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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Ein Vorkämpfer der Frauenbildung in Indien. Wie in allen Ländern des Orients, so stehen auch in Indien die Frauen auf der niedrigsten Stufe geistiger und moralischer Bildung; sie werden zu nichts erzogen, als zur sclavischen Unterwürfigkeit gegen den Mann, dem sie bereits als Kinder von zehn bis zwölf Jahren vermählt werden; darüber hinaus ist ihnen alles Denken und Fühlen förmlich untersagt.

Man darf nur die Vorschriften lesen, welche in dem heiligen Buche der Inder, dem Polavor Purina, den dortigen Frauen gegeben werden. Dieselben lauten z. B.: „Die Frau darf keinen andern Gott auf Erden haben, als ihren Mann. Möge derselbe nun auch alle Fehler und Gebrechen besitzen und noch so bösartig und unangenehm sein, so muß ihn die Frau dennoch stets als ihren Gott betrachten, ihm alle Sorgfalt widmen und ihm niemals Veranlassung zu Aerger und Verdruß geben. Sie muß sich ihm zu Gefallen schmücken und zierlich kleiden und sich in jeder Hinsicht nach ihm richten, ihm niemals widersprechen; lacht er, so muß sie auch lachen; weint er, so muß sie gleichfalls weinen. Sie darf nicht eher essen, als bis ihr Mann gegessen hat; fastet er, so muß sie auch fasten; kann er nicht essen, so darf sie auch nicht essen. Singt der Mann, so muß die Frau außer sich vor Freude sein; tanzt er, so muß sie ihm mit Entzücken zusehen; spricht er, ihm mit Bewunderung zuhören. Ist der Mann zornig, sagt er ihr beleidigende Worte oder schlägt sie gar ungerechterweise, so muß sie seine Hände küssen und ihn um Verzeihung bitten, aber weder schreien noch entfliehen.“

In diesem Tone gehen die Vorschriften fort und enden schließlich mit dem Gebot, sich nach dem Tode des Gatten mit ihm lebendig verbrennen zu lassen. Diesen traurigen Zuständen so viel als möglich zu steuern und den unglückseligen, geknechteten Frauen das Licht der Aufklärung zu bringen, ist ein wahrhaft edler Mann in Bombay bemüht, der seit dreißig Jahren daran arbeitet, den armen indischen Weibern, welche in stumpfem Gleichmuth dahin vegetiren, Urtheils- und Denkkraft, Verstand und Bildung einzuflößen.

Sein Name ist Manokdschi Kursetdschi, er gehört der Religionskaste der Parsen oder Feueranbeter an und zählt durch Geistesbildung, durchdringenden Verstand und Reichthum zu den berühmtesten Notabilitäten Indiens; er ist Mitglied aller erdenklichen Gesellschaften für wissenschaftlichen und sittlichen Fortschritt und bereiste kürzlich wieder Europa, verweilte zu Beginn dieses Jahres in Paris und wurde dort zu den Tuilerienbällen eingeladen, wo das französische Kaiserpaar den seltenen Mann in jeder Weise auszeichnete.

Er stiftete 1863 in Bombay die erste Mädchenschule für indische Mädchen nach englischem System und nannte dieselbe zu Ehren der Prinzessin von Wales „Alexandra-Institution“. Trotz seiner unablässigen Bemühungen zählte doch die Schule 1865 erst zwanzig Schülerinnen im Alter von sechs bis zu dreizehn Jahren, von denen dreizehn der Parsenrace angehörten und sieben Hindumädchen waren. Allmählich gelang es dem unermüdlichen Manne mehr und mehr, die herrschende Unwissenheit und den finsteren Aberglauben zu besiegen, am meisten dadurch, daß er selbst mit dem Beispiel voranging, alle Vorurtheile, Gewohnheiten und Traditionen seiner Kaste bei Seite zu werfen, seinen Kindern eine ganz europäische Bildung und Erziehung zu geben und sein Haus den Europäern in gastfreundlichster Weise zu öffnen, wobei seine Töchter allen indischen Gebräuchen zum Trotz in liebenswürdigster Weise die Honneurs machten. Freilich wurde dies Beispiel nicht sogleich von seinen Landsleuten befolgt, sondern erwarb ihm anfangs die bitterste Feindschaft derselben, aber endlich gelang es seiner Beharrlichkeit, mit der Zeit große Erfolge zu erringen. Manokdschi Kursetdschi hat zwei Töchter und zwei Söhne. Die Söhne studiren in Oxford und Cambridge, die Töchter sind die getreuen Schülerinnen und Gehülfinnen des Vaters; sie leiten den Unterricht in den von ihnen begründeten Schulen und beschäftigen sich mit Werken der Barmherzigkeit, pflegen die Kranken, trösten die Betrübten, gleichviel, ob dieselben Parsen, Hindus oder Christen sind.

