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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Dieser Tag ließ nicht auf sich warten; die Meldung, daß der Kurfürst auf sein schönes Landschloß kommen werde, traf bei dem Inspector ein … Steitz stand im Begriff, noch einmal durch die Schloßgemächer zu wandern, um zu sehen, ob Alles wieder am rechten Ort und möglichst so, wie es früher gewesen … da tritt der Officier, der eben mit einer Abtheilung die Schloßwache bezogen hat, vor ihn, einen schriftlichen Befehl in der Hand.

„Lieber Inspector,“ sagte er, „es thut mir leid … ich habe da eben einen unangenehmen Auftrag bekommen … sehr unangenehm … aber …“

„Einen Auftrag, der mich betrifft?“ fragte Steitz verwundert.

„Ja … ich muß Sie verhaften!“

„Verhaften? Mich?“

„So ist es … sehen Sie da … der Befehl ist von Seiner Durchlaucht eigener Hand.“

„Unmöglich!“

„Sehen Sie selbst!“

„Unglaublich … unbegreiflich,“ stammelte Steitz.

„Es ist mir selbst nicht erklärlich…“

„Das hab’ ich, bei Gott, nicht verdient!“ ruft der Inspector empört aus.

„Freilich … aber …“

„Da der Kurfürst es befohlen, so müssen Sie gehorchen. Ich folge Ihnen.“

„Ich bitte darum … auf die Wache. Sie können für’s Erste auf meinem Zimmer bleiben, Herr Steitz.“

Der Inspector folgte dem Officier, vollständig niedergeschmettert, nicht fähig, auch nur Vermuthungen aufzustellen, was ihm dies Schicksal zugezogen habe. Es war ihm, als ob ein böser Traum ihn bedrücke.

Willenlos und wie gelähmt und matt in sich zusammengesunken setzte er sich in einer Ecke der Stube des Officiers nieder und harrte dessen, was weiter mit ihm geschehen werde.

Nach einer Stunde etwa kam der Kurfürst auf der Wilhelmshöhe an. Kurz darauf trat ein Fourier in die Wachstube und brachte den Befehl, der Inspector solle ihm in die Bibliothek zum gnädigsten Herrn folgen.

Wankenden Schritts stieg Steitz die Treppen hinauf; die Bibliothekthüren öffneten sich vor ihm, er trat ein, und sah den Kurfürsten sofort rasch auf sich zu schreiten.

„Steitz, die fünfzigtausend Thaler hätten auch nicht zu fehlen brauchen,“ rief der Kurfürst ihm zornig entgegen. „Er muß wissen, daß ich Ihn habe arretiren lassen und daß ich durch eine Commission Alles scharf untersuchen lassen werde.“

„Eine solche Commission kann mir nur erwünscht sein, Durchlaucht,“ stammelte Steitz athemlos heraus, „und … und ich fordere sie jetzt … ich verlange sie … obwohl,“ fuhr der Inspector, in welchem jetzt über diese ganze Behandlung der Zorn sich zu regen begann und, wie er weiter sprach, höher und höher schwoll, fort … „obwohl ich nicht geahnt habe, daß dies Eurer Durchlaucht Lohn für den treuesten Ihrer Diener sei, der für Sie gethan hat, was tausend Andere nicht gethan hätten, dessen Haar gebleicht ist in Ihren Diensten und in der Noth und Angst um Ihren Schatz, der Ihretwegen in den Kerker geworfen ist …“

„Nun, nun,“ sagte der Kurfürst beschwichtigend, „sieht Er, Steitz, es war so übel nicht gemeint …“

„Uebel gemeint oder nicht übel gemeint, Durchlaucht, dies ist keine Behandlung, wie sie ein gerechter Fürst für den Mann hat, der bereit war, für ihn sein Leben auf’s Spiel zu setzen … daß Sie durch eine schimpfliche Verhaftung einem Manne wie mir seine Ehre antasten …“

„Na, so höre Er doch auf, mich auszuzanken, Steitz, ich glaube ja, Er ist eine ehrliche Haut! Ich will Ihm auch Alles erklären, ich wollte ja nur wissen, wie es mit den fünfzigtausend Thalern eigentlich zusammenhänge. Sieht Er, der Mensing hat mir darüber nicht reinen Wein einschenken wollen, und Er muß gestehen, daß das verdächtig war …“

„Bei einem Ehrenmann wie Mensing?“ fiel der Inspector zornig ein. „Nein, Durchlaucht. Er hat sein Wort gegeben, den, der die Summe bekommen hat, nicht zu nennen.“

„Ja, ja, so sagte er. Aber ich wollte das aus Seinem Munde auch hören, Steitz. Er sollte mir berichten, wie es eigentlich zugegangen. Er, Steitz! Und damit Er nicht vorher mit Mensing, der in meinem Gefolge ist, den Kopf zusammenstecke, ließ ich Ihn auf die Wache bringen. Darum! Will Er sich jetzt beruhigen? So gebe Er mir die Hand. Er weiß es, daß ich Ihn gern habe!“

Steitz fühlte durch diese Worte seinen Zorn entwaffnet. Er nahm die gebotene Hand. Der Kurfürst schüttelte die seine warm und herzlich.

