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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

nahmen wir Partei für das verfolgte Thierchen. Noch einen Augenblick Stille! – Sieh’, nun erreichte das Eichhorn den ausgelichteten Theil eines Tannenschlags. Dort standen die Bäume in weiten Abständen von einander. Jetzt erfolgte von einer Randtanne ein Sprung wahrer Todesangst. Bravo, er ist ihm glücklich auf die Zweigspitze der nächsten Tanne im Lichten gelungen – der nacheilende Marder springt zu kurz und muß nun, zur Erde gefallen, von unten den Baum hinauf. Das Eichhorn aber war bereits auf dem Wipfel der Tanne angelangt und warf sich mit einem zweiten, ihm von oben leichter fallenden Sprunge auf den zweiten Baum. Aber nun schnitt unser lautes „Hallo!“ den Räuber plötzlich von seiner Verfolgung ab; überrascht drückte er sich auf einen Tannenast regungslos hin, uns mit seinen Spitzbubenaugen anblinzend. –

Nun könnten wir durch ein „Gespenst“, das heißt durch ein Kleidungsstück über einem unweit des Baumes aufgepflanzten Stocke, den Marder auf seinen Baum bannen, um ein Jagdgewehr zu holen und ihn herunter zu schießen, wenn wir den in gar manchen Naturgeschichten eingeschlichenen Fabeln abergläubisch Gehör geben wollten. Allein ganz abgesehen von unserer Erfahrung, welche dies Mittel als erfolglos erkannt, schonten wir den Marder, weil wir wußten, daß er in irgend einer hohlen Eiche oder in einem alten Neste eines Eichhorns, einer Elster oder eines Raubvogels seine Jungen zu versorgen hat. Freilich ist’s wahr, daß er keine Gnade verdient, denn er ist ein durchaus schädlicher Lauerer, Schleicher und Mörder.

In der Abenddämmerung und im Dunkel der Nacht verfolgt er hauptsächlich die Schleichwege mit der seiner Art eigenen List. Sobald das wache Auge und die sichernde Nase am Rande des Astlochs oder des Nestes die Gegend sicher befunden, beginnt das Spähen, Lauschen und „Winden“ nach schlummernden Vögeln und deren Nestern. Leise und vorsichtig bewegt er sich auf den Aesten hin und naht sich der schlummernden Taube auf Sprungweite, dann fährt er mit wohlgezieltem Satz zu, packt den Vogel und hält sich oft nur mit einer Pfote noch am Gezweig, um den Sturz in die Tiefe zu vermeiden, der ihm übrigens nicht schadet, weil er entweder unterwegs ein Aestchen fängt oder unten mit den Füßen aufspringt.

Ein andermal hat er den Wechsel der alten „Geis“ mit dem „Kitzchen“ ausgespürt, oder er sieht sie unter sich vertraut sich „äßen“. Unbemerkt schleicht er von Ast zu Ast und fährt wie ein Blitz aus heiterer Höhe dem ahnungslosen Kitzchen in den Nacken, um es zu würgen. Ein Schrei, ein plötzliches Zusammenbrechen des erschreckten Thierchens, das Herbeieilen der Mutter, die vergebens ihre Vorderläufe zum Prügeln und zur Abwehr des Mörders gebrauchen würde, weil ihr Junges sie hindert, das Davonrennen des sich aufraffenden Kitzchens, wenn es stark genug dazu ist, sein Hinstürzen und Verenden – alles Dies geschieht in unablässiger Folge. Aeltere Rehe dagegen, die im Winter zuweilen von dem hungrigen Edelmarder überlistet werden, tragen den Festgebissenen weite Strecken mit sich fort, schütteln ihn ab, indem sie ihm ein Stück Haut ihres Nackens oder Halses lassen, oder der Reiter springt aus erregter Furcht bei längerer Dauer des Rittes von selbst ab und verzichtet auf die Beute.

Neben dem Blutdurst spielen Jähzorn und Eifersucht im Leben des Edelmarders eine bedeutende Rolle. Ende Januars und im Februar, wo gewöhnlich mehrere Männchen um die Gunst des Weibchens werben und seiner Spur nachschnüffeln, finden heiße Kämpfe statt. Die Männchen stürmen wüthend auf einander ein, schlagen mit den Vordertatzen, beißen schreiend gleich den Steinmardern um die Wette, daß die Wollfetzen und Haare davonfliegen. Der Besiegte eilt plötzlich in hastiger Flucht davon, noch eine Strecke von dem Sieger verfolgt; hierauf kehrt dieser zu dem Weibchen zurück und wird huldvoll empfangen, während jener sich begnügen muß, in respectvoller Entfernung den Schmerz seiner Niederlage und den noch größeren der Entsagung zu verwinden, und endlich sich entschließt, anderwärts als ritterlicher Freier und Kämpe aufzutreten. Bei gleicher Stärke der Männchen dauern indeß die Kämpfe lange und wiederholen sich allnächtlich. Das Weibchen sitzt oft lange zwischen den sich gegenseitig fürchtenden und den ernstlichen Zusammenstoß meidenden Männchen. Nähert sich der eine Bewerber, so hält ihn der andere durch eine Drohung oder einen herausfordernden Sprung im Schach, bis die Eifersucht sie zu entscheidendem Kampfe zwingt. Es ist Thatsache, daß die Eifersucht sie Hunger leiden und die Raubgier beherrschen lehrt. In mondhellen Nächten überzeugt man sich von ihrer Ausdauer in Liebeshändeln.

