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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 7.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



In sengender Gluth.
Von F. L. Reimar.
(Fortsetzung.)


Die Aufmerksamkeit der beiden Officiere wurde in diesem Augenblick durch einen Neueintretenden in Anspruch genommen, und nachdem sie eine Secunde flüchtig hingeschaut, sprangen Beide gleichzeitig auf, um ihn zu begrüßen.

„Tausend Mal willkommen, Lossau! Sie hier in H.? Zur Cur oder zum Vergnügen?“

„Eigentlich weder um des einen noch um der andern willen, insofern ich es auf keinen längeren Aufenthalt abgesehen habe, sondern nur auf der Durchreise hier bin,“ entgegnete der Angeredete, indem er den beiden ihm aus der Residenz bekannten Herren herzlich die Hände schüttelte. „Ich habe meinen Bruder besucht, um ihm selbst die Nachricht von meiner Verlobung zu bringen.“

„Ah, Sie sind verlobt, Lossau? So hat das Gerücht Recht, welches Ihnen eine Neigung für die schöne und liebenswürdige Helene von Wernitz zuschrieb?“

„Sie ist seit acht Tagen meine Braut!“ erwiderte Lossau mit freudigem Stolz.

Die Herren statteten ihre Glückwünsche ab, und es entspann sich dann noch eine kurze Unterhaltung, in welcher festgestellt wurde, daß man den heutigen Tag, den einzigen, welchen Alfred zu seinem Aufenthalt bestimmt hatte, gemeinschaftlich verleben wollte.

„Ehe ich aber den Saal verlasse, müssen Sie mir schon erlauben, etwas zu thun, was ich freilich nicht vor meinen besseren Gefühlen verantworten kann, was mich indessen mit unwiderstehlicher Gewalt lockt: mein Glück einmal am grünen Tisch zu versuchen!“

„Hüten Sie sich, Lossau, Sie rufen Ihren Dämon auf!“ sagte der ältere der beiden Officiere, halb lachend, halb im Ton ernstgemeinter Warnung. Aber Alfred achtete nicht auf ihn und stand im nächsten Augenblick an der Bank, wohin die beiden Officiere ihm folgten, deren Blicke sich hier unwillkürlich nach der schönen Spanierin umsahen, welche sie während des Gesprächs mit Alfred vergessen hatten. Sie war aus dem Saale verschwunden.

Das Spiel nahm seinen Anfang. Alfred setzte ein Goldstück auf eine Karte; die Karte verlor. Er verdoppelte seinen Einsatz und verlor wieder. Unmuthig wollte er dem Glück trotzen und spielte höher und höher – immer mit demselben Erfolg. Sein Gesicht wurde blässer, sein Auge glühender, und als das Spiel beginnen sollte, schüttete er den ganzen Inhalt seiner Börse auf den Tisch.

„Ich setze auf dieselbe Karte mit Ihnen und dieselbe Summe!“ sagte in diesem Augenblicke eine tiefe, klingende Frauenstimme neben ihm, und als er sich umwandte, sah er die Dame an seiner Seite, welche der Officier vorhin als ‚die schöne Spanierin‘ bezeichnet hatte. Es streifte ihn indessen nur ein flüchtiger, wie es schien, gleichgültiger Blick aus ihren dunkeln Augen, der es ungewiß ließ, ob sie ihn kannte. Er dagegen hatte sie erkannt und starrte sie einen Moment betroffen, fast geistesabwesend an, so daß er auf den Fortgang des Spiels nicht achtete und erst wieder daran erinnert ward, als sich Laute der Ueberraschung von den Umstehenden hören ließen und ihm ein großer Haufen Gold zugeschoben wurde. Die Karte hatte gewonnen.

„Noch einmal, setzen Sie noch einmal!“ sagte sie ruhig, und doch kam es Alfred vor, als läge etwas Gebietendes in ihrer Stimme. Fast mechanisch that er, was sie verlangte, und konnte es nicht hindern, daß sie wie zuvor auf seine Karte setzte. Der Erfolg war wie das erste Mal, das Glück dem gemeinschaftlichen Spiel günstig.

„Und nun zum dritten Mal!“ rief die Fremde, welche ihm so nahe getreten war, daß nur er die Worte verstand, die sie halbflüsternd hinzusetzte: „Ich fühl’s, ich habe Glück, wenn ich mit Ihnen spiele!“

Sein Trotz erwachte; er wollte ihre Herausforderung, ihre Siegesgewißheit zu Schanden machen und setzte rasch auf’s Neue, mit dem geradezu brennenden Verlangen, diesmal zu verlieren, denn es war ihm, als würde er damit einen Bann brechen, mit dem sie seinem Schicksal drohte. Es war vergebens – das Glück blieb eigensinnig bei seinen Erwählten und das Spiel endigte mit einem neuen bedeutenden Gewinn für die beiden Partner.

Auf dem Gesicht der Fremden hatte der Ausgang des Spiels durchaus keine Veränderung hervorgerufen, nur glaubte Alfred zu fühlen, daß ihr Blick blitzartig und mit einem triumphirenden Lächeln auf ihn gefallen war; sie anzusehen hatte er nicht gewagt. Nachdem ihr der ihr zugefallene Antheil des Gewinns ausgezahlt worden war, winkte sie ihrer Begleiterin und verließ mit ihr den Saal; auch Alfred kam es nicht mehr in den Sinn, das Spiel fortzusetzen.

Die Freunde traten zu ihm und beglückwünschten ihn über seinen Erfolg. „Und dreifach wegen der Art, wie das Glück Sie heimsuchte,“ sagte der jüngere der beiden Herren. „Teufel, Lossau, welches Verdienst haben Sie vor den unsterblichen Göttern, daß sie Ihnen ihren Segen aus solchen Händen zuströmen ließen?

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_097.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)