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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

sie wird alsdann als Hebamme schimpflich abgesetzt und erhält wohl auch eine Gefängnißstrafe. Aber eine tüchtige runde Summe, ihr baar ausbezahlt, wird sie bewegen zu reden, darüber habe ich mit ihr verhandelt. Dann haben wir die schönsten Aussichten, es dahin zu bringen, daß Sie als Baron Mechtelbeck anerkannt werden, und dann fällt Ihnen das ganze Vermögen zu – der Hauptmann von Mechtelbeck, der jetzt im Besitze ist, ist der Sohn der zweiten Frau, die der alte Tyrann nahm, als er die erste glücklich todt geärgert und gepeinigt hatte.“

„Also ich sollte auftreten und den Herrn von Mechtelbeck des Seinigen berauben?“

„Sie sollen nur Ihr Recht fordern.“

„Und dazu giebt die Frau von Thorbach das Geld her?“ sagte Friedrich plötzlich im Tone des Zorns. „Das ist schön, in der That! Ich hätte nicht gedacht, daß der Hauptmann Recht habe, als er mich versicherte, sie sei seine unversöhnliche Feindin. Aber sie irrt sich schwer, wenn sie glaubt, ich lasse mich zum Werkzeug für diese Feindschaft brauchen, ich würde gegen meinen Hauptmann von Mechtelbeck auftreten.“

„Davon,“ fiel hier der Doctor Rostmeyer ein, „davon ist ja nicht die Rede, und mir scheint das doch ein komischer Gewissensscrupel, daß Sie nicht gegen den Hauptmann auftreten wollen. Solche zarte Rücksicht ist mir noch nicht vorgekommen. Sie sind der Baron Mechtelbeck, der legitim richtige Erbe, den man verstoßen, den man um Alles gebracht hat, bis auf den ehrlichen Namen und nun wollen Sie um solcher Bedenklichkeit willen lieber Ihr Leben hindurch Unterofficier bleiben, Sie wollen der Welt vorlügen, Sie seien nicht, was Sie doch wissen, daß Sie sind? Wenn Sie für den Hauptmann solche Zärtlichkeit empfinden, nun … so fragen Sie ihn doch wenigstens, ob er das, was Ihnen gehört, behalten will und mag.“

„Am Ende haben Sie Recht, Doctor,“ rief Friedrich aus. „Ei, und so wäre dies ja ein merkwürdiges Glück für mich … Ich ein Baron – wirklich und wahrhaftig ein Baron …“

Friedrich lachte vor Vergnügen hell auf; seine Züge hatten sich geröthet, er schritt heftig im Zimmer auf und ab, während er laut fortfuhr:

„Ein Baron von Mechtelbeck – ich habe ein Schloß, die alte Burg, mit Aeckern und Wiesen und Wäldern – es gehört, so viel ich mich entsinne, ein wunderbar schöner Wald dazu - und die Pferde – und Equipagen – Rostmeyer, ich bin so vergnügt, ich möchte Ihnen die Ohren reiben, bis Ihnen Hören und Sehen verginge. Aber, wissen Sie, was ich zunächst thue? Ich werde nicht vom Militär weggehen, aber ich werde mich zum Officier machen lassen, die Fonds zur Equipirung haben wir ja …“

„Die werden Sie haben, allerdings … ich zweifle nicht, daß wir’s durchsetzen, und dann …“

„Sie zweifeln nicht?, Und was könnte dann noch fehlen, wenn wir das Zeugniß der Hebamme haben … nein, nein, nein, reden Sie mir nicht mehr von Zweifel … reißen Sie mir die schönen Epauletten nicht wieder ab, die ich im Geist schon auf meinen Schultern sehe … wahrhaftig, Doctor, die Epauletten will ich haben – und will sie dann alle hänseln und ausstechen, diese näselnden und schnarrenden Officierchen, die Unsereins glauben über die Schulter ansehen zu dürfen … ich will ihnen ihre Tänzerinnen wegnehmen und ihren Damen den Hof machen … ich will die schönsten Pferde in der ganzen Garnison reiten, Doctor, es soll ein Leben beginnen, ein Leben sag’ ich Ihnen …“

„Das ist Alles ganz gut,“ unterbrach der Doctor Rostmeyer diesen Ausbruch der Freude, die, wenn sie plötzlich kommt, auch beim vernünftigsten Menschen in ihren ersten Aeußerungen etwas Kindisches zu haben pflegt. „Aber,“ setzte er hinzu, „bevor wir uns die schönsten Pferde in der Stadt kaufen, suchen wir überhaupt erst in den Sattel zu kommen. Dazu ist zuerst nöthig, daß Sie mir eine Generalvollmacht geben, für Sie aufzutreten. Mit der Hebamme werde ich dann schon fertig. Aber die Aussage der Hebamme allein würde nicht ausreichen. Darum habe ich mit weisem Fürbedacht der Frau von Thorbach von der Sache Mittheilung gemacht, um dieselbe für Sie zu interessiren, und das ist mir gelungen. Sie muß uns zu zweierlei Dingen dienen. Sie muß erstens den alten Jäger ihres Vaters, der Sie zuerst fand, zu dem Zeugniß bestimmen, welches wir brauchen…“

