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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

er leben und gesund bleiben will, stets in der richtigen Menge und Güte. Und dies geschieht durch den Genuß von Nahrungsmitteln, von Speisen und Getränken. Diese werden innerhalb des Verdauungsapparates mit Hülfe verschiedener Säfte (des Mund- und Bauchspeichels, des Magen- und Darmsaftes, der Galle) so verarbeitet, daß ihre besten Bestandtheile zu Blut werden und nun zur Erzeugung der verschiedenen Gewebe zu verwenden sind.

In einem Gebäude werden wir uns aber, nur dann wohl befinden können, wenn in dessen Räumen eine angenehme Temperatur herrscht. Wir heizen deshalb bei kaltem Wetter ein. – Auch innerhalb unseres Körpers ist stets ein gewisser Grad von Wärme (+ 30° R.) nöthig, wenn der Stoffwechsel ordentlich vor sich gehen soll. Um diese Wärme zu erzeugen, heizen wir auch ein, und zwar mit Stoffen, die dem Verbrennungsmaterial unserer Oefen (Holz, Stein- und Braunkohle) in ihrer chemischen Zusammensetzung ähnlich sind. Zu ihnen gehören: fettige, stärkemehlhaltige, zuckerhaltige und spirituöse Substanzen. Wir genießen dieselben mit unsern Nahrungsmitteln und zum Theil gleichzeitig als ernährende Stoffe. Einige dieser Stoffe, wie das Stärkemehl und den Zucker, ist unser Körper allmählich in Fett zu verwandeln im Stande, und man nennt diese Stoffe deshalb auch Fettbildner.

Wollen wir nun zur Erhaltung unseres Lebens und der Gesundheit die richtigen Nahrungsmittel wählen, so müssen wir natürlich, um die richtige Auswahl treffen zu können, wissen, welche und wie viel von solchen Stoffen, die unsern Körper aufbauen, in diesem oder jenem Nahrungsmittel vorhanden sind. Je reicher ein Nahrungsmittel an diesen Stoffen (Nahrungsstoffen) ist, desto nahrhafter ist es. Nur die Milch und die Eier enthalten alle jene Stoffe in der richtigen Menge, und deshalb könnte der Mensch auch von Milch oder von Eiern allein leben. Alle übrigen Nahrungsmittel dagegen enthalten entweder nicht alle zu unserer Ernährung nöthigen Materien oder nicht in der gehörigen Menge. Deshalb sind wir gezwungen, mehrere und verschiedenartige Nahrungsmittel miteinander (in unsern Speisen) zu vermischen, um alle diejenigen Stoffe in der richtigen Menge in unser Blut zu schaffen, welche zum Auf-und Neubaue unseres Körpers durchaus nöthig sind. Also dürfen wir nicht blos oder vorzugsweise eiweißstoffige oder blos und hauptsächlich fette etc. Nahrungsmittel genießen, sondern solche, in denen von allen erforderlichen Nahrungsstoffen (von Eiweißstoffen, Fetten und Fettbildnern) genug vorhanden ist. Wir sind deshalb gezwungen, thierische und pflanzliche Nahrungsmittel miteinander zu verbinden, weil in den ersteren zu wenig fette und fettbildende, in den letzteren zu wenig eiweißstoffige Nahrungsstoffe vorhanden sind. Würden wir z. B. blos von magerem Fleische, von Käse oder vom Weißen der Eier leben wollen, so müßten wir ebenso verhungern, als wenn unsere Nahrung blos in Fett, Butter oder Eidotter bestände. Pflanzliche Nahrungsmittel können uns deshalb nur dann richtig ernähren, wenn sie die oben genannten Nahrungsstoffe, also besonders eiweißstoffige, fettige und fettbildende (mehlige und zuckerige) Stoffe, in gehöriger Menge enthalten. Die Kartoffeln die fast nur aus Mehl bestehen, müssen demnach, allein genossen, zur richtigen Ernährung unseres Körpers ganz untauglich sein. Ebenso können aber auch alle Mehlsachen, besonders das Brod, nur dann als nahrhaft gelten, wenn in ihnen außer dem Mehle auch noch Kleber (d. i. der mit dem Weißen im Eie zu vergleichende Eiweißstoff, der dicht unter der Hülse der Getreidesamen lagert) vorhanden ist. Kleienbrod, weil sich in ihm weit mehr Kleber befindet, muß nahrhafter sein als das gewöhnliche Brod ohne Kleie (denn an dieser hängt noch viel Kleber an). Freilich wird aber durch die Kleie das Brod schwerer verdaulich und würde darum einem schwachen Magen nicht anzurathen sein.

Wenn wir nun auch wissen, was wir essen sollen, so ist es ferner noch von großer Bedeutung zu wissen, wie wir das Was genießen müssen. Eine große Menge von Menschen, und gerade arme Leute, essen so, daß ihnen das Genossene keinen solchen Nutzen bringt, wie es könnte, und daß sie also ihr schönes Geld für die Speisen zum Theil unnütz ausgeben. Ein großer Theil der Nahrungsstoffe geht nämlich, wenn diese nicht richtig genossen werden, anstatt in das Blut, mit den Excrementen ganz unbenutzt wieder fort. Um dies nun zu verhindern, merke man sich: Altes Feste, das wir genießen, ganz besonders aber das Fleisch, muß so zubereitet und im Munde mit den Zähnen so lange verarbeitet (gekaut) werden, daß es im Magen und Darmcanale von den Verdauungsäften (vorzugsweise von: sauren Magensafte) leicht durchdrungen und aufgelöst werden kann. Je flüssiger und breiiger ein Nahrungsmittel ist, je schneller es im Verdauungsapparate in eine solche Form verwandelt werden kann und je besser die Verdauungssäfte in dasselbe eindringen können, desto verdaulicher ist dasselbe und desto besser können dessen Nahrungsstoffe ausgezogen und in das Blut geschafft werden.

