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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

ihm nicht der Mühe werth scheine, mit einer so unbedeutenden Person …“

„Natürlich,“ fiel Friedrich ein, „da er doch wußte, daß Sie ihm feind sein …“

„Ich ihm feind? Ihr Hauptmann ist wirklich ein Verrückter,“ rief jetzt Frau von Thorbach im höchsten Verdrusse aus, „wenn er das glaubt! Weshalb in aller Welt sollte ich ihm feind sein?“

„Nun, wegen der thörichten alten Familienfeindschaft …“

Frau von Thorbach brach in ein lautes, gezwungenes Lachen aus.

„Familienfeindschaft! Das ist mir neu.“

„Aber sein Vater hat ihm doch schon gesagt …“

Frau von Thorbach sprang höchst erregt auf. Sie machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand.

„Wir wollten von Ihnen reden, Herr … Baron. Lassen Sie uns dabei bleiben und nicht auf den Vater des Hauptmanns kommen. Was ich thun kann in Ihrer Angelegenheit, thue ich als Tochter meines Vater, als Erbin der Verpflichtungen, die er gegen Sie übernahm … seien Sie darüber beruhigt …“

„Nun, dann dank’ ich Ihnen doppelt und dreifach … die große Summe Geldes, welche Sie für mich hergeben wollen, kann ich Ihnen bald ersetzen, hoffe ich, aber ich werde Ihnen nie vergelten können …“

„Die Summe Geldes?“ fragte Frau von Thorbach. „Welche Summe?“

„Sie irren, Friedrich,“ fiel hier der Doctor ein … „oder Herr Baron,“ verbesserte er sich lächelnd. „Die Summe Geldes …“

„Sie redeten doch von tausend Thalern, mein’ ich.“

„Ganz recht,“ entgegnete Rostmeyer, „aber diese hübsche runde Summe, dies Gewicht, womit das ganze Uhrwerk erst in Gang gesetzt ist, diese Basis unserer Operation hat Ihr künftiger Schwiegervater flüssig gemacht.“

„Wer?“ fuhr Friedrich auf.

„Ihr Schwiegervater.“

„Ich habe keinen Schwiegervater.“

„Das mein’ ich denn doch,“ antwortete der Advocat. „Da Sie mit der Marianne Herbot verlobt sind, haben Sie doch ihren Papa zum Schwiegervater; ich hoffe nicht, daß Sie sich jetzt schon so sehr als Baron fühlen, daß Sie den ehrlichen, wackern Bauersmann verleugnen wollen.“

Friedrich stand mit weit aufgerissenen Augen, auch sein Mund hatte sich ein wenig vor Verwunderung geöffnet, er sah vollständig dumm aus.

„Hören Sie, das wäre abscheulich,“ fiel hier die gnädige Frau erregt ein … „ich habe vorhin von der Runde bereits gehört, Sie wären mit der Marianne verlobt, sie hätte Sie in der Stadt, als sie mit mir dort war, kennen gelernt, und dazu habe ich Ihnen im Stillen herzlich Glück gewünscht, denn die Marianne ist ein braves, liebes Geschöpf, eine durchaus noble, feine Natur; was ihr an Bildung fehlt, das laßt sich zum guten Theil noch nachholen, sie wird ganz vortrefflich zu Ihnen passen, glauben Sie mir das … und wenn die Aussicht auf eine höhere Lebensstellung, welche Ihnen plötzlich geöffnet ist, Sie schwindeln machte und Sie vergessen ließe, was die einfache Ehrlichkeit von Ihnen verlangt, wenn Sie jetzt die Verpflichtungen ableugnen wollten, welche Sie früher eingegangen sind, wenn Sie meiner lieben, guten Marianne das Herz brächen, so … so … nun, so hörte meine Theilnahme für Sie auf, Herr Baron …“

„Bravo, gnädige Frau!“ sagte der Doctor Rostmeyer, „Sie haben Worte gesprochen, die Ihnen Ehre machen! Sie würden in der That eine verächtliche Handlung begehen, Friedrich … denken wir nicht daran!“

„Aber,“ fuhr Friedrich, über diese merkwürdigen Strafreden ganz außer sich, auf, „wenn ich Ihnen nun sage …“

Er vollendete nicht; er sah, daß die beiden Gesichter, die mit einem so großen Ernst auf ihn gerichtet waren, sich nur Unglauben und Verachtung verrathend von ihm wenden würden, wenn er weiter redete; er hatte nicht mehr den Muth weiter zu reden, er murmelte nur ingrimmig zwischen den Zähnen:

„Also dieser Bauer Herbot hat mich mit seinen tausend Thalern als Schwiegersohn wirklich eingekauft! Es ist wahrhaftig zum Tollwerden!“

„Sie haben sich besonnen?“ sagte Frau von Thorbach.