Die Verheirathung der ältesten dieser Töchter, Miß Amy Manokdschi Kursetdschi, welche kürzlich in Bombay stattfand, war ebenfalls ein glänzender Protest gegen die hergebrachten indischen Gebräuche; der Vater vermählte seine Tochter nämlich nicht in den Kinderjahren, nach eigener Willkür, wie dort stets geschieht, sondern ließ das herangewachsene, in jeder Hinsicht trefflich ausgebildete Mädchen eine Wahl nach eigener Herzensneigung treffen, was eine unerhörte Thatsache ist und auf’s Neue den Zorn aller Landsleute erregte. So bezeichnete die Hochzeit von Miß Amy mit Mr. K. R. Cama förmlich eine neue Aera und eine schönere Zukunft für die indische Frauenwelt durch den Triumph der Civilisation. Alle hervorragenden Persönlichkeiten der europäischen Gesellschaft von Bombay wohnten diesem Feste bei, und die Damen lächelten dem jungen Parsenmädchen, welches den Muth hatte, eine Liebesheirath zu schließen, ihren freundlichsten Glückwunsch zu.


Der Papst als Kunstmäcen. Vor Kurzem durchwanderte Pius der Neunte ganz allein die Zimmer und Säle des Vatican, um sich nach dem Gebote seines Arztes etwas Bewegung zu machen, was er ungünstigen Wetters halber nicht im Freien ausführen konnte. In einem der Säle bemerkte er einen sehr jungen Mann, der in stummer Betrachtung oder vielmehr Verzückung vor einem bewunderungswürdigen Frescogemälde des „göttlichen Raffael“, wie ihn seine Landsleute nennen, dastand.

Stillschweigend wollte der Papst vorüberschreiten, um den Kunstenthusiasten nicht zu stören, aber Jener hörte dennoch ein leichtes Geräusch und wandte das Haupt, worauf er sich tief verbeugte, als er den Greis in seinem weißen Gewande vor sich stehen sah, der ihn mit freundlichem und klugem Lächeln betrachtete.

Pius der Neunte hatte eine Künstlerseele in dem jungen Menschen errathen und frug denselben wohlwollend: „Sind Sie ein Maler, mein Sohn?“

„Ja, heiliger Vater, ich möchte wenigstens einer werden.“

„Wahrscheinlich sind Sie Ihrer Studien halber nach Rom gekommen?“

„So ist es, heiliger Vater.“

„Ohne Zweifel sind Sie ein Schüler der hiesigen Malerakademie?“

„Ach nein, leider nicht.“

„So haben Sie irgend einen besonderen Lehrer?“

„Nein, auch das nicht, ich bin zu arm dazu. Ich muß meine Studien ganz allein treiben und habe mir Raffael zum Lehrer und Meister auserkoren.“

„Nun, mein Sohn, es wäre aber doch vielleicht besser für Sie, wenn Sie in die Akademie einträten. Thun Sie es sobald als möglich; wenn es Ihnen recht ist, werde ich die Kosten übernehmen?“

„O, heiliger Vater, wie kann ich – –“

„Still, danken Sie mir nicht.“

„Aber Euer Heiligkeit wissen nicht, daß ich – –“

„Sprechen Sie, mein Sohn, was haben Sie auf dem Herzen?“ sagte Pius gütig.

„Ich bin Protestant.“

„O,“ erwiderte lachend der Papst, „was geht das die Akademie an?“

Seit dieser Zeit studirt Georg Johnston auf Kosten des Papstes auf der römischen Malerakademie und gedenkt seinem Gönner alle Ehre zu machen.


Ein Zahlenwunder. Vierundzwanzig Buchstaben sind es, durch deren Versetzung alle Sprachen der Erde dargestellt werden und, seitdem die Schrift erfunden ist, alles Schriftliche aller Menschen in allen Sprachen ausgedrückt wird; die Millionen Bücher aller Bibliotheken der Welt sind nichts, als die vierundzwanzig Buchstaben in immer neuen Versetzungen, deren Möglichkeit uns endlos erscheint, obwohl ihre Zahl sich genau berechnen läßt. Ist das nicht ein großes Wunder? Aber wir spielen mit ihm durch das ganze Leben, und Geschlechter sterben, ehe Einer an das Wunder der Sprache denkt und den Stift zur Hand nimmt, um die Zahlenreihe aufzubauen, die ihm ein einfaches Multiplicationsexempel giebt. Da 2 Buchstaben nur zwei Mal, 3 schon sechs Mal, 4 vierundzwanzig und 5 einhundertundzwanzig Mal versetzt werden können, so finden wir die Zahl der Versetzungen von 6 Buchstaben, wenn wir die 6 mit der Versetzungszahl der 5 multipliciren, also 6 × 120 = 720, 7 × 720 = 5040, 8 × 5040 = 40,320, das heißt 8 Buchstaben sind vierzigtausenddreihundertzwanzig Male zu versetzen u. s. f. Nach dieser einfachen Weise kann Jedermann selbst die Zahl der Versetzungen aller vierundzwanzig Buchstaben berechnen, und wenn er nichts davon hat, so ist doch das Erstaunen erlebenswerth, welche ungeheure Summe schließlich herauskommt, und die große Beruhigung, daß das Leben der Sprache noch lange keine Erstarrung wegen Mangels an Neubildung zu befürchten hat. F. Hfm.