Freilich angenehmer ist der Beobachtungsstand bei stillem Sommerwetter in der Nähe des Edelmardernestes, wenn man das anmuthige Familienleben beschauen will, das sich vor unseren Blicken entfaltet und ein Gegenstück zu dem Familienleben der weißkehligen Vettern und Basen der Edelmarder, nämlich der Steinmarder, bildet, welches letztere die Gartenlaube vielleicht in einem spätern Artikel zu schildern gedenkt.

Adolf Müller.


Zum Wohle des Schulkindes.

Lebensluft spendende Zimmerpflanzen.

Kohlensäure heißt eine farblose Luftart, welche das Leben und die Gesundheit des Menschen sehr bedeutend schädigen kann. Dies ist zumal dann der Fall, wenn sie in größerer Menge in die Lungen eindringt oder sich im Blute anhäuft. Ja sie kann, indem sie beim Einathmen ein krampfhaftes Zusammenziehen des Kehlkopfes bewirkt, schnellen Tod durch Ersticken veranlassen.

Die Kohlensäure ist aus zwei Stoffen, aus Kohlenstoff und Sauerstoff, zusammengesetzt und bildet sich vorzugsweise beim Verbrennen kohlenstoffhaltiger Substanzen, und zwar ebenso beim schnellen Verbrennen mit Lichtentwickelung (wie im Ofen), als auch bei langsamen, fast unmerklichen Verbrennungsprocessen (wie bei der Fäulniß und Gährung). Auch innerhalb unseres Körpers, und zwar im Blute, wird immerfort, in Folge von Verbrennung guter brauchbarer und schlechter unbrauchbarer Stoffe, Kohlensäure erzeugt. Damit diese nun in unserem Blute sich nicht in solcher Menge anhäuft, daß sie der Gesundheit schadet, wird sie fortwährend an mehreren Stellen des Körpers durch bestimmte Organe aus dem Blute entfernt. Dies geschieht vorzugsweise in den Lungen und durch die Haut. Beim Ausathmen und mittels der Hautausdünstung wird demnach unser Blut von der schädlichen Kohlensäure befreit. Wenn also viele Menschen längere Zeit in einem geschlossenen Raume beisammen sind, so muß natürlich die Luft in demselben immer reicher an Kohlensäure, dadurch die Luft verschlechtert und zum Athmen immer untauglicher werden. Wird nun gar noch in diesem von Menschen erfüllten Raume Etwas verbrannt (z. B. Kohlen oder Holz im Ofen, Lichte), so steigert sich die Kohlensäurebildung immer mehr.

Daß in Schulen, zumal im Winter und bei Ueberfüllung des Locals mit Schülern, viel Kohlensäure entwickelt wird und daß deshalb die Schule, wenn sich hier dieses giftige Gas in widernatürlicher Menge anhäuft, die Schuld am Krankwerden der Schüler tragen kann, ist wohl nicht zu bezweifeln. Daß sodann die baldige Entfernung der Kohlensäure aus den Schulstuben eine unerläßliche Pflicht ist, dürfte ebenfalls klar sein.

Sowie nun das Einathmen von Kohlensäure dem Menschen verderblich ist, so kann er ohne Einathmen einer andern Luftart gar nicht leben, und diese ist der Sauerstoff oder die Lebensluft. Es befindet sich dieses zum Leben ganz unentbehrliche farblose Gas in der atmosphärischen Luft und wird mit Hülfe des Athmens in unsere Lungen geschafft. Hier tritt dasselbe in’s Blut ein und strömt mit diesem nach allen Theilen des Körpers hin, um brauchbare und unbrauchbare Blutbestandtheile zu verbrennen (wobei sich Wärme und Kohlensäure entwickelt). Innerhalb der Lungen geschieht also Zweierlei: ein Theil der Lebensluft, welche sich in der eingeathmeten atmosphärischen Luft befindet, tritt in den Blutstrom ein; dafür tritt aber ein Theil der Kohlensäure aus dem Blutstrome heraus in die Lungenbläschen und wird ausgeathmet. Sonach muß also die ausgeathmete Luft weniger Sauerstoff und weit mehr Kohlensäure enthalten, als die eingeathmete.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_119.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)