„O gewiß, gewiß,“ lachte Friedrich bitter auf. „So sehr, daß ich von hier sofort zu meiner Braut gehen werde. Ich brenne vollständig zu ihr zu kommen! Sind wir fertig, Doctor Rostmeyer?“

„Wenn Sie für’s Erste nur dies Vollmachtsformular unterschreiben wollen, so sind wir fertig.“

Der Doctor Rostmeyer zog ein halb bedrucktes, halb beschriebenes Papier aus der Brusttasche hervor und holte von einem Ecktische Schreibgeräthe herbei.

Frau von Thorbach gab unterdeß Friedrich die Hand.

„Auf Wiedersehen, Herr Baron,“ sagte sie, „wenn Sie Ihre Braut sehen, so grüßen Sie sie auf’s Herzlichste von mir, sagen Sie ihr, ich bäte, daß sie mich recht bald besuche, recht bald, hören Sie? Adieu, adieu!“

Damit verschwand sie, ehe noch Friedrich sein bitter ironisches: „Werde nicht ermangeln! Meine Braut!!“ hatte aussprechen können. -




Nachdem Friedrich sich von dem Rechtsanwalt getrennt und mit ihm verabredet hatte, daß er, so lange sein Urlaub dauere, in dem Dorfwirthshause bleiben und dort zu weiteren Besprechungen für Doctor Rostmeyer bereit sein werde, führte er seinen Vorsatz aus. Er schlug sofort den Weg zum Herbothofe ein.

Es war bereits Nachmittag, als er auf dem Hofe ankam. Der Bauer hielt in seiner Kammer eine kleine Siesta; das Gesinde war zur Arbeit gegangen; Marianne saß auf der Bank hinter dem Hause und zählte Garnstränge, die sie zum Weber senden wollte; von Zeit zu Zeit stand sie auf, um mit einer Gießkanne Wasser aus dem Bach zu schöpfen und die drei grauen Linnenstücke zu begießen, welche zum Bleichen am Ufer ausgespannt lagen.

Da Friedrich Niemand im Hause fand, schritt er suchend um das Haus herum. So kam es, daß er plötzlich um die Ecke bog, plötzlich Marianne erblickte, plötzlich vor ihr stand.

(Schluß folgt.)




Ein vielbewegtes Leben.

Von Ludwig Ashölter.

Karl Schurz als Gast des Grafen Bismarck“ – diese Zeitungsnachricht lief vor wenigen Wochen durch ganz Deutschland und rief bald Erstaunen, bald Grauen hervor, je nach der Partei, welcher das lesende Auge angehörte. Der Befreier Kinkel’s, der Einbrecher in Spandau beim Ministerpräsident von Preußen! So murrten die Einen, während die Anderen einen gefeierten und verdienten General und Staatsmann der nordamerikanischen Union in der Wohnung des norddeutschen Bundeskanzlers sahen und dies als eine bedeutungsvolle Erscheinung begrüßten. Mag nun jede Partei ihr Bild von dem in solcher Weise ausgezeichneten Mann so fest wie möglich halten, immer wird es zu den interessantesten der Gegenwart gehören, und dies allein schon würde uns verpflichten, den Lesern der Gartenlaube sein Portrait und seinen Lebensgang mitzutheilen, auch wenn wir nicht dem großen, edlen, tüchtigen Streben dieses Deutschen wie einst im alten so jetzt in seinem neuen Vaterlande unsere Anerkennung darzubringen hätten. Der Verfasser der nachstehenden Aufzeichnungen glaubt daher den Wünschen aller Derer, welche an seiner Person Interesse nehmen (und deren Zahl ist diesseits und jenseits des Oceans nicht gering), entgegenzukommen, wenn er über sein Leben mittheilt, was ihm durch seine Jugendfreundschaft und seinen ferneren persönlichen Verkehr mit ihm, sowie aus anderen Quellen bekannt geworden ist.

Karl Schurz ist im Jahre 1829 in Liblar, einem Dorfe in der Rheinprovinz, von armen Eltern geboren und verlebte auch dort die Jahre seiner Kindheit. Im Jahre 1840 trat er in das damals sogenannte Jesuitengymnasium zu Köln, um auf demselben

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_180.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)