihren Kram nicht paßt, so machen Sie einen Mephisto oder Vitzliputzli aus ihm.“

„O, das wird hübsch werden, wenn meine tragische Liebhaberin in höchster Aufregung ruft: ‚Mein Gott, laß nicht den Vitzliputzli triumphiren!‘“

„In der That, das klingt gar nicht übel!“

„Es freut mich, wenn es Ihnen gefällt, Herr Hofrath. Nun meinetwegen, den Teuxel soll der Teufel holen, aber für die paar harmlosen Worte hier im zweiten Acte bitt’ ich um gnädigen Pardon.“

„Lesen Sie.“

„‚Komm’ in mein Cabinet, mein Kind, ich habe unter vier Augen mit Dir zu sprechen.‘“

Der Censor erhob sich in seiner ganzen Majestät, kreuzte die Arme über die Brust und richtete durchbohrende Blicke auf den Dichter.

„Herr,“ donnerte er, „die Bühne soll eine Schule der Sitten sein, und Sie werden nicht schamroth, dem Schauspieler dergleichen Zoten in den Mund zu legen?“

„Zoten? Der Herr Hofrath scheinen mich nicht verstanden zu haben. ‚Komm’ in mein Cabinet, mein Kind, ich habe unter vier Augen mit Dir zu sprechen,‘“ wiederholte Raimund ganz verblüfft.

„O, ich habe Sie nur zu gut verstanden, das muß Ihnen meine Entrüstung sagen.“

„Aber du lieber Himmel, Herr Hofrath, es ist ja der Vater, der mit seiner Tochter unter vier Augen sprechen will.“

„Vater? Tochter? Herr, stellen Sie sich so einfältig, oder halten Sie mich für einen Einfaltspinsel? Wenn Vater und Tochter die Rollen mit einander spielten, hätte ich die Rede ohne Anstand passiren lassen, aber der Schauspieler ist nicht der Vater der Schauspielerin, mit der er spielt, sie stehen nur in collegialer Verbindung, darum ist die Rede nichts als eine grobe Zote, die ich nicht dulden darf. Gott befohlen!“

Der arme Raimund schlich davon und murmelte: „Es giebt Dinge unter der Kappe eines Censors, von denen sich unsere Philosophie nichts träumen läßt!“




Die Zauber- und Cigarrenrauch-Photographien. Eine einfache Cigarrenspitze, welche an einer Seite einen ovalen, anscheinend blos mit weißem glänzenden Papier überklebten Ausschnitt zeigt, – das ist die neueste Erscheinung der jetzt Mode gewordenen chemischen Spielereien. Man steckt eine Cigarre hinein, entzündet sie und nach wenigen Zügen schon beginnt auf dem Papierblättchen ein photographisches Bild sich zu entwickeln. Dem Laien tritt nun die Erklärung in folgender Weise entgegen: Während bei der gewöhnlichen Photographie das Licht, bei der „Zauberphotographie“ die Feuchtigkeit, also das Wasser, so muß hier der Rauch oder die Wärme als Factor der Erscheinung angesehen werden. Im Allgemeinen ist dies richtig, obwohl die wissenschaftliche Erklärung in Hinsicht der beiden letzteren noch andere Details herausstellt. Bei der „Zauber“-, ebenso wie bei der Cigarrenrauch- oder „Wunderphotographie“ ist das Bild bereits vollständig vorhanden und nur durch ein Bad von Quecksilberchlorid latent, d. h. unsichtbar, gemacht worden. Das die Zauberphotographie bedeckende Löschpapier enthält aber das eigentliche Reagens; es wurde nämlich mit einer Auflösung von unterschwefligsaurem Natron getränkt und dann getrocknet, und dies Salz ist es, welches, allerdings nur mit Hülfe der Feuchtigkeit, an Stelle der farblosen Verbindungen von Chlorsilber und Quecksilberchlorür, die braunen und schwärzlichen von Schwefelsilber und Schwefelquecksilber erzeugt und dadurch das Bild sichtbar werden läßt. Während die kleine Photographie auf der Cigarrenspitze zwar auch bereits durch die Erwärmung an sich erscheint, so ist ihr eigentlicher Erzeuger doch erst das im Cigarrenrauche enthaltene Ammoniak, welches in dem latenten Bilde hier ähnliche sichtbare Verbindungen hervorbringt, wie dort das unterschwefligsaure Natron.

