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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Das junge Mädchen faltete mit einem zweiten Seufzer ihre Hände im Schooße.

„Vater,“ sagte sie, „ich wollte Euch gern sagen: ich will mich bessern. Aber was hälf’s, ich fühle es ja selber, daß ich mich nicht bessern kann, so gern ich’s möchte. Ich habe keinen Kopf dazu! Seht, wenn Ihr mir sagt: geh’ den Nachmittag mit den Mägden in’s Feld und sieh’, daß der Hanf aufgerissen wird, so bin ich so eifrig dabei und denke nur darauf, daß wir auch bis zum Abend mit der Arbeit fertig werden und daß jede von den Mägden ihr gleiches Theil thut und daß die einzelnen Bündel ordentlich aufgebunden werden, daß ich darüber den Müllerwagen vergesse – und hernach erst fällt’s mir mit Schrecken ein. Und wenn ich in der Milchkammer sehe, die Kathrine hat wieder vergessen, eine von den Schüsseln abzurahmen oder hat nach dem letzten Buttern die Quirle nicht ordentlich ausgewaschen, dann ärgere ich mich wohl über die Kathrine und dann gelobe ich mir, ihr recht tüchtig den Kopf zu waschen, aber wenn dann die Kathrine wirklich vor mir steht und sieht so ruhig und wohl zufrieden mit sich aus, als ob sie Alles auf’s Beste gethan hätte, dann hab’ ich gar den Muth nicht mehr, ihr etwas Schlimmes zu sagen, und wenn ich mich recht zusammennehme und ihr sage, es sei doch sehr unrecht, so nachlässig zu sein, so zuckt sie mit den Schultern und geht fort, ohne sich darum zu kümmern!“

Bauer Herbot zuckte auch mit den Schultern.

„Und das wundert Dich dann wohl noch, daß sich aus solchen Worten das wüste Volk nichts macht?“

„Es wundert mich gar nicht, um so weniger, als sie ja sehen, daß ich auch oft genug etwas vergesse und genug von Euch gescholten werde!“

Herbot schwieg und warf heftig die Asche aus seiner eben ausgegangenen Pfeife.

„Vater,“ sagte das junge Mädchen sanft nach einer Pause.

„Was ist, Marianne?“

„Ihr solltet Euch entschließen … zu dem, was Ihr doch einmal thun müßt! Es geht ja nicht anders, es muß aus den Hof eine tüchtige junge Frau kommen, die’s besser anzufassen versteht, als ich. Ihr seid ja noch in den besten Jahren, und wenn Ihr auch nicht der Bauer vom Herbothof wäret, ich glaube, die Anna nähm’ Euch doch!“

Herbot nickte nachdenklich mit dem Kopfe.

„Die Anna nähm’ mich schon,“ sagte er, „die Anna ist ein wackeres und rühriges Mädchen, das mir besser gefällt, als jede andere in der Bauernschaft. Aber …“

Bauer Herbot murmelte etwas zwischen den Zähnen; er beschäftigte sich damit, den Tabaksbeutel hervorzuziehen und seine Pfeife neu zu stopfen.

„Aber?“ fragte Marianne.

„Nun, was brauch’ ich Dir’s zu verschweigen! Die Anna ist viel zu gescheidt, in ein Haus zu ziehen, worin eine Tochter ist, beinah eben so alt wie sie. Sie hat’s nicht nöthig, das!“

„Hat sie Euch das gesagt?“ fragte Marianne, die Farbe wechselnd.

Bauer Herbot gab keine Antwort auf diese Frage.

Eine stumme Pause folgte.

„Du lieber Gott,“ hob Marianne mit einem schweren Seufzer wieder an, „ich komme mit der Zeit ja auch wohl noch unter die Haube!“

„Es hat nicht den Anschein,“ versetzte unmuthig der Bauer. „Freier hast Du genug! Der junge Rasselsberg und der Schulzensohn vom Erdmannshof und der Anerbe vom Wallfurth’s Colonat – sie alle sind Deinetwegen hier gewesen … aber Du hast ihnen Allen schnippisch die Wege gewiesen, und wenn nicht auf den Herbothof ein Prinz mit vier Pferden gefahren kommt, so wird wohl nie, etwas daraus werden … Und so muß ich mich drein geben; was ist mit einem verdrehten Weiberkopf anzufangen? Das kommt dabei heraus, wenn man seine Kinder mit vornehmen Leuten in die Stadt ziehen läßt … Zierpuppen werden sie, denen nichts mehr gut genug ist! Deine gnädige Frau hat’s Dich wohl gelehrt? Die weiß ja auch nicht, was sie will, und wen sie mag; ihr Mann ist schon seit drei Jahren todt und nun ist ihr Vater obendrein gestorben und es thäte bitter Noth, daß sie einen ordentlichen Mann nähme, der nach dem Ihrigen schaute und es bei einander hielte … aber es sei ihr keiner gut genug, sagen die Leute, sie führt sie alle am Narrenseile und …“