Ueber die entsetzliche Katastrophe auf dem Sloman’schen Auswandererschiff „Leibnitz“ verweisen wir unsere Leser auf Nr. 7 unserer Beilage der „Deutschen Blätter“, welche ausführlichen Bericht darüber bringt.

Die Redaction.




Opferstock für Ostpreußen.

Es gingen ferner ein: Aus Meißen 1 Thlr.; von einem Handwerksburschen aus Dankbarkeit für die im Jahre 1859 in Ostpreußen empfangenen Wohlthaten (aus Hildburghausen) 2 Thlr.; Postsecr. Clement in Sulza 1 Thlr.; E. K. in Eibenstock 1 Thlr.; N. N. in Bamos-Mikol 5 Thlr.; Kellner-Verein Unità in Leipzig, ges. am Stiftungsfeste 13 Thlr.; W. Hoffmann in Asch 2 Thlr.; M. Röpler in Asch 1 Thlr.; I. L. in Marburg 1 Thlr.; Reuter in Oberndorf 1 Thlr.; aus der Wasserheilanstalt Auer in Mecklenburg 18 Thlr.; aus Remsa 2 Thlr. 22 Sgr. 2 Pfge.; Mahla und Gräser in Remsa 5 Thlr.; N. N. in Bützow 1 Thlr.; Dr. Enders in Lengsfeld 5 Thlr.; ges. in einer fröhlichen Gesellschaft im Bergschlößchen zu Imnitz, von Elisabeth Taubert 6 Thlr. 191/2 Sgr.; Gewerbeverein in Löbau, ges. durch L. Oliva 13 Thlr. 1 Sgr. 4 Pfge.; C. B. 4 Thlr.; aus Groß-Zschocher 1 Thlr.; N. N. in Deventer 1 Thlr.; Fleck in Albersdorf 10 Thlr.; aus Kieritzsch 1 Thlr. 10 Sgr.; G. S. in Schleiz 5 Thlr.; D. in Kirchheimbolanden 5 fl. rhein.; aus Kaiserslautern: Am Stiftungsfeste des Turnvereins Kaiserslautern, ges. durch F. Hermanny 65 fl. 41 kr., von Frau C. S. 30 kr., aus der Casse des Turnvereins 9 fl. und aus der Sparbüchse zweier Kinder 1 fl. 49 kr., zusammen 77 fl. oder 44 Thlr.; Liedertafel in Kirchdorf in Oberösterreich 23 fl. ö. W.; Ertrag eines Dilettanten-Concerts im Club in Holzminden 48 Thlr. 15 Sgr.; die Erholungsgesellschaft in Sonneberg 50 Thlr.; Sammlung in der Bürgerschaft von Stadt Ilm, durch den dortigen Stadtrath 63 Thlr. 25 Sgr. 8 Pfge.

Von diesen Eingängen sandten wir sofort ab an: Kreisrichter Peteaux in Ragnit 30 Thlr.; Lehrer Krafft in Blecken bei Gumbinnen 25 Thlr.; Pfarrer Passauer in Georgenburg bei Insterburg 25 Thlr.; Hülfsverein für Ostpreußen in Berlin 150 Thlr.; Redaction des Bürger- und Bauernfreundes 150 Thlr.

Die Redaction.




Inhalt: In sengender Gluth. Von F. L. Reimar. (Schluß.) – Entsagung und Trost. Gedicht von Konrad Krez. – Ein Menschenherz. Gedicht von Robert Prutz. – Charaktere aus der Thierwelt. Von Gebrüder Adolf und Karl Müller. 2. Der Edelmarder. Mit Abbildung. – Zum Wohle des Schulkindes. Lebensluft spendende Zimmerpflanzen. Von Bock. – Beim Dichter der „Studien“. Von Mariam Tenger. – Bilder aus dem Berliner Rechtsleben. Von F. K. I. – Unsere Wintergäste. Mit Abbildung. – Blätter und Blüthen: Zum ersten Mal. – Ein Vorkämpfer der Frauenbildung in Indien. – Der Papst als Kunstmäcen. – Ein Zahlenwunder. – Katastrophe auf dem Auswandererschiff „Leibnitz“. – Opferstock für Ostpreußen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_128.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)