Jedenfalls werden einige kurze Mittheilungen über das „Geschäft“ mit diesen beiden Photographien nicht uninteressant erscheinen, um so mehr, da sie im Wesentlichen für die sämmtlichen in jüngster Zeit urplötzlich aufgetauchten und dann meistens ebenso schnell wieder verschwundenen chemischen Spielereien gelten können. Nachdem der Erfinder beider Photographien, Wilhelm Grüne in Berlin, das Verfahren der von ihm anfangs „sympathetische“ genannten Zauberphotographie durch Veröffentlichung zum Allgemeingut gemacht, warf sich augenblicklich der Schwindel mit ungeheurem Eifer darauf. Es ist jedenfalls höchst merkwürdig zu beobachten, welche außerordentliche Regsamkeit der Industrie selbst ein so winziger, anscheinend werthloser Artikel hervorzubringen vermag – und dies zeigte sich hier in staunenswerther Weise. Obschon für das Geschäft von Ed. Grüne, Bruder des Erfinders, drei der größten Anstalten für photographische Reproduction in Berlin zwischen zwanzig- bis sechszigtausend Bilder lieferten, so ward dadurch der Bedarf doch nur zum kleinsten Theile gedeckt und die ehrenhafte wie schwindlerische Concurrenz fand ebenfalls einen so bedeutenden Aufschwung, daß man wohl behaupten darf, im Ganzen werden in Berlin viele Millionen von Zauberphotographien producirt.

Gleich den Streichhölzchen, von denen man unmöglich jedes einzelne probiren kann, war auch die Zauberphotographie ein unendlich ergiebiger Gegenstand für den Schwindel. Daß unter einem halben Dutzend Couverts mindestens zwei bis drei gar keine Zauberphotographien enthielten, war das Geringste; in andern befanden sich unsichtbar gemachte Stücke von verdorbenen großen Photographien oder die schlechtesten, nicht mehr verkäuflichen Visitenkarten etc. Ein industrieller Unternehmer hatte einfach seine schlechtesten, verdorbenen Visitenkarten mit Löschpapier überklebt, durch welches beim Befeuchten dann die Bilder allerdings zum Vorschein kamen, ohne hervor“gezaubert“ zu sein. Andere boten, namentlich in Provinzialstädten, das längst veröffentlichte Verfahren noch als Geheimniß für fünf, drei, zwei, selbst einen Thaler aus und haben jedenfalls noch ihr Geschäft dabei gemacht. Möchte diese Warnung in der weitverbreiteten „Gartenlaube“ auch für viele ähnliche Fälle beherzigt werden!

Mit den Cigarrendampf-Photographien suchte der Erfinder sich besser zu sichern. Da Preußen für dergleichen originelle Erfindungen keinen gesetzlichen Schutz bietet, so nahm er rechtzeitig in England, Frankreich und Oesterreich Patente darauf, ließ die Spitzen in größter Heimlichkeit buchstäblich zu Millionen arbeiten und schickte sie zum größten Theile in jene Länder so daß diese deutsche Erfindung als „porte-cigarre photofumique“ in Paris bereits mehrere Wochen früher als bei uns bekannt geworden ist. Den Hauptvortheil bei uns hat ihm sofort wieder die Concurrenz fortgeschnappt; die Käufer mögen sich daher wohl vorsehen.

Karl Ruß.




Trenck’s Trinkbecher. In der „Gartenlaube“ vom Jahre 1865, Nr. 1, S. 6 bis 7 ward zuerst ausführliche Nachricht gegeben über die Gefängnißbibel des Freiherrn Friedrich von der Trenck, die sich zu jener Zeit in dem Besitze des Buchhändlers und Autographensammlers O. A. Schulz in Leipzig befand. Der Verfasser des beregten Artikels sprach damals den Wunsch aus, daß diese merkwürdige Bibel, worin Trenck außer vielen anderen interessanten Mittheilungen mit seinem Blute seine eigene traurige Leidensgeschichte im Kerker niederschrieb, einmal in eine große Bibliothek, oder eine Sammlung historischer Merkwürdigkeiten übergehen möchte; dieser Wunsch hat Erfüllung gefunden. Der König Johann von Sachsen brachte, in Folge des oben erwähnten Aufsatzes in der Gartenlaube, die genannte Bibel käuflich an sich. Außer diesem ehrwürdigen Buche kam aber nachmals auch ein zinnerner Becher, den Trenck in seiner grausamen Gefangenschaft benutzte, in den Besitz des Königs.

Auch diesen Becher gebrauchte Trenck, um mit einem fein zugespitzten

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 823. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_823.jpg&oldid=- (Version vom 23.12.2020)