„Ach, Vater, was wißt Ihr davon, daß Ihr den Leuten solch’ verkehrtes Zeug nachredet. Die Frau von Thorbach ist die bravste Frau aus der Welt …“

„Wenn sie nicht auch eine Zierpuppe wäre, just wie Du, hätte sie längst Einen gefunden, der ihr gut genug gewesen wäre!“

„Eine Zierpuppe ist sie nicht, das ist bös, daß Ihr das sagt, und wenn sie die Männer, die um sie freien – es kommen ihrer freilich schon genug – nicht mag, so hat sie ihre Gründe …“

„Gründe … möcht’ wissen, was für Gründe das sein sollten …“

„Die Gründe,“ rief Marianne, in der Vertheidigung der gnädigen Frau immer hitziger werdend, aus, „die sind, daß sie Einen gern hat und alle Andern nicht mag, und ich denk’, das ist ganz allein ihre Sache und geht Niemand etwas an.“

„Nun, weshalb nimmt sie denn den Einen nicht? Uns geht’s freilich nicht an, aber das Schloßwesen geht’s an, das verkommt ohne ordentlichen Herrn.“

„Der Eine, den sie mag, der mag sie nicht; der kümmert sich gar nicht um sie, oder hat wohl einen Haß auf sie geworfen, ich weiß es nicht … ich weiß nur, daß es ein seltsamer Mensch sein muß … eine so schöne und so gute junge Frau …“

„Das müßt freilich ein seltsamer Mensch sein, der das Schloß Stromeck nicht nähme, wenn er’s bekommen könnt’. Das ist ja Alles dummer Schnack!“

„Es ist kein Schnack, sie hat’s mir einmal selber gesagt, Herr von Mechtelbeck stiere sie immer von Weitem an, als ob sie ein wildes Thier wäre, und wiche ihr doch aus und spreche nie ein Wort zu ihr … ich hab’s wohl gemerkt, weshalb sie so zornig dabei war …“

„Der Rittmeister von Mechtelbeck? Der wär’s?“ fragte Herbot, „das ist wunderlich! Zwischen denen von Stromeck und den Mechtelbecks hat, so lang ich denken kann, niemals große Freundschaft bestanden. Nun, sie mögen das unter sich ausmachen und mir kann’s einerlei sein, ob die gnädige Frau einen Mann nimmt oder nicht nimmt. Bei Dir aber ist mir’s nicht einerlei, und weshalb mir’s nicht einerlei ist, das hab’ ich Dir just gesagt, und ich sag’ Dir auch, daß ich die Ziererei müde bin. Die Anna hat am Ende auch nicht Lust, ewig zu warten, bis Dir’s mal einfällt …“

„O sorgt Euch nicht!“ fiel Marianne gereizt und mit schwer verwundetem Herzen ein, in das die egoistischen Worte ihres Vaters wie Stacheln drangen. „Ich werde mich ja schon verheirathen. Ihr mögt’s der Anna nur sagen,“ setzte sie mit vor schmerzlicher Erregung zitternder Lippe hinzu.

„Und wer ist’s denn, den Du nehmen willst?“ fragte der Bauer begierig aufhorchend, „ist’s der Raffelsberg oder der Erdmann, oder der …?“

„Muß es denn just Einer von den Dreien sein?“ fragte Marianne mit einem tiefschmerzlichen Seufzer.

„Es hat sonst Keiner um Dich gefreit, so viel ich weiß … aber hör’, es kommt mir just so vor, als sei’s nur leeres Gered’, was Du daher machst … damit komm’ ich nicht weiter – werd’ mich auch hüten, der Anna davon zu sagen … ich kenne Dich!“

„Mein Gott, nein, es ist kein leeres Gered’, ich werde ja heirathen, ganz gewiß werd’ ich’s; ich kann doch nicht mehr thun, als es Euch sagen!“

„Dann komm’ auch heraus mit der Sprache und sag’ ehrlich, wer’s ist! So lang Du das nicht thust, glaub’ ich Dir nichts. Mit Deinem ,Ich werd’ heirathen’ laß ich mich nicht zum Besten halten … Nun, wirst Du endlich reden?“

„Muß ich denn durchaus Einen nennen … nun in Gottes Namen denn, wenn Ihr gar nicht anders Ruhe bekommt der …“

Marianne stockte eine Weile, preßte die Hände in ihrem Schooße zusammen und sagte mit zornigem Tone:

„Der Friedrich, der bei den Soldaten in der Stadt, ist’s, den ich nehme.“

„Was? Der Friedrich?“ rief Herbot mit dem Tone einer ganz außerordentlichen Verwunderung. „Der?“

Marianne schwieg, zu Boden blickend, während ihr Thränen des Zorns in die Wimpern traten.

„Aber der ist ja seit Jahren nicht mehr hier im Dorfe gewesen,“ sagte Herbot jetzt, „seit vielen Jahren …“

„Ich habe ihn gesehen, als ich bei der gnädigen Frau in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_130.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)