„Also, es bleibt beim Alten zwischen mir und Ihm,“ fuhr der Kurfürst fort. „Wenn Er einen Wunsch hat, so sag’ Er’s mir. Er bleibt natürlich in Seiner alten Stelle. Ich werde Ihm auch eine besondere Gnadenzulage zu Seinem Gehalte bewilligen. Er soll jährlich fünfzig Thaler Zulage erhalten!“

Steitz verbeugte sich.

„Ich danke, Durchlaucht,“ sagte er kühl. „Das Wichtigste ist mir, daß ich erhalte, was ich früher hatte, Euer Durchlaucht unbedingtes Vertrauen!“

„Gewiß, gewiß … und kann ich Ihm sonst noch einen Wunsch erfüllen, so rede Er.“

„Ich habe allerdings einen Wunsch, Durchlaucht. Er betrifft Wilhelm Momberg.“

„So so … den hab’ ich ja untergebracht … er hat in Prag im Marstall gute Dienste geleistet, und ich habe ihn zum Bereiter gemacht.“

„Durchlaucht hatten die Gnade – aber er kann in der Stellung keine Frau ernähren und er wünscht meine Tochter zu heirathen, die ich ihm verlobt habe. Die jungen Leute haben jetzt in der That lange genug gewartet!“

„Hm, ja … da hat Er Recht, Steitz!“ antwortete der Kurfürst, „was machen wir denn da? … aber zum Teufel, Steitz, was ist das?“ unterbrach sich der Kurfürst, den Inspector an der Schulter fassend und um ihn herumgehend. Er hat ja keinen Zopf!“

„In der That, Durchlaucht müssen zu Gnaden halten …“ antwortete Steitz ein wenig verblüfft, „es ist so aus der Mode gekommen …“

„Das hätte ich von Ihm nicht erwartet, Steitz,“ fiel der Kurfürst zornig ein, „komm’ Er nicht wieder so … und dann hör’ Er, noch Eins … in dem blauen Salon drüben war der schöne kleine Bologneserhund aufgestellt, an dem mein höchstseliger Vater hing … der Professor Schaumburg hatte ihn ausgestopft und in dem blauen Salon unter einen Glassturz gestellt. Ich sehe meinen Herrn Vater noch davor stehen und ihn betrachten …“

„Ja, ja“, fiel Steitz ein, „der hochselige Herr hing sehr daran, er hatte ihn aus Italien mitgebracht …“

„Nun ja, wo ist er?“

„Der Professor Schaumburg wünschte ihn in seinem naturhistorischen Cabinet zu haben, und ich habe ihn ihm überlassen, weil man ihn hier fortschaffen wollte.“

„Schaff’ Er mir das Hündlein sofort wieder zur Stelle, Steitz, hört Er?“ rief der Kurfürst aus, „oder, weiß Er was … wenn der Narr, der Schaumburg, auf das ausgestopfte Thier Werth legt, so kann er es halten … aber der Hund hatte ein kleines silbernes Halsband – das soll er zurückschicken!“

Steitz verbeugte sich abermals.

„Nun kann Er gehen, Steitz; wir bleiben Ihm in Gnaden gewogen.“

„Mit welcher Botschaft für meine Tochter und für … Wilhelm Momberg?“

„Hm, ja – Er ist hartnäckig, Steitz.“

„Nicht für mich, Durchlaucht … aber …“

„Nun wohl, weil der Momberg Sein Schwiegersohn ist, mag’s drum sein. Er kann dem Momberg sagen, daß ich ihn zum Stallmeister ernenne. Ist Er nun zufrieden?“

„Ich danke Eurer Durchlaucht von ganzer Seele,“ antwortete Steitz.

Die Audienz war zu Ende – wie wir es sind mit unserer Erzählung, nachdem wir sie bis zu der glücklichen Wendung geführt, welche das Schicksal Wilhelm’s und Elisens nach siebenjährigem ziemlich hoffnungslosem und dennoch so treuem und ausdauerndem Harren genommen. Die weitern Schicksale des eigentlichen Helden unserer Darstellung liegen außerhalb des Rahmens derselben. Wir können darüber nur angeben, daß, wenn über so viele der treuen Hessenherzen so bald das Gefühl tiefer und niederschlagender Enttäuschung kommen sollte, es bei keinem rascher einziehen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_095.jpg&oldid=- (Version vom 3.10.2021)