„Lebt denn der alte Jäger auch noch?“

„Gewiß, er lebt noch, aber er sitzt in seinem Walde drüben wie ein alter Uhu in seinem faulen Astloch und ist so menschenscheu und so widerhaarig und tückisch wie solch’ ein Nachtvogel. Es wäre keine Silbe aus ihm herauszubekommen, wenn seine Herrschaft ihm nicht vorher klar macht, daß er reden soll, und im Nothfall, daß sie ihn fortjagt, wenn er nicht redet. Und dann zweitens bedürfen wir der gnädigen Frau und ihrer Freunde und Connexionen in der Residenz, wenn zu Ihrer vollen Anerkennung königliche Bestätigungen oder dergleichen nöthig sein sollten; und wir bedürfen sie überhaupt, damit wir gleich mit größerem Gewicht auftreten, denn wenn, es heißt, daß Sie mit der Genehmigung und mit der Protection der Frau von Thorbach auftreten, so zweifelt schon von vornherein Niemand mehr an der Sache …“

„Desto besser dann,“ fiel Friedrich ein, „daß ich diese Protection habe, ich will sie mir auch gern gefallen lassen, obwohl es mir lieber wäre, wenn ich bestimmt wüßte, daß sie …“

Er wurde in diesem Augenblicke unterbrochen. Die Thür wurde geöffnet und mit hochgeröthetem Gesicht, mit bewegten Zügen trat Frau von Thorbach ein; sie war eine reizende Erscheinung, von einer verführerischen Anmuth, in dieser Erregung.

„Ich bin so außer mir von Allem, was Sie mir mitgetheilt haben, Doctor,“ sagte sie, „so gespannt, daß ich Sie zu unterbrechen komme. Ich muß hören, was unser junger Baron hier zu dem Allen sagt. Nicht wahr, es macht Sie glücklich, sehr glücklich? Ich bin froh, Ihnen Glück wünschen zu können … von ganzem Herzen …“

Sie reichte dabei Friedrich mit einer ungeheuchelten Wärme die Hand.

Friedrich nahm diese Hand, er war dabei ein wenig linkisch und verlegen, er dachte, es werde durchaus erforderlich sein, daß er diese Hand küßte, und er wagte es doch nicht, weil er gänzlich im Unklaren darüber war, wie man sich dabei benehme; so begnügte er sich, die schmale weiße Hand recht herzlich zu drücken, und dann sagte er:

„Und ich danke Ihnen, gnädige Frau, ich danke Ihnen aus Herzensgrunde, denn Sie sind wirklich sehr, sehr gütig gegen mich. Es liegt mir nur etwas dabei auf dem Herzen, und wahrhaftig, wenn ich wüßte, daß es nicht so plump und ungeschickt herauskäme, wie ich fürchten muß …“

„Es liegt Ihnen etwas auf dem Herzen, was Sie sich zu sagen schämen?“

„Schämen?“ fiel Friedrich ein … „das nicht … mir ist das Herz so voll, daß ich mich vor nichts in der Welt mehr schäme in diesem Augenblick …“

„Weshalb reden Sie denn nicht?“

Frau von Thorbach setzte sich bei diesen Worten und sah mit dem freundlichsten und ermuthigendsten Lächeln von der Welt zu Friedrich auf.

„Ich rede auch,“ fuhr dieser fort. „Sehen Sie, ich bin Ihnen auf’s Tiefste dankbar für Ihre Theilnahme für mich; aber es wäre mir lieber, wenn ich die Beruhigung hätte, daß Sie’s nur aus Theilnahme für den armen Findling Ihres verstorbenen Vaters thäten und nicht aus Feindschaft wider meinen armen, guten Hauptmann … Das bleibt mir doch wie ein Alp auf der Brust liegen, daß ich hier als ein Instrument dienen soll, den armen Hauptmann zu verkürzen, und der … das schwöre ich Ihnen, gnädige Frau, der hat es nicht um Sie verdient. Wenn Sie gehört hätten, wie er gestern noch zu mir von Ihnen sprach … wie er Sie bewundert, mehr als bewundert! Er liebt Sie, gnädige Frau, um das Ding beim rechten Namen zu nennen; er ist, seit Sie die Stadt verlassen haben, nicht mehr derselbe Mensch, er schließt sich ab, er sieht bleich und melancholisch aus, er hat an keinem Dinge mehr Freude und das Alles nur, weil Sie ihn so unchristlich hassen und seine Feindin sind. Der brave, gute, edle Mensch der! Es ist kein Officier wie er in der ganzen Garnison.“

Friedrich hatte sich in eine desto größere Wärme hineingeredet, je größer und, wie er glaubte, kälter das Auge der Frau von Thorbach auf ihm lag.

„Ich soll ihn hassen? … Ihren Hauptmann?“ sagte sie jetzt, indem die bleiche Farbe, welche bei Friedrich’s ersten Worten auf ihrem Antlitz sichtbar geworden war, einer dunklen, bis unter die Haarwurzeln tretenden Röthe wich … „aber, mein Gott, wie kommen Sie darauf … ich habe ihm nie etwas zu Leide gethan, ich weiß nur, daß er mich immer mit seinen Blicken verfolgt hat, wie ein Verrückter, ohne mich je anzureden, als ob es

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