Deshalb kommt auf die Zubereitung der Speisen sehr viel an. Ein gut gekochtes oder gebratenes, weiches Stück Fleisch muß, ebenso wie ein tüchtig zu Brei zerkautes Stück, weit verdaulicher sein, als hartes, wenig zerkautes Fleisch. – Hartes Ei ist sehr unverdaulich, weiches äußerst leicht verdaulich. – Feste unlösliche, also unverdauliche Stoffe in unsern Speisen, wie Hülsen, Schalen, Körnchen, Blätter n. dergl., erschweren, indem sie im Magen die löslichen, verdaulichen Nahrungsstoffe einhüllen, das Eindringen des Magensaftes in dieselben und hindern dadurch die Lösung derselben. So gehen nicht durchgeschlagene Hülsenfrüchte (auch Reis) fast ganz unverdaut im Stuhlgange wieder mit fort. – Sehr fette Speisen werden ebenfalls dadurch unverdaulicher, sobald das flüssige Fett, welches vom wässrigen Magensäfte nicht durchdrungen werden kann, eine Art Atmosphäre rings um die löslichen Nahrungsstoffe bildet. – Trinkt man Milch langsam in kleinen Schlucken und ißt dazwischen Brod, so gerinnt dieselbe im Magen nur in ganz kleinen Portionen und wird dann für den Magensaft leichter durchdringlich und löslicher. Dagegen bildet sich beim schnellen Trinken größerer Quantitäten Milch im Magen ein großer Klumpen Quark und dieser ist für den Magensaft schwer zu lösen. – Aus diesen wenigen Beispielen wird der Leser hoffentlich erkennen, daß auf das Wie beim Essen viel ankommt.

Wenn es nun feststeht, daß wir Menschen, gerade so wie die Thiere und Pflanzen, essen und trinken müssen, um zu leben, und daß wir mit unserem Essen und Trinken ganz bestimmte Stoffe und zwar sogenannte Nahrungsstoffe (das sind solche, aus denen unser Körper aufgebaut ist) in unsern Verdauungsapparat schaffen müssen; daß ferner diese Nahrungsstoffe mit Hülfe des Verdauungsprocesses so zu verarbeiten sind, daß sie in den Blutstrom eintreten und zur Gewebsbildung verwendet werden können: – so wird es sich denn wohl von selbst verstehen, daß auf die Auswahl, die Zubereitung und die Verarbeitung unserer Speisen durch den Verdauungsproceß sehr viel ankommt. Stets muß also unser Streben bei der Ernährung unseres Körpers dahin gerichtet sein, die nöthige Menge von Wasser, von Eiweißstoffen (Gewebsbildnern), von Fetten und Fettbildnern oder Heizungsmaterial einzuführen. Darauf kommt weniger an, daß wir die Eiweißstoffe gerade in allen den Formen, wie sie in unserm Körper vorkommen, genießen. Und zwar deshalb kommt nicht viel darauf an, weil sich unser Körper seine ihm eigenthümlichen Eiweißstoffe schon zurecht zu machen weist, wenn er nur irgend eine Eiweißsubstanz bekommt. Ebenso verhält es sich mit den Fetten. Habe ich demnach keinen Fleischfaserstoff, so kann ich denselben durch Käse und Eiereiweiß oder auch durch den Kleber der Getreidesamen und den Hülsenstoff (Legumin) der Hülsenfrüchte ersetzen. Die Stelle des Fleischfettes, der Butter und des Eidotters können Pflanzenöle oder auch Fettbildner (stärkemehl- und zuckerhaltige Substanzen) vertreten. Und so ist denn dem Menschen von der Natur eine große Auswahl, von Nahrungsmitteln gegeben. – Trotzdem giebt es viele Gelegenheiten, wo er entweder Mangel an guter Nahrung leiden muß, oder wo er wegen Schwache und Krankheit seiner Verdauungsorgane die gewöhnlichen Speisen nicht vertragen kann. Für solche Vorkommnisse hat nun die Wissenschaft aus verschiedenen Nahrungsmitteln solche Nahrungsstoffe zu bereiten gelehrt, die schon in geringer Menge einen großen Nährwert haben, sich lange Zeit gut erhalten, schnell in Gebrauch genommen werden können, leicht zu transportiren sind und auch von schwachen Verdauungsorganen leicht verarbeitet werden können. Sie passen also: bei Expeditionen aller Art zu Lande und Meer, im Kriege und in Spitälern, für Festungen und Schiffe, zur Verschickung in hungernde Gemeinden, bei Magen und Darmkrankheiten, sowie bei großer Blutarmuth und Körperschwäche. Zur Zeit besitzen wir in den Fleisch- und Malzextracten, in condensirter Milch und Milchsurrogaten solche künstlich bereitete Nahrungsstoffe. Unter allen nimmt aber die oberste Stelle

